Was ist Neurodermitis – Atopische Dermatitis?
Neurodermitis, auch atopisches Ekzem, atopische Dermatitis oder endogenes Ekzem genannt, ist eine der häufigsten entzündlichen Hauterkrankungen. Bis zu 20 Prozent der Kinder und drei bis zehn Prozent der Erwachsenen leiden daran.
Welche Rolle spielt die Genetik?
Atopische Dermatitis ist keine Allergie, tritt aber häufiger bei Menschen mit Allergieneigung auf.
Das Fehlverhalten der TH2-Zellenkann auf einer Genmutation beruhen oder erworben sein. Die Genetik spielt offensichtlich auch eine Rolle, denn wenn ein Elternteil oder gar beide an Neurodermitis leiden, steigt das Risiko für das Kind beträchtlich.
Risikofaktoren
- Die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft hat keinen Einfluss auf den Verlauf einer Neurodermitis, sehr wohl aber während der Stillzeit.
- Rauchen und Alkoholkonsum während Schwangerschaft und Stillzeit erhöhen das Risiko.
- Nahrungsergänzungsmittel während der Schwangerschaft bitte nur unter ärztlicher Aufsicht: Eine amerikanische Studie hat gezeigt, dass die Gabe von Vitamin E und von Probiotika (mit Lactobacillus rhamnosus and Bifidobacterium longum) das Risiko senken konnten, eine Überdosierung von Vitamin D aber zu einem Anstieg führte.
- Die Ernährung des Säuglings während des ersten Lebensjahres spielt ein Rolle, Stillen schützt.
- Klimatische Bedingungen, die trockene Haut fördern, sind ein weiterer Risikofaktor.
- Und dann natürlich Stress, weil dabei entzündungsfördernde Stoffe ausgeschüttet werden. Das betrifft Mutter und Kind: Kinder agieren oft aus, was die Mutter fühlt.
- Übrigens: Impfungen schaden bei Neurodermitis nicht! Einzige Vorsichtsmaßnahme: Während eines akuten Schubs sollte der Impftermin verschoben werden.
- Auslöser sind psychische Belastungen, Wetterveränderungen, Reaktionen auf Waschmittel oder Nahrungsmittel, wie z.B. Nüsse, Milch etc. Eine Besserung ist oft bei Klimawechsel (Gebirgsklima über 1.500 m oder Meeresklima) möglich.
Ernährungstipps
Säuglinge
In allergiebelasteten Familien am besten sechs Monate ausschließlich stillen. Falls nicht möglich: hypoallergene Babynahrung
Nach dem 6. Monat
- Im ersten Lebensjahr keine Kuhmilch, ausreichende Kalziumzufuhr z.B. durch kalziumreiches Mineralwasser
- Hochallergene Nahrungsmittel wie Fisch, Eier, Nüsse und Zitrusfrüchte erst nach dem ersten Geburtstag anbieten
Ab dem ersten Lebensjahr
- Es gibt keine generelle Neurodermitisdiät, aber Unverträglichkeiten genau beobachten und mit dem Kinderarzt besprechen
- Besondere Vorsicht z.B. bei Zitrusfrüchte, Obstsäften und Gewürzen
- Wichtig: ausreichend Flüssigkeit, da die Schweißabgabe bei Neurodermitis gestört ist
Was genau ist Atopische Dermatitis?
Neurodermitis ist vor allem eine Fehlreaktion des Immunsystems. Die TH2-Zellen, eine Untergruppe der T-Helfer-Zellen (Lymphozyten), sind überaktiv und ihre Anzahl ist hochgeregelt. Dadurch werden zu viele Entzündungssignale, nämlich Interleukin 4, 13 und 31, ausgesandt, was zu Rötung und Juckreiz führt.
Dr. Bangert, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie am AKH Wien, und ihr Team konnten in Zusammenarbeit mit dem CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin) zeigen, dass sich bei schweren Neurodermitis-Fällen diese TH2-Zellen in der Haut ansiedeln und auch noch nach einem Jahr erfolgreicher Therapie nachweisbar sind. Sehr wahrscheinlich verbleiben sie aber noch viel länger dort – und sie vergessen während ihrer gesamten Lebenszeit von bis zu mehreren Jahrzehnten nicht.
Ein Trigger wie Stress, Kontakt mit Tierhaaren oder Schmutzwasser kann ausreichen, um sie wieder aktiv werden zu lassen. Die überaktiven TH2-Zellen sind auch für weitere Beschwerden verantwortlich, die oft mit Neurodermitis einhergehen, z. B. für allergisches Asthma, allergischen Heuschnupfen oder Nahrungsmittelallergien, woran bis zu 25 Prozent aller Kinder mit schwerer Neurodermitis leiden.
Diese Erkrankungen des sogenannten „atopischen Formenkreises“ zeigen häufig auch ein Ãœbermaß an Immunglobulin E (IgE), einem Antikörper, dessen Bildung aus B-Lymphozyten von den TH2-Zellen veranlasst wird. Haben PatientInnen einen hohen IgE-Spiegel und leiden gleichzeitig an allergischem Asthma und/oder Heuschnupfen, spricht man von einer „extrinsischen“ Form der Neurodermitis. Ist dies nicht der Fall, wird die Neurodermitis als „intrinsisch“ eingestuft.
Erscheinungsformen
Bei NeurodermitikerInnen ist der Lipidmantel der Haut nicht intakt. Dadurch können Allergene oder Bakterien leichter eindringen. Auch ist das Hautmikrobiom nicht so vielfältig wie bei gesunder Haut und zudem fehlen bestimmte körpereigene antibiotische Substanzen. Dadurch kann sich der Keim Staphylokokkus aureus leichter ansiedeln.
Zeitweise starker Juckreiz ist typisch. Das Krankheitsbild kann aber sehr unterschiedlich verlaufen.
- Typisch für das Säuglingsalter sind Rötungen an den Wangen, manchmal mit gelblich-braunem Krusten (Milchschorf) sowie an Armen, Beinen und Rumpf.
- Ab dem zweiten Lebensjahr sind trockene Stellen an Ellenbeugen, Kniekehlen, Nacken und Handgelenken auffällig.
Die gute Nachricht: In den meisten Fällen bessert sich die Erkrankung mit zunehmendem Lebensalter, manche Patienten entwickeln aber eine andere Erkrankung des atopischen Formenkreises (z.B. Asthma).
Pflege ist alles
Die tägliche Basispflege mit einer neutralen, fetthaltigen Creme oder Salbe ist ein Muss. Verschlechtert sich der Hautzustand und ist es schon zu rissiger Haut mit Rötungen gekommen, helfen spezielle Fettsalben wie Nachtkerzenölsalbe oder Mandelölsalbe.
Bei starkem Juckreiz und beginnenden Schüben helfen kortisonfreie entzündungshemmende Salben, vor allem Präparate auf der Basis von Tacrolimus oder Pimecrolimus. Das sind Stoffe, die vom Pilz Streptomyces gebildet werden und kortisonähnlich wirken. Beim Auftragen brennt es zwar kurz, aber danach verschwindet der Juckreiz. Sogar bei mittlerer bis schwerer Neurodermitis kommt es innerhalb von drei Tagen zu signifikanten Verbesserungen. Nach drei Wochen kann eine Verbesserung des Hautzustands um bis zu 83 Prozent erreicht werden, wie neuere europäische Studien zeigten.
Nicht reizen!
Zur Pflegetherapie gehört auch, alles zu meiden, was die Haut irritieren könnte.
- Also: Keine Wollstoffe oder Nahtstellen direkt auf der Haut tragen
- Nicht zu heiß und zu lange baden
- nicht zu sehr ins Schwitzen kommen
- Alles, was der Haut Feuchtigkeit entzieht – z. B. Klimaanlagen -, ist ebenfalls von Nachteil.
Um alle Auslöser einen großen Bogen zu machen ist leider nicht möglich: Weder der Winter noch Umweltbelastungen, Stress oder andere Trigger lassen sich aus der Welt schaffen!
Kortisonsalben
Kortison ist im akuten Stadium der Erkrankung ein wichtiges Therapeutikum, da es die Entzündung rasch hemmt. Allerdings sind die eventuellen Nebenwirkungen wie z.B. eine Verdünnung der Haut, eine Erweiterung der kleinen Blutgefäße oder eine erhöhte Infektneigung zu beachten.
Die neuen Salben sind aber gut verträglich und ca. 100 Gramm kortisonhaltige Salbe (Klasse 1) pro Jahr können nach neuen Erkenntnissen unbedenklich aufgetragen werden. Das Führen eines Anwendungskalenders hilft bei der Mengenkontrolle.
Alternative Behandlungsmethoden
Alternative Methoden konnten in Studien bisher nicht überzeugen, berichtet Adrian Tanew-Iliitschew. Wer sie trotzdem parallel anwenden möchte, sollte das mit dem behandelnden Arzt absprechen. Ein gutes Gesprächsklima sei ohnehin das Um und Auf der Behandlung, so der Professor: „Fordern Sie Ihren Erstbehandler, der die Krankengeschichte Ihres Kindes am besten kennt – das ist zielführender, als von einem Spezialisten zum anderen zu pilgern!“ Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie bietet zusätzlich immer wieder spezielle Neurodermitis-Schulungen für Patienten und Ärzte an.
Selbst wenn sich in seltenen Fällen die atopische Dermatitis als Lebensprojekt erweist: Mit Geduld und guter Basispflege lässt sie sich zumeist gut zähmen.
Hat mein Kind Atopische Dermatitis?
Um die Frage „atopische Dermatitis: ja oder nein?“ zu beantworten, checkt der Arzt Folgendes:
- Gibt es gerötete, schuppende Stellen, die nicht heilen bzw. schubweise wiederkehren? Und wenn ja, wo?
Ab dem 2. Lebensmonat: Milchschorf. Verdächtige Stellen bei Säuglingen: Kopfhaut, Gesicht, Extremitäten, v. a. Streckseiten.
Ab dem 2. und 3. Lebensjahr: Hals, Nacken, Beugeseiten der Extremitäten. - Kratzt sich das Kind dort?
Achtung: Babys bis zum Alter von drei Monaten können sich noch nicht kratzen! Sie quengeln und schlafen schlecht. - Sind Verwandte ersten Grades Atopiker?
Wenn beide Eltern betroffen sind, hat das Kind die Disposition zu 75 Prozent geerbt. Die Krankheit muss aber nicht ausbrechen! - Was könnte es noch sein?
Windelekzem, Scabies (Krätze) oder Psoriasis (Schuppenflechte).
Tipps und Tricks wenn es juckt!
- Kälte hilft: feuchte Umschläge z.B. mit schwarzem Tee oder Zinnkraut machen oder Blumenspritze mit Eiswasser füllen und juckende Areale besprühen
- Durchblutungsveränderung: Umschläge, z.B. mit Tannosynt®
- Raumtemperatur sollte nicht zu hoch sein
- Kleidung aus Baumwolle tragen
- Spezielle Kleidung mit Silberfäden wirkt entzündungshemmend
- Keine übertriebenen Badefreuden! Zweimal in der Woche zehn Minuten mit rückfettendem Badezusatz sind genug für Kinder. Wassertemperatur nicht über 36 Grad!
- Juckreizstillende Medikamente müssen vom Arzt verschrieben werden
Weitere Informationen:
- Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie: WWW.OEGDV.AT
Quellen:
- www.kinderarzt.at
- www.hautinfo.at
- www.ncbi.nlm.nih.gov (Englisch)