Corona: Sind die Impfstoffe wirklich sicher?
von Elisabeth Sorantin

Wie die Zulassung der neuen COVID-19 Impfstoffe erfolgt
SICHERHEIT GEHT VOR
Die ersten Impfstoffe gegen COVID - 19 stehen kurz vor der Einreichung zur Zulassung. Grund zur Hoffnung! Doch manche fragen sich, ob bei diesem Tempo wohl auch alle erforderlichen Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden konnten?
NEWMOM hat sich genau angesehen, wie der Freigabe-Prozess erfolgt und warum der Vorgang so schnell abgewickelt werden kann.
Wodurch unterscheiden sich eine reguläre und eine beschleunigte Zulassung?
Bei Sicherheit und Qualität kann es keine Kompromisse geben.
Die einzige Möglichkeit, das Verfahren zu beschleunigen, besteht in einer administrativen Anpassung: Anstatt erst mit der Prüfung zu beginnen, wenn das gesamte Dossier zur Einreichung vorliegt, prüft die Europäische Arzneimittelbehörde EMA bei einer "beschleunigten Zulassung" ("Rolling Review") laufend mit und informiert die Hersteller umgehend über ihre Kommentare. Studienphasen können zeitlich verschränkt anstatt nacheinander durchgeführt werden.
So oder so, erst wenn das zuständige Entscheidungsgremium "Committee for Human Medical Products for Human Use (CHMP)" (Ausschuss für Humanarzneimittel) befindet, dass die Datenlage ausreichend ist, darf ein Antrag auf Zulassung gestellt werden.

Impfstoffentwicklung und Testung in weniger als einem Jahr
Diese Mammutaufgabe konnte bewältigt werden, weil die Hersteller von Anfang an auf vollen Einsatz an gebündeltem Know how, erfahrenem Personal und den erforderlichen praktischen und finanziellen Ressourcen gesetzt haben.
Entscheidend war, dass man sogenannte "Plattform Technologien" gewählt hat, das heißt, bereits existierende Technologien, für die es schon Daten gibt. Auch bei den Gesundheitsbehörden. Denn bei einem so engen Zeitplan ist kein Platz für neue, ungetestete Technologien. Das gilt auch für mRNA (Messenger RNA, Boten RNA) Impfstoffe. Es stimmt zwar, das bisher noch kein mRNA Impfstoff zugelassen wurden, aber es liegen Erfahrungen mit therapeutischen Ansätzen in der Tumorbekämpfung vor. Hier konnte die Verträglichkeit von sehr viel höheren Dosen als in COVID - 19 Impfstoffen in sensiblen Patientengruppen gezeigt werden.
Die Rolle der EMA
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ist für die Zulassung neuer Medikamente im Bereich der EU zuständig. Ein neuer Impfstoff wird von ihr wie jedes neue Medikament auf Herz und Nieren geprüft.
Gibt sie grünes Licht, kann das Produkt von der EU - Kommission für alle EU-Staaten zugelassen werden, ohne dass extra in jedem Mitgliedstaat ein neues Verfahren durchlaufen werden muss, was Zeit und Aufwand spart. Da jeder Mitgliedstaat eigene ExpertInnen aus den Nationalen Arzneimittelbehörden in die Prüfungsteams der EMA entsendet, kann man die so beschickten Teams als eine Versammlung der besten Köpfe ansehen.
Die Anforderungen an die Hersteller
Jede Firma, die um Zulassung ansucht, muss als Teil ihres Antrags ein komplexes genormtes technisches Dossier vorlegen, das sogenannte CTD (Common Technical Document).
Das CTD besteht aus fünf Modulen mit exakten Vorgaben, wie Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts nach jeweils festgelegten wissenschaftlichen Kriterien belegt werden können.
Wer genau prüft die Zulassungsanträge und wie?
Die EMA verfügt über mehrere ständige Expertenkomitees zu verschiedenen Themen. Für die Zulassungen neuer Medikamente ist das "Committee for Human Medical Products for Human Use (CHMP)" (Ausschuss für Humanarzneimittel) zuständig, in dem jeder Mitgliedstaat durch eine Fachperson vertreten ist.
Das CHMP trifft sich zu regelmäßige Arbeitssitzungen, heuer online. Langt ein neuer Zulassungsantrag ein, bestimmt das CHMP zwei Expertenteams ("Rapporteur Teams") aus den Bereichen Pharmazie, Medizin, Biologie und Statistik, die das Dossier unabhängig voneinander sichten und einen Bewertungsbericht erstellen - bei Bedarf auch eine Mängelliste, die der Bewerber abarbeiten muss, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann. Nicht genug damit, wird die Arbeit dieser beiden Teams von einem dritten Team aus FachkollegInnen begleitend begutachtet ("Peer Review").
Im Normalfall dauert diese Prüfungsphase 210 aktive Tage. Die Zählung wird nämlich angehalten, während die Bewerber Daten nachliefern müssen. Bei einer Gesundheitskrise wie bei der COVID - 19 Pandemie ist die aktive Prüfungsphase auf maximal 150 Tage beschränkt, - es ist aber davon auszugehen, dass die Teams Tag und Nacht arbeiten werden, um früher fertig zu sein.
- Haben beide Rapporteur Teams ihre Begutachtung beendet, legen sie dem CHMP die Erstfassung ihrer Bewertungsberichte vor.
- Das CHMP diskutiert sodann die vorgelegten Berichte. Gibt es noch Zweifel oder offene Fragen, müssen die Hersteller solange Daten nachliefern, bis alle Fragen geklärt sind. Es kann auch sein, dass die Antragsteller zu einer Anhörung geladen werden.
- Erst wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Impfstoff wirksam und sicher ist wird, wird die Zulassung erteilt. Gleichzeitig wird festgelegt, welche weiterführenden Studien der Hersteller liefern muss, damit die Sicherheit des Wirkstoffs langfristig gewährleistet werden kann.
Höchstmögliche Transparenz ist ein hoher Wert für die EMA
Die EMA publiziert z.B. regelmäßig die Tagesordnungen und Protokolle ihrer Arbeitsgruppen, so auch die des CHMP.
Wird ein Produkt zugelassen, wird auch ein "European Public Assessment Report" (EPAR; Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht) zur allgemeinen Information publiziert.
Fachliche Beratung:
Dr. Otfried Kistner, Senior Konsulent & Unabhängiger Impfstoff-Experte
Quellen und weiterführende Links
Zulassungsverfahren:
- https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats/coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/covid-19-vaccines-development-evaluation-approval-monitoring
- https://www.derstandard.at/story/2000121768073/wie-die-zulassung-von-impfstoffen-funktioniert
- https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschuss_f%C3%BCr_Humanarzneimittel