Neue Erkenntnisse und Entwicklungen
Norbert ist drei Jahre alt und hat eine Erdnussallergie. Für eine herkömmliche Desensibilisierungs-Therapie Ist er noch zu klein. Seine Eltern müssen daher sorgfältig darauf achten, dass er nichts isst, was auch nur Spuren von Erdnüssen enthält. Das ist mühsam. Aber es gibt Hoffnung: eine neue Desensibilisierungs-Therapie mittels Hautpflaster.
Wie sich eine Erdnussallergie bei Kindern äußert? Bei Norbert waren es Hautausschläge, Schwellungen und Juckreiz. Aber auch Atem- und in schweren Fällen Kreislaufbeschwerden können auftreten. In Norberts Fall brachte erst ein Allergietest Klarheit. Das Tückische an einer Erdnussallergie ist: In sehr vielen Nahrungsmitteln sind Erdnussbestandteile enthalten – auch dort, wo man sie gar nicht erwarten würde.
Was genau ist eine Allergie und wie entsteht sie?
Eine Allergie ist eine Überreaktