Schlafen - Tipps von der Schlafforscherin
von Natascha Dimitrov

Von der Kunst des Schlafens - Schlafmedizin im Fokus
Märchen und Mythen ranken sich um das lebenswichtige Thema "Schlafen", welches in Zeiten wie diesen besondere Aufmerksamkeit erfährt. Gesunder Schlaf ist unter anderem essenziell für ein intaktes Immunsystem und die Abwehr von Bakterien. Grund genug, die Medizinerin Alexandra Correll, die als Fachärztin für Neurologie in der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin St. Hedwig in Berlin praktiziert, zum Interview zu bitten!
Gesunder Schlaf ist für Mensch und Tier überlebenswichtig. Warum ist das so?
Im Schlaf erfüllt der Körper einige sehr wichtige Aufgaben. Schlaf ist also kein passiver Zustand, in dem nicht viel passiert. Ein berühmter Schlafforscher, Allan Rechtschaffen, der letzten November im Alter von 93 Jahren verstarb, meinte einst: "Wenn der Schlaf nicht eine absolut lebenswichtige Funktion hat, ist er der größte Fehler, den die Evolution je gemacht hat." Inzwischen weiß man, dass im Schlaf zahlreiche körperliche und psychische Prozesse wie
- die Regulierung und Bildung des Immunsystems,
- Lernen und Gedächtniskonsolidierung,
- die emotionale Regulierung,
- die Steuerung von Gewicht und Appetit
- und sogar eine Art "Entgiftung" des Gehirns von bestimmten Proteinen stattfinden.
Allerdings sind immer noch viele Fragen und Aspekte ungeklärt.
Wie viel Schlaf ist im Durchschnitt normal bei Kindern, wie viel bei Erwachsenen?
- Erwachsene schlafen in der Regel zwischen sieben und neun Stunden,
- Neugeborene ca. 16 Stunden.
Die Schlafdauer, aber auch die Schlafarchitektur ändert sich im Laufe des Lebens. Wichtig ist, sich nicht auf die häufig postulierten acht Stunden Schlaf zu fixieren, sondern vielmehr auf seine individuelle Schlafdauer, nach der man ausreichend erholt ist. Ausgeprägte Ängste und Sorgen, nicht genügend Schlaf zu bekommen, könnten sekundär dazu führen, dass sich Schlafstörungen verselbständigen und chronifizieren.
Welche Uhrzeit ist ideal, um sich als Kind bzw. Erwachsener schlafen zu legen, und was kann man darüber hinaus für einen guten, gesunden Schlaf tun?
Es gibt in diesem Sinne keine "richtige" Uhrzeit, um zu Bett zu gehen. Wichtig ist vielmehr, regelmäßige Bettzeiten einzuhalten, das heißt stets ungefähr zur gleichen Zeit zu Bett zu gehen und aufzustehen, auf ausreichende Schlafzeiten sowie auf Dunkelheit und Ruhe im Schlafzimmer zu achten.
Wie genau teilt sich Schlaf ein in Tiefschlaf und REM-Phase und was passiert in den jeweiligen Phasen?
Es werden drei Phasen des sogenannten Non-REM-Schlafs unterschieden, wobei N3 dem Tiefschlaf entspricht; außerdem der REM-Schlaf, eine Abkürzung für Rapid-eye-movement-Schlaf. In dieser Schlafphase bewegen sich die Augen rasch hin und her, während sich der Rest des Körpers in einer Art "Lähmung" befindet, um das, was man träumt, nicht auszuagieren.
Die Funktionen der jeweiligen Phasen sind bis heute nicht hinlänglich geklärt. Es scheint, dass der Tiefschlaf z.B. für das Immunsystem und die Entfernung der Proteine aus dem Gehirn wichtig ist, der REM-Schlaf z.B. für die Regulierung von emotionalen Inhalten. Im Hinblick auf das Lernen und die Gedächtnisbildung sind die verschiedenen Schlafphasen nach heutigem Wissensstand beide involviert, jedoch für unterschiedliche Teilaspekte, die erst durch ihr Zusammenspiel zu den hochkomplexen Prozessen des Lernens beitragen.
Warum kann man sich an manche Träume erinnern und an manche nicht?
Dies liegt am ehesten daran, dass man gerade aus dem Traum erwacht ist und einem dieser noch präsent ist.
Im Schlaf finden immunologisch wichtige Prozesse statt. Studien haben gezeigt, dass Schlafmangel den Schutz vor Infektionen beeinträchtigen kann.
Wie können sich Schlafgewohnheiten in der Schwangerschaft verändern?
Unterschiedlich. So können hormonelle Umstellungen zum Beispiel unruhige Beine, das Restless-legs-Syndrom, auslösen oder verstärken, was zu Einschlafstörungen führen kann. Dem kann auch ein Eisenmangel zugrunde liegen, der in der Schwangerschaft auftreten kann. Als Hausmittel kann das Kühlen der Beine Erleichterung bringen.
