Während die einen nach Jahren der Kindererziehung „reif für die Insel“ sind, werden die anderen mit dem 40er langsam reif für ihr erstes Kind. Welche körperlichen, psychischen und gesellschaftlichen Herausforderungen hält eine späte Elternschaft bereit? Oder hat sie vielleicht sogar mehr Vorteile, als man denkt?
Späte Mütter sind heute keine Exotinnen mehr. Jedes fünfte Kind wird von einer Frau über 35 geboren. Diese „Spätgebärenden“ bekamen bis vor Kurzem einen roten Markierungspunkt auf den Mutter-Kind-Pass, um sie als Risikoschwangere hervorzuheben. Da müssen einige rote Punkte verteilt worden sein: Denn 2014 waren hierzulande bereits rund 2.000 Frauen über 40 und immerhin fast 200 Frauen über 45 oder noch älter, als sie ihr Baby auf die Welt brachten …
Die Gründe sind vielfältig: Oft gehen eine gute Ausbildung und die Karriere der Familiengründung vor. Außerdem binden sich viele Frauen erst spät an einen festen Partner. Gänzlich auf eine eigene Familie zu verzichten ist für viele dennoch keine Option. Allerdings nimmt die Fruchtbarkeit ab dem 30. Geburtstag deutlich ab, jenseits der 40 liegt die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, nur noch bei fünf Prozent. Nicht selten muss Mutter Natur daher ausgetrickst werden. Die Forschung hat in den letzten Jahren auch auf diesem Gebiet große Fortschritte gemacht, zudem wurden gesetzlich mehr Möglichkeiten in Sachen Fertilitätsmedizin geschaffen … und immer mehr Frauenärzte spezialisieren sich auf sogenannte Kinderwunsch-Patientinnen.
Risiken einer späten Schwangerschaft
Von manchen wird der Kinderwunsch nicht nur wortwörtlich auf Eis gelegt. Mittlerweile können juvenile fruchtbare Eizellen zeitgerecht für den passenden Moment einfroren werden. Während den einen beim Schlagwort „social freezing“ ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft, beruhigt es andere, dank dieser Methode wertvolle Zeit zu gewinnen. Denn die eingefrorenen Eizellen sind bis zu 15 Jahre lang haltbar. Die besten Ergebnisse der künstlichen Befruchtung „on demand“ werden erzielt, wenn die Frau bei der Entnahme etwa 25 Jahre als war. Schon Ende 20 reduziert sich die Anzahl der Eizellenreserve, und deren Qualität nimmt deutlich ab.
Dem zum Trotz steigt das Alter der Frauen, die auf natürlichem Weg ein Baby empfangen, seit Jahren. é„rzte sehen darin mehr Probleme als beispielsweise Psychologen. Denn das Risiko, ein behindertes Kind zu bekommen, ist bei über-35-Jährigen deutlich erhöht. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind mit Trisomie 21 zur Welt kommt, bei jungen Müttern bei 1 zu 7.000. Bei 40-Jährigen steigt sie auf 1:90, bei 45-Jährigen gar auf 1:30. Außerdem endet fast jede dritte Schwangerschaft einer Frau über 40 mit einer Fehlgeburt. Bei Frauen über 35 kommen schwangerschaftsbedingter Diabetes und Präeklampsie statistisch gesehen häufiger vor – ebenso treten Komplikationen des Mutterkuchens, des „Versorgungszentrums“ für das Baby häufiger auf. Auch Kaiserschnittgeburten sind – sowohl bei Erst- als auch bei Mehrgebärenden – öfter zu erwarten: Bei etwa jeder zweiten Geburt einer 40- bis 45-Jährigen wird das Kind operativ geholt.
Aus psychologischer Sicht werden späte Mütter indes überaus positiv gesehen. Die mentale Bereitschaft, Mutter zu werden, ist höher als in jungen Jahren; die Kinder wachsen häufig in einem förderlichen Umfeld auf und werden viel eher als Bereicherung denn als Belastung erlebt.
Positive Aspekte einer späten Mutterschaft
Trotz aller Risiken hat eine späte Mutterschaft also durchaus ihre guten Seiten. Reifere Frauen haben oftmals einen gesünderen Lebensstil und meist bereits ein sehr gutes Körpergefühl entwickelt. Sie ernähren sich ausgewogener, bewegen sich mehr, rauchen und trinken weniger. Außerdem legen sie mehr Wert auf Schlaf und meiden in der Schwangerschaft stressige Faktoren weitgehend. Studien zufolge kann das gesundheitsbewusste Verhalten älterer Frauen aus höheren sozioökonomischen Schichten teilweise sogar die negativen Auswirkungen des höheren mütterlichen Alters ausgleichen. Die einzigartige Erfahrung, in die Mutterrolle zu wachsen, wird von älteren Frauen ebenfalls bewusster erlebt. Eine Frau über 30 weiß eben, was sie will, ist unabhängiger und in vielen Fällen auch finanziell besser gestellt. Dies zeigt sich nicht nur in Statistiken, sondern auch in der Praxis. In Geburtsvorbereitungskursen überwiegt häufig die Zahl der Frauen über 30. Informationen fallen auf fruchtbaren Boden und ihr Vorwissen ist oft beachtlich. Späte Mütter wissen meist genau, wann welche Untersuchung ansteht und welche Entwicklungsschritte das Baby in ihrem Bauch Woche für Woche macht.
„Oldies“ – alt, aber cool
Astrid ist 42, jüngst kam ihr erstes Kind zur Welt. Obwohl die frisch gebackene Mutter große Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt und sehr glücklich wirkt, sind ihr die Strapazen von Schwangerschaft und Geburt deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihr Sohn Sam, gerade einmal acht Wochen alt, möchte in der Nacht mehrmals an der Brust trinken. Das fordert Tribut. Denn die Zeiten, in denen sich Astrid die Nächte mühelos um die Ohren schlug, sind längst vorbei. Manchmal, wenn sie morgens in den Spiegel sieht, verflucht sie leise ihr Alter: Ihre Augen liegen in tiefen Höhlen, sie fühlt sich müde und ausgelaugt. An manchen Tagen fühlt sie sich wie ihre eigene Omama. Schließlich steckt ihr auch noch die beschwerliche Schwangerschaft in den Knochen. Ihr Rücken schmerzt, und sie hat viel zugenommen. Zudem macht Astrid ihr schwacher Beckenboden zu schaffen. Zum Glück hat die Hebamme ein paar übungen gezeigt und ihr versichert, dass mit konsequentem Training alles gut wird.
Späte Mütter – Die Realität
Astrid ist dankbar, ein gesundes Kind zu haben, und weiß in ihrem Partner einen begeisterten Vater an ihrer Seite. Auch er genießt die gemeinsame Zeit mit dem Junior in vollen Zügen. Darüber hinaus sind die familiären Ressourcen aber knapp … eine der Folgen des unabhängigen Lebensstils der vergangenen Jahre und des Alters der Karrierefrau. Für den Job hat sie ihre Heimat weit hinter sich gelassen – ihre Eltern wohnen nun über 500 Kilometer entfernt. Der Schwiegervater ist 80-jährig vor einigen Jahren verstorben, und so lebt nur Sams Oma väterlicherseits ganz in der Nähe. Aber auch sie ist der Neofamilie keine Stütze: Zum Kinderhüten ist die betagte Pensionistin zu unsicher. Immerhin kann sich die alte Dame aber noch gut selbst versorgen und braucht keine fremde Hilfe. Diesen „Generationenvertrag“ zu erfüllen würde Astrid und ihren Mann jetzt definitiv überfordern.
Der kleine Sam bleibt wohl ein Einzelkind. Von seinen erfahrenen und selbstbewussten Eltern wird er sicherlich sehr profitieren können. Dreijährige mit Müttern über 40 haben nachweislich weniger Unfälle, sind sprachlich gewandter und sozial kompetenter. Doch wenn Sam gerade mal 18 Jahre alt ist, wird seine Mutter bereits 60 sein und sein Vater den 70er erreicht haben. Vielleicht muss der junge Mann also früher als seine Altersgenossen auf eigenen Beinen stehen. Vielleicht gründet er auch früh eine eigene kleine Familie und wählt einen gänzlich anderen Weg als seine Eltern. Ganz bestimmt werden junge Menschen aber zukünftig gut über die Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der reproduktionsmedizinischen Techniken aufgeklärt sein. Hoffentlich bewahren sie dennoch Natürlichkeit und gehen ihre individuelle Biografie- und Familienplanung mit viel Herz und Hirn an!
Zahlen [&] Fakten
- Das Durchschnittsalter von Erstgebärenden liegt österreichweit bei 29,1 Jahren. Fast jedes fünfte Baby wird aber bereits von einer Mutter über 35 geboren.
- Spontane Schwangerschaften auf natürlichem Weg werden jedoch mit zunehmendem Alter unwahrscheinlicher, da die Fertilität bei Frauen bereits ab 30 stetig abnimmt.
- Die größte Wahrscheinlichkeit, beim Geschlechtsverkehr am fruchtbarsten Tag des Zyklus mit einem gleichaltrigen Partner schwanger zu werden, haben 19- bis 26-jährigen Frauen – sie liegt bei 50 Prozent.
- Bei 27- bis 34-Jährigen beträgt die Wahrscheinlichkeit rund 40 Prozent, bei 35- bis 39-Jährigen knapp unter 30 Prozent.
- Frauen zwischen 40 und 44 Jahren haben nur noch eine zehnprozentige Chance, ohne unterstützende reproduktive Technologien schwanger zu werden. Über 45 Jahre sind es gar nur zwei Prozent.
Späte Mütter und Krebserkrankungen
- Erhöhtes Risiko
Frauen, die ihr erstes Kind mit über 30 Jahren bekommen oder kinderlos bleiben, haben ein deutlich höheres Brustkrebsrisiko als jene, die schon mit Anfang 20 Mütter werden. Das hat eine umfangreiche französische Studie bestätigt, an der fast 10.000 Frauen beteiligt waren.Mehrfachmütter verzeichnen ein vermindertes Risiko. Frauen, die ihr erstes Kind zwischen 30 und 39 bekommen, haben demnach eine um 63 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, noch vor den Wechseljahren Brustkrebs zu bekommen, als Frauen, die schon vor ihrem 22. Lebensjahr Mutter wurden.
- Gesenktes Risiko
Einer Studie der University of Southern California zufolge sinkt das Risiko älterer Erstgebärender, an Eierstockkrebs zu erkranken, gegenüber Frauen, die nie ein Kind bekamen, um 58 Prozent.Die Forscher untersuchten 477 Frauen mit Eierstockkrebs und verglichen ihre Daten mit denen von 660 gesunden Frauen. Dabei fanden sie heraus, dass auch jüngere Mütter durch die Schwangerschaft ihr Krebsrisiko senken: Frauen unter 25 allerdings nur um 16 Prozent, Frauen unter 30 dagegen um 45 Prozent. Neben dem Risiko für Eierstockkrebs reduziert eine Schwangerschaft auch die Gefahr, an Krebs der Gebärmutterschleimhaut zu erkranken. Die Wissenschaftler führen den positiven Effekt auf die veränderten Hormonpegel von Schwangeren zurück.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel