Kleiner Tropfen – große Wirkung
Mit ein paar Tropfen Blut lassen sich seltene Krankheiten, Hormonstörungen und Stoffwechselerkrankungen aufspüren. Eine frühzeitige Behandlung ist wichtig: Sie kann schwerwiegende Folgen einer angeborenen Erkrankung meist deutlich mindern.
Eltern zu werden bedeutet neben unzähligen Highlights, auch viele Entscheidungen für jemand Dritten treffen zu müssen – eine große Verantwortung, vor allem, wenn es um Gesundheitsfragen geht. Dafür braucht es zunächst verständliche Informationen.
Bereits im Kreißsaal und in den Tagen nach der Geburt warten die ersten Untersuchungen, Prophylaxen und diagnostischen Tests. So auch das „Neugeborenen- Screening“, das sich bereits Mitte der 1960er-Jahre etabliert hat und österreichweit Neugeborene auf seltene angeborene Erkrankungen untersucht.
Aktuell werden zwischen dem zweiten und dem dritten Lebenstag (frühestens 36 und spätestens 72 Stunden nach der Geburt) einige Blutstopfen aus der Ferse des Kindes entnommen und auf eine Testkarte geträufelt.
Diese Blutabnahme, die ein paar Minuten dauert, wird im Krankenhaus, in der kinderärztlichen Praxis oder von der Hebamme durchgeführt. Für das Baby ist sie ungefährlich, aber nicht besonders angenehm. Denn um das Blut aus den Gefäßkapillaren zu gewinnen, muss die Ferse meist ein bisschen gedrückt werden, und das brennt. Da hilft es, wenn das Baby zum Trost und zur Schmerzlinderung zeitgleich zur Untersuchung gestillt oder mit der Flasche verwöhnt wird. Erfahrungsgemäß rinnt das Blut außerdem besser, wenn das Füßchen vor dem Fersenstich angewärmt wird, um die Durchblutung in den kleinen Gefäßen zu fördern.
Für die optimale Therapie
Beim Neugeborenen-Screening wird derzeit auf
- zwei hormonelle Störungen,
- 25 Stoffwechselerkrankungen
- und eine seltene Krankheit getestet, die zystische Fibrose oder Mukoviszidose.
Die vielfach sehr unspezifischen Erscheinungsformen der in ihnen schlummernden Krankheiten lassen betroffene Kinder zum Zeitpunkt der Geburt meist völlig gesund erscheinen. Da diese angeborenen Krankheiten zwar nicht geheilt, schwerwiegende Folgen und komplizierte Verlaufsformen aber verhindert werden können, ist die Früherkennung besonders wichtig.
In den meisten Fällen wird ein optimaler Therapieerfolg verzeichnet, wenn sich so bald wie möglich die richtigen Maßnahmen setzen lassen – das reicht von Spezialdiäten bis hin zur dauerhaften Einnahme von Medikamenten. Im Rahmen des Vorsorgeprogramms, das zentral für ganz Österreich von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien durchgeführt wird, kommt bei jährlich etwa 80 bis 100 Kindern eine schwerwiegende Erkrankung ans Tageslicht. Oder anders gesagt: Von rund 800 neugeborenen Kindern leidet eines an einer Krankheit, die vom Neugeborenen- Screening erfasst wird.
Bereits einige Tage nach der Blutabnahme kontaktiert in so einem Fall ein Spezialist die Familie. Das erste Resultat oder die Nachricht über die Wiederholung des Tests ist freilich noch keine gesicherte Diagnose.
Manchmal liegt einfach:
- nicht ausreichend viel Probematerial vor,
- wurde der Zeitpunkt der Blutabnahme nicht optimal gewählt
- oder kam es zu einer Verunreinigung.
Es gilt also erst einmal Ruhe zu bewahren und gegebenenfalls weitere diagnostische Untersuchungen vorzunehmen. Ist alles in Ordnung, bekommt man vom Labor übrigens keine Rückmeldung. Wer sich vergewissern will, dass die Probe eingelangt ist, kann das anhand der Kartennummer der Testkarte auf der Homepage des Stoffwechsellabors tun. Das Neugeborenen-Screening ist übrigens keine Pflicht, aber eine wertvolle Routineuntersuchung. Es bleibt daher nur, sie allen Eltern ans Herz zu legen…
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel