Über- und untergewichtige Neugeborene
Haben es übergewichtige Neugeborene schwer im Leben, Fliegengewichte hingegen die Leichtigkeit des Seins gepachtet? So viel kann gesagt werden: über- oder unterdurchschnittliches Geburtsgewicht kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung haben.
Auf Geburtsanzeigen verkünden stolze Eltern neben dem Namen auch die genaue Geburtszeit, die Größe und das Gewicht ihres Neugeborenen.
Ein großes, kräftiges Kind wird mit Vitalität und Gesundheit assoziiert, ein zartes oder besonders kleines Neugeborenes wirkt hingegen schutzbedürftig. Und tatsächlich: Das Ausgangsgewicht eines Kindes sagt mehr über die späteren gesundheitlichen Risiken aus, als man im ersten Moment vielleicht denken würde. Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig kann problematisch werden.
Geburtsgewicht – Statistik
Durchschnittlich bringt ein Neugeborenes in Österreich 3.350 g auf die Waage.
- über 80% aller Kinder wiegen nämlich zwischen 2.500 und 3.999 g, was als normalgewichtig bezeichnet wird.
- Wahre Fliegengewichte sind da schon sehr viel seltener: Nur etwa 5% aller Kinder wiegen bei ihrer Geburt nicht mehr als 1,5 bis 2,5 kg. Da Statistiken jedoch oftmals nicht zwischen Früh- und Termingeborenen unterscheiden, entsteht hierbei ein leicht verzerrtes Bild.
- Mit mehr als 4 kg haben es 8,5% der Kinder bei ihrer Geburt jedenfalls recht schwer. Es steigen jedoch nicht nur die Geburtsrisiken, sondern sie schleppen diese Last möglicherweise ihr ganzes Leben mit sich herum.
So wie bei allem, was an Kinder weitergegeben wird, spielen auch bei Körpergewicht und -größe die Gene eine Rolle. Doch nicht allein:
- Auch die Dauer der Schwangerschaft,
- das Geschlecht des Kindes
- und das Alter der Eltern sind bedeutende Einflussfaktoren.
- Und, last but not least: Wie gut oder schlecht ein Kind im Mutterleib versorgt wird, hängt von der Qualität des Mutterkuchens und der Ernährungsweise der werdenden Mutter ab.
Mütter tragen eine große Verantwortung
Die Gründe dafür, dass ein Kind mit Übergewicht auf die Welt kommt, können
- ein zu hohes Ausgangsgewicht der werdenden Mutter sein,
- eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft
- oder auch Gestationsdiabetes, eine Form der Zuckererkrankung, die sich im Lauf der Schwangerschaft entwickeln kann.
All dies wird mit einer ungesunden Ernährungsweise der Schwangeren in Verbindung gebracht, daher sollte die Ernährung ein Fixpunkt der Schwangerschaftsberatung sein. Denn jedes Kilo, das über die empfohlenen Werte hinaus zugenommen wird, fällt im wahrsten Sinne des Wortes ins Gewicht.
Zur Orientierung:
- Normalgewichtigen Frauen wird eine Gewichtszunahme von 11,5 bis 16 kg empfohlen,
- Übergewichtige Frauen sollten nicht mehr als 11,5 kg zunehmen
- und sehr schlanke Frauen den oberen Bereich der empfohlenen Gewichtszunahme anstreben.
- Bei einer Zwillingsschwangerschaft darf es natürlich ein bisschen mehr sein: 15,9 bis 20,4 kg gelten in diesem Fall als normal.
Kommt es zu einer Überversorgung des Ungeborenen und in der Folge zu einer starken Gewichtszunahme im Mutterleib, ist die Passage durch den Geburtsweg erschwert und es steigt das Verletzungsrisiko während der Geburt. Außerdem begünstigt die Fehlprogrammierung des kindlichen Stoffwechsels metabolische (den Stoffwechsel betreffende) Erkrankungen wie Übergewicht und Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Störungen des Fettstoffwechsels und Langzeitfolgen wie Herz-Kreislauf-Probleme.
Auch untergewichtige Neugeborene haben’s schwer
Doch nicht nur Übergewicht bei der Geburt beeinflusst die Biografie eines Kindes. Wenn ein Kind aufgrund von Diäten, Essstörungen oder durch die äußeren Umstände bedingter Unterernährung der Mutter während der Schwangerschaft zu wenig Nahrung bekommt, bringt es zwar bei der Geburt wenig auf die Waage, leidet im späteren Leben jedoch paradoxerweise oft an Übergewicht. Bluthochdruck in der Schwangerschaft, eine Mehrlingsschwangerschaft, Luftverschmutzung, Infektionen und Nikotinmissbrauch können ebenfalls dazu führen, dass Kinder als „Fliegengewichte“ geboren werden und im späteren Leben ein höheres Risiko haben, an Diabetes mellitus, Depressionen und Herzerkrankungen zu leiden.
Nabelschnur – mehr Verbundenheit geht nicht, echt nicht
Die Zeit der Schwangerschaft bedeutet eine entscheidende Weichenstellung für das ganze Leben. Fast alles, was im mütterlichen Körper während einer Schwangerschaft passiert, wird 1:1 an das Ungeborene weitergegeben; dies wird oft mit dem Stichwort „fetale Programmierung“ beschrieben.
Die Verbindung zwischen Mutter und Kind durch die Nabelschnur ist also nicht nur sinnbildlich die engste Verbindung, die zwei Menschen haben können, sie ist es tatsächlich.
Wiege- und Gedeihkontrollen
Nach der Geburt nimmt jedes Baby erst mal ab. Der Gewichtsverlust sollte aber nicht mehr als 7 bis 10% betragen und das Geburtsgewicht nach zwei Wochen wieder erreicht werden.
Danach geht die kindliche Gewichtskurve steil bergauf: Die meisten gesunden Neugeborenen verdoppeln innerhalb der ersten fünf Lebensmonate ihr Geburtsgewicht und verdreifachen es etwa bis zum ersten Geburtstag.
Gestillte Kinder haben übrigens anfangs die Nase vorne. Sie nehmen erst einmal rascher zu als Neugeborene, die mit der Flasche gefüttert werden. Nach einem halben Jahr werden sie von den Flaschenkindern meist überholt. Fortan sind und bleiben gestillte Kinder normalerweise schlanker als ihre Altersgenossen.
Regelmäßige Gewichts- und Wachstumskontrollen beim Kinderarzt sind in jedem Fall wichtig; die erhobenen Daten werden in sogenannte Perzentilenkurven eingetragen, um einordnen zu können, ob Gewicht und Größe tatsächlich dem Lebensmonat entsprechen oder Beratungsbedarf bezüglich der Ernährung des Kindes besteht. Denn ob Wonneproppen oder Fliegengewicht, Wachsen und Gedeihen wirkt sich auf die gesamte Entwicklung aus.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel