Das Baby ist da und alles scheint perfekt. Doch gar nicht so selten legt sich ein schwarzer Schleier über die Wiege, wenn eine postpartale Depression aufs Gemüt drückt. Fast jede sechste Frau ist betroffen.
Der Mutterschaft in all ihren Facetten gerecht zu werden ist eine riesengroße Aufgabe. Wenig verwunderlich, dass in dieser besonderen Lebensphase die Gefühle verrückt spielen können. Schließlich bleibt kaum etwas, wie es davor war.
Massiver Schlafentzug und hormonelle Veränderungen heben frischgebackene Mütter manchmal förmlich aus den Schuhen. Doch nicht jede vergossene Träne kündigt gleich eine schwerwiegende psychische Erkrankung an. Weit öfter als eine postpartale Depression oder gar eine Psychose (1% Häufigkeit) steckt ein Babyblues hinter dem Gefühlschaos.
Babyblues
75% aller Wöchnerinnen sind von den sogenannten „Heultagen“ betroffen. Diese gelindeste Erscheinungsform eines seelischen Ausnahmezustandes betrifft die ersten Tage nach der Geburt und geht recht rasch und ohne Behandlung wieder vorüber.
Typische Anzeichen sind:
- grundloses Weinen,
- Angstgefühle
- und Ungeduld.
Eine große Packung Taschentücher, verständnisvolle Worte und liebevolles Umsorgtwerden sind in dieser verwirrenden Zeit wohltuend.
Postpartale Depression (Depression nach der Geburt)
Anders als mit dem Babyblues, der keiner Behandlung bedarf, verhält es sich mit einer Depression nach der Geburt. Doch wie kann man das naturgemäß auftauchende Gefühl von Überforderung, die Entwicklung von Ängsten, die man bisher nicht kannte, und eine gewisse Launenhaftigkeit vom Krankheitsbild der postpartalen Depression unterscheiden?
Spätestens wenn der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann und über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen immer wieder Gedanken und Gefühle aufkommen, die die neue Lebenssituation in Frage stellen, sollte man sich ärztliche Hilfe holen (siehe Selbsttest – Kasten).
In vielen Fällen kommen psychologische Beratung oder Psychotherapie zum Einsatz. Aber auch eine zusätzliche vorübergehende medikamentöse Behandlung kann wichtig und heilsam sein, vor allem wenn die Gefahr besteht, dass man sich oder das Baby gefährdet. Die Furcht vor Medikamenten ist unbegründet. Die Verabreichung wird, wo sie notwendig ist, von den psychiatrischen Fachärzten individuell abgewogen und punktgenau eingesetzt.
Risikofaktoren für eine Depression
In der Regel führt eine Kombination aus:
- individuellen Vorbelastungen,
- aktuellen Problemen
- und besonderen Risikofaktoren dazu, dass sich die Erkrankung manifestiert.
Neben dem seelischen Ungleichgewicht kann sie sich auch in körperlichen Beschwerden wie Herzrasen, Schwindelgefühl, Zittern und einem Wechsel zwischen Hitze- und Kältegefühl zeigen. Doch abgesehen davon, dass die meisten Symptome diffus und unspezifisch wirken, wird die postpartale Depression auch manchmal erst spät erkannt, weil sie erst etwa ab der zehnten Woche nach der Geburt bis zu einem Jahr danach in Erscheinung tritt und deshalb nicht mehr mit dem Auslöser „Geburt“ in Verbindung gebracht wird.
Einige bedeutende Risikofaktoren liegen in der Vergangenheit: Sexueller Missbrauch, Gewalterfahrungen, eine schwierige Kindheit, vorangegangene Tot- oder Fehlgeburten oder frühere depressive Episoden sind Beispiele für eine solche belastende Vorgeschichte und verlangen dem Partner ein besonders wachsames Auge auf seine Liebste ab.
Aber auch eine schwierige Geburt, ein sehr forderndes Kind oder Probleme mit der Gesundheit des neuen Familienmitgliedes können Auslöser für eine postpartale Depression sein.
Tabuthema
Mehr als 15% aller Frauen sind von psychischen Erkrankungen nach der Geburt eines Kindes betroffen. Trotzdem sind diese Erkrankungen in unserer Gesellschaft ein Tabuthema und werden vom Umfeld gern ignoriert oder mit kurzen Worten abgetan. Doch diese Reaktionen helfen der Betroffenen nicht weiter. Im Gegenteil, oft werden durch gut gemeinte Ratschläge und Beschwichtigungen zusätzliche Schuldgefühle geschürt, das Gefühl der Unfähigkeit verstärkt und statt Hilfe einzufordern wird der soziale Rückzug angetreten.
Ein Teufelskreis, den vor allem die nächsten Angehörigen unbedingt unterbrechen müssen. Allen voran sind die Lebenspartner gefordert, wachsam und fürsorglich zu sein. Offene Gespräche, Unterstützung im Alltag, genug Zeit als Liebespaar und das nötige Problembewusstsein können zur seelischen Hängematte werden und dabei helfen, nach dem tiefen Tal der Tränen wieder die sprichwörtliche Wolke 7 zu erklimmen.
Selbsttest
„Bin ich von einer Depression betroffen?“
- Ich mache mir häufig unnötige Sorgen um mein Baby.
- Ich lache nicht mehr so häufig.
- Ich fühle mich oft verängstigt.
- Es wird mir alles zu viel.
- Ich weine oft.
- Ich habe mir die Zeit mit dem Baby ganz anders vorgestellt.
- Niemand kann meine Situation verstehen./ Ich fühle mich unverstanden.
- Ich fühle mich hilflos und alleingelassen.
- Ich bin sehr müde und kann trotzdem nicht schlafen.
- Es bleibt keine Zeit mehr für mich selbst.
Wenn mehr als vier Punkte zutreffen, besteht die Möglichkeit einer psychischen Krise und ärztlicher Rat sollte eingeholt werden.
Quelle: „…eigentlich sollte ich glücklich sein …“ Broschüre des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen; 2017
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel