Manchmal werden die ersten Tage mit dem Baby von schmerzenden Geburtsverletzungen überschattet. Wann ist ein Dammschnitt notwendig, wie verheilt er und wo ist überhaupt dieser Damm?
Um unbekanntes Terrain zu betreten, muss man nicht unbedingt an ferne Orte reisen. Auch unser Körper bietet reichlich Flächen, Winkel, Einbuchtungen und Falten, die erforscht werden können. Der Damm ist so eine Stelle unseres Körpers, die dazu verdammt ist, sehr wenig bis keine Beachtung zu bekommen. Kaum jemand kennt seine anatomische Bezeichnung, und auch sonst führt er ein Leben in Verborgenheit, unscheinbar zwischen After und äußeren Geschlechtsorganen liegend – bei der Frau zwischen Anus (Schließmuskel des Enddarms) und hinterem Schamspaltenwinkel. Dort wird der Damm (lat. Perineum) von Teilen der Beckenbodenmuskulatur gebildet.
Dammschnitt oder Dammriss
Spätestens in der Schwangerschaft stolpern die meisten über den Damm, sei es in Büchern über die Geburt, beim Geburtsvorbereitungskurs, im Rahmen der empfohlenen Dammmassage oder wenn plötzlich das Schreckgespenst „Dammschnitt“ (lat. Episiotomie) auftaucht. In seinem Normalzustand erscheint der Damm mit rund zwei Zentimetern sehr niedrig. Während der Geburt wird er aber ausgewalkt, um etwa zehn bis 15 Zentimeter Höhe zu erreichen. Das kann man sich ähnlich vorstellen wie das Auswalken eines Strudelteigs: Bevor er verarbeitet wird, hat der Teig eine gewisse Stärke und ist verhältnismäßig klein. Durch den Druck des Nudelholzes wird er dünner und zugleich größer. Zu stark ausgewalkt, bekommt er allerdings Risse.
Ganz ähnlich ist das beim Damm in der letzten Phase der Geburt, wenn das Baby kräftig auf den Beckenboden drückt. Grundsätzlich ist der Damm ja elastisch und kann mit einer durchblutungsfördernden Dammmassage in der Schwangerschaft (etwa ab der 34./35. Schwangerschaftswoche) zudem gut auf die Strapazen der Geburt vorbereitet werden. Wird er jedoch zu sehr ausgewalkt, entstehen Risse, die unterschiedlich tief und groß sein können.
Tipps für eine durchblutungsfördernden Dammmassage
Die Massage kann etwa ab der 35. Schwangerschaftswoche drei- bis viermal pro Woche für fünf Minuten in den Tagesablauf eingeplant werden. Dazu braucht es nicht viel: saubere Hände und ein Dammmassageöl oder Gleitgel.
- Um die Durchblutung anzuregen, wird die eingeölte Daumenspitze in die Vagina eingeführt und mit den übrigen Fingerspitzen der Damm in kreisenden Bewegungen von außen massiert.
- Etwa eine Minute lang wandern so die Finger von einer Seite zur anderen (auf einem imaginären Zifferblatt von drei nach neun Uhr), wobei der Druck langsam erhöht wird.
- Danach wird mit einer Pendelbewegung den Damm entlang massiert,
- bevor der Damm zum Abschluss mit dem Daumen von innen nach außen gewölbt wird. Diese Dehnung – die nicht schmerzhaft, aber spürbar sein sollte – wird Millimeter für Millimeter den Damm entlang durchgeführt.
Um sich eingehender mit dieser meist recht unbekannten Region zu beschäftigen, empfiehlt es sich, sie während der ersten Massage mit Hilfe eines Handspiegels in Augenschein zu nehmen.
Ist ein Dammschnitt notwendig, dann wird er am Höhepunkt der Wehe gemacht, wenn das Gewebe nur wenig bis gar nicht durchblutet und relativ schmerzunempfindlich ist. Ist das Gewebe noch nicht vollständig ausgewalkt, kommt eine lokale Betäubung (Infiltration) zum Einsatz. In jedem Fall wird von der Mitte des Scheideneingangs ausgehend ein gezielter Schnitt in seitliche Richtung, weit weg vom Anus, gesetzt.
Gute Gründe führen auch in der modernen Geburtshilfe noch zu einem Dammschnitt:
- Schonung des kindlichen Köpfchens bei einer Frühgeburt
- bei der Geburt von Zwillingen
- bei vaginal-operativen Entbindungen mithilfe einer Saugglocke oder einer Zangengeburt
Das Baby hat auf diese Weise weniger Widerstand zu überwinden, kann ein paar Wehen früher geboren werden, und gefürchtete hochgradige Dammverletzungen
(Dammriss Grad III und Grad IV) lassen sich so mitunter verhindern. Ein vorzeitiger Schnitt ist freilich relativ selten nötig, dafür werden mögliche kleine oder oberflächliche Einrisse des Gewebes (Dammriss Grad I und Grad II), wie sie bei vielen Geburten passieren, in Kauf genommen. Sie heilen besser als ein glatter Schnitt durch alle Gewebeschichten hindurch.
Wundheilung
Eine sichere Prognose, ob ein Dammschnitt notwendig oder ein Einriss passieren wird, lässt sich nicht abgeben. Tatsächlich entscheidet sich das erst am Ende der Geburt mit einem fachkundigen Blick auf das Geschehen. Ist eine Geburtsverletzung zu versorgen, geschieht dies unter lokaler Betäubung, sobald auch der Mutterkuchen geboren wurde. Die frisch gebackene Mutter kuschelt inzwischen am besten mit ihrem Neugeborenen. Fachgerecht versorgt heilt die Wunde meist problemlos. Das Nahtmaterial löst sich im Lauf der Wochenbettzeit von selbst auf, es müssen keine Nähte gezogen werden.
Die Wundheilung verläuft in Phasen, die sich teilweise überlappen:
- In der ersten Phase, die nur wenige Stunden dauert, bildet sich zunächst ein Wundödem, die typische Schwellung jeder Wunde.
- Zwischen dem ersten und dritten Tag wandern dann Zellen in das Wundgebiet ein, die gestockte Blutansammlungen abbauen. Damit geht auch die Schwellung zurück und die Wunde wird mit Granulationsgewebe ausgefüllt.
- Anfangs ist dies ein provisorisches Gerüst, das zwischen dem vierten und siebten Tag die Wunde mittels Fibroblasten und kollagenen Fasern auskleidet.
- Ab dem achten Tag entsteht dann das endgültige Narbengewebe.
- Nach etwa einem halben Jahr ist der Prozess gänzlich abgeschlossen, die Narbe verblasst und das Bindegewebe ist wieder fast genauso wie zuvor.
- Kleinere und oberflächliche Geburtsverletzungen wie Einrisse der kleinen Schamlippen, der Scheide und Dammrisse ersten Grades heilen erfreulicherweise meist innerhalb einer Woche gut ab.
- Die Heilung von Dammrissen zweiten Grades dauert etwas länger: Sie sind meist nach zwei Wochen oberflächlich verheilt. Wie lange die tieferen Muskelschichten brauchen, um ganz auszuheilen, ist bisher nicht vollständig geklärt. Aufgrund von Vergleichswerten aus der Sportmedizin wird dieser Zeitraum auf etwa drei Wochen geschätzt; kleine Muskelfaserrisse können nämlich in der Regel nach drei Wochen allmählich wieder belastet werden.
- Dammschnitte und Verletzungen der Schließmuskulatur (Anus) brauchen etwa einen Monat, um zu heilen. Doch auch wenn zu diesem Zeitpunkt das Gewebe wieder gut zusammengefunden hat, die Schwellung und die Blutergüsse zurückgegangen sind, kann die Empfindung bis zu einem halben Jahr nach der Geburt
noch an die Geburtsverletzung erinnern.
Bei Problemen
Kommt es infolge einer Geburtsverletzung zu anhaltenden Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder klappt beispielsweise das Urinieren oder Absetzen des Stuhls nicht mehr wie gewohnt oder liegt eine optische Beeinträchtigung vor, die zu einem Leidensdruck führt, sollten sich Frauen vertrauensvoll an ihre FrauenärztInnen wenden. Dann wird gegebenenfalls eine Narbenkorrektur vorgenommen oder ein gezieltes Beckenbodentraining verordnet.
Intimhygiene und Heilsames
In den Tagen nach der Geburt wird der Intimbereich am besten mit fließendem, klarem Wasser gereinigt. Um Wundinfektionen vorzubeugen, ist besonders nach dem Stuhlgang auf Sauberkeit zu achten.
- Damit die Reinigung auf der Toilette unkompliziert und alltagstauglich ist, kann man sich eine kleine Wasserflasche bereitstellen. Lässt man das Wasser während des Harnlassens über die Vulva rinnen, verdünnt es den Urin und nimmt das brennende Gefühl weg, das vor allem in den ersten Tagen nach der Geburt auftreten kann.
- Sitzbäder und Wundsalben werden nicht empfohlen, denn Hygiene, klares Wasser und atmungsaktive Unterwäsche reichen aus, um die Wundheilung zu unterstützen.
- Bei nässenden Dammschnittwunden wird Eichenrindensud als heilende Waschlösung empfohlen.
Dabei wird ein Esslöffel Eichenrinde aus der Apotheke für 15 Minuten mit einem Liter Wasser geköchelt. Der Sud, der aus diesem Gerbstoff entsteht, soll den Heilungsprozess beschleunigen. Denn Gerbstoffe versiegeln die Haut an der Oberfläche und erschweren das Bakterien- und Pilzwachstum. So können Juckreiz und Entzündungen reduziert werden. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass Eichenrindenextrakt starke Verfärbungen verursachen kann: Man verwendet daher am besten ein Gefäß, das damit seinen Zweck erfüllt hat. Badewanne und Toilettenschüssel sollte man besser verschonen, denn die Flecken überdauern mit Sicherheit jeden Heilungsprozess. - Bei hochgradigen Dammverletzungen wird empfohlen, Abführmittel einzunehmen. So kann der Darm ohne Druck entleert werden und die Narbe gerät nicht unter allzu große Spannung.
- Alles, was Linderung bringt und keine Nebenwirkungen hat, ist also erlaubt. Dazu zählen auch Schmerzmittel wie Paracetamol oder Diclofenac-Zäpfchen. Der sogenannte Softlaser ist ebenfalls nebenwirkungsfrei und schmerzlos. Ihm wird ein positiver Einfluss auf das Gewebe und die Zellen zugeschrieben. Er wirkt schmerzlindernd, regt die Gefäßneubildung an und soll die Wundheilung fördern.
Nach Dammschnitten führte die Laseranwendung bisher in zwei randomisierten Studien jedoch weder zu einer schnelleren Heilung noch zu einer überzeugenden Schmerzlinderung (Alvarenga et al. 2017; Santos et al. 2012). Treten beim Geschlechtsverkehr oder beim Urinieren Schmerzen auf oder liegt eine optische Beeinträchtigung vor, die zu einem Leidensdruck führt, sollten sich Frauen vertrauensvoll an ihre FrauenärztInnen wenden. Dann wird gegebenenfalls eine Narbenkorrektur vorgenommen oder ein gezieltes Beckenbodentraining verordnet.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel