Im Elternbett ist’s auch für viele Babys und Kleinkinder nett! Trotzdem ist das sogenannte Co-Sleeping nicht für jede Familie ideal. NEW MOM sprach mit Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger über die Hintergründe.
NEW MOM: Nach wie vor gehen die Meinungen auseinander, ob ein Baby im Gitterbett im Kinderzimmer oder im Elternbett schlafen sollte. Warum?
Dr. Martina Leibovici-Mühlberger: Das ist eine ideologische Frage! In Mitteleuropa hat sich vor mehreren Jahrzehnten die Kulturhaltung herausgebildet, Kinder nicht bei den Eltern schlafen zu lassen. Besonders stark war sie in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren. Ab den 1980er-Jahren entwickelte sich dann eine Ideologie, die wieder mehr den biologischen Abläufen verpflichtet ist. Sie besagt, dass ein Neugeborenes, das neun Monate intrauterin die größte Nähe zur Mutter erlebt hat, nach der Geburt nicht unbedingt sofort aus der Nähesituation verbannt werden sollte, dass sein Platz bei der Mutter, bei den Eltern im Bett ist … beziehungsweise in einem Babybett, das direkt an das Elternbett angrenzt.
NEW MOM: Gibt es in der Frage, wie lange ein Kind im Elternbett schlafen soll oder darf, eine allgemeine Empfehlung von Kinderärzten und -psychologen?
Leibovici-Mühlberger: Nein, die gibt es nicht. Die Sechs-Monate-Grenze, die manchmal angeführt wird, sehe ich im Zusammenhang mit der WHO-Empfehlung, mindestens sechs Monate zu stillen. Ich persönlich vertrete die Ansicht: Solange es psychosozial für die Eltern verträglich ist, können sie sich nach den Bedürfnissen des Kindes richten. In der Regel wollen die Kinder von sich aus mit drei, spätestens vier Jahren ihr eigenes Bett, ihr eigenes Zimmer. Was aber ganz wichtig ist: Man muss diese Frage immer im Kontext mit der Elternschaft sehen. Fühlt sich ein Elternpaar nicht wohl, beengt, in seiner Intimität gestört, wenn das Kind im Ehebett schläft, hat auch das Kind nichts davon – es spürt die Anspannung. Eltern sollten sich also über Hintergründe und Zusammenhänge informieren, sich jedoch keine Ideologie aufzwingen lassen, sondern auf ihre eigenen Gefühle hören.
NEW MOM: Welche Vorteile hat es aus Ihrer Sicht, wenn das Kind in den ersten Lebensmonaten im Elternbett schlafen kann?
Leibovici-Mühlberger: Das ganz junge Kind fühlt sich, wenn es in der Nacht aufwacht, ohne Körperkontakt verloren, es verspürt existenzielle Ängste, ohne sie benennen zu können, wird mehr oder minder traumatisiert. Manche Kinder können das leicht wegstecken, bei extrem sensiblen Kindern jedoch kommt es unter Umständen zu Ernährungsschwierigkeiten und zu Verhaltensauffälligkeiten. Vorteil des sogenannten Co-Sleepings ist also, dass das Kind keine altersinadäquate Trennungssituation und dadurch vermutlich weniger Frustrationen erlebt. Sofern es – wie gesagt – vermittelt bekommt, dass es im Elternbett willkommen ist. Bei unwilligen Eltern würden diese Vorteile zunichte gemacht werden.
NEW MOM: Auf welche eventuellen Gefahren ist beim Co-Sleeping zu achten? Stichworte: Erdrücken, Überwärmung, aus dem Bett fallen …
Leibovici-Mühlberger: Bei gesunden Eltern und Kindern ist ein mögliches Erdrücken oder eine Überwärmung kaum ein Thema. Kind und Mutter würden in einer Gefahrensituation aufwachen. Die Aus-dem-Bett-fallen-Möglichkeit ist gegeben, hier gilt es vorzusorgen: Bei ganz kleinen Kindern reichen in der Regel Polsterwulste zum Absichern, für größere gibt es zum Beispiel einen Seitenschutz für Familienbetten. Grundsätzlich andere Regeln gelten für Frühchen, für kranke Kinder oder Babys mit erhöhtem Risiko hinsichtlich Plötzlichen Kindstods. Körperlicher Kontakt ist natürlich auch für sie wichtig – ob er jedoch während der Nacht förderlich ist, muss mit dem Arzt abgesprochen werden. Wenn die Eltern Medikamente oder Suchtmittel nehmen, die ihre Wahrnehmungsfähigkeit einschränken, wird vom Co-Sleeping abgeraten.
NEW MOM: Als Gegenargumente zum Co-Sleeping hört man oft: „Man kriegt dann ja die Kinder nie mehr raus aus dem Ehebett“ oder „Das Liebesleben leidet darunter“. Was sagen Sie dazu?
Leibovici-Mühlberger: Kinder bleiben – wie eingangs bereits angedeutet – nicht ewig im Elternbett. Natürlich kommt auch ein verzögertes Ausziehen aus diesem vor. Aber das hat meistens mit den Eltern zu tun: Gar nicht so selten werden Kinder von einem Elternteil für seine Bedürfnisse instrumentalisiert. Er oder sie möchte nicht loslassen und blockiert damit den Autonomieschritt des Kindes. Probleme mit dem Liebesleben ergeben sich meist nur dann, wenn kein Konsens zwischen den Partnern herrscht, wenn etwa die Frau das Kind im Elternbett haben möchte, der Partner dadurch jedoch sehr irritiert ist. In diesem Fall wäre eine Beratung sinnvoll.
CO-SLEEPING
Pro:
- kein nächtliches Aufstehen zum Stillen
- Milchproduktion wird positiv beeinflusst
- Eltern-Kind-Bindung wird gefördert
- keine altersinadäquaten Trennungssituationen
- Babys wachen manchen Studien zufolge weniger häufig auf und schreien weniger
- Wochenbettdepressionen bei Müttern sind seltener
- für berufstätige Mütter und Väter eine Möglichkeit, mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen
Contra:
- nicht immer sind beide Elternteile mit dem Co-Sleeping einverstanden
- manch ein Elternteil kann wegen Klaustrophobie oder aus Sorge, das Baby im Schlaf zu erdrücken, nicht gut schlafen.
- weniger Spontaneität beim Sex (im Schlafzimmer)
- für Babysitter oder Verwandte kann es schwieriger sein, das Kind zu Bett zu bringen
Guter Kompromiss: ein Beistellbett!