Junge Mütter leiden oft unter Schlafstörungen, u.a. durch wiederholtes Aufstehen. Welche speziellen Tipps gibt es, um besser wieder einzuschlafen?
Unterbrechungen des Schlafes der Eltern gehören nach der Geburt des Kindes natürlich eine Zeit lang dazu. Am besten sollte man versuchen, sich keine Gedanken um den Schlaf bzw. Schlafmangel zu machen.
Wie beeinflusst die Helligkeit im Zimmer den Schlaf? Wirken Klassiker wie Lavendelöl, Rosenwasser, Tees, Zirbe etc. wirklich schlaffördernd? Sollte man Computer, TV im Schlafzimmer vermeiden?
Es sollte abends und nachts möglichst dunkel im Schlafzimmer sein, damit die Ausschüttung des Hormons Melatonin nicht unterdrückt wird. Einige pflanzliche Mittel können eine beruhigende und damit einschlaffördernde Wirkung haben, der wissenschaftliche Beweis steht jedoch aus. Wenn es einem hilft, soll man es ruhig benutzen, unabhängig davon, ob die Wirkung auf einen Placeboeffekt oder auf die Substanz selbst zurückzuführen ist. Man sollte versuchen, ab circa einer Stunde vor dem Zubettgehen bereits einen "inneren Feierabend" einzuhalten, also auf alles, was einen anregt, stimuliert, aufregt, zu verzichten; dazu kann auch der Gebrauch von PC und TV zählen.
Wenn man tagsüber übermüdet ist, was ist effektiver Nachmittagsschlaf oder kurze "Powernaps"?
Auf jeden Fall zunächst für guten und ausreichenden regulären Schlaf in der Nacht sorgen! Gegen einen zusätzlichen Powernap tagsüber bis zu maximal 30 Minuten ist nichts einzuwenden, länger sollte er allerdings nicht dauern, um nicht bereits am Tag zu viel Schlafdruck abzubauen, da dies sonst abends zu Einschlafstörungen führen kann.
Welche Schlafstörungen gibt es?
Die internationale Klassifikation von Schlafstörungen ICSD-3 unterscheidet heute mehr als 80 Schlafstörungen.
Diese können grob in folgende Gruppen unterteilt werden:
- Insomnien, also Störungen, die Ein- und Durchschlafstörungen sowie Früherwachen beinhalten,
- Hypersomnien, darunter versteht man Störungen, bei denen Patienten ein erhöhtes Schlafbedürfnis haben und teilweise unkontrolliert einschlafen, wie bei der Narkolepsie.
- Des Weiteren gibt es schlafbezogene Atemstörungen, wie das häufige obstruktive Schlafapnoesyndrom.
- Außerdem Bewegungsstörungen wie das Syndrom der unruhigen Beine oder periodische Beinbewegungen, die den Schlaf stören können.
- Eine weitere Gruppe besteht aus den Parasomnien, die entweder im Tiefschlaf auftreten, wie das Schlafwandeln oder der Nachtschreck, oder im REM-Schlaf als REM-Schlafverhaltensstörung, bei der Patienten im Schlaf das jeweils Geträumte körperlich ausagieren.
- Außerdem gibt es sogenannte zirkadiane Rhythmusstörungen, diese beschreiben zum Beispiel Schlafphasen zu eher untypischen Zeiten.
Gibt es Literatur-Tipps zum Thema gesunder Schlaf?
Empfehlenswert sind:
- "Warum wir schlafen" von Albrecht Vorster, einem deutschen Schlafforscher.
- "Why we sleep" von Matthew Walker, einem renommierten Professor für Neurowissenschaften und Psychologie und Schlafforscheraus Berkeley, Kalifornien.
- "Mein Buch vom guten Schlaf" von Jürgen Zulley, einem renommierten deutschen Arzt und Professor.
Fachliche Unterstützung
Alexandra Correll studierte Medizin und Architektur. Sie ist Fachärztin für Neurologie und behandelt in der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin St. Hedwig in Berlin Patienten mit unterschiedlichen Schlafstörungen. Derzeit ist sie Teilnehmerin des Online-Postgraduierten- Studiengangs für Schlafmedizin an der Universität Oxford.
Autorin
Natascha Dimitrov ist freischaffend als Künstlerin, Autorin, Journalistin und Bloggerin tätig. Als Modedesignerin vertiefte sie ihr Wissen in Paris bei YVES SAINT LAURENT, GIVENCHY und der VOGUE. Die passionierte Frühaufsteherin, die ein Faible für gesunden Schlaf vor Mitternacht hat, liebt es, komplizierte Themen mit einer Prise gepflegtem Humor darzustellen. Web: nataschadimitrov.com; amoremiau.com – MIZZ MARPLE The Fabulous AnalytiCat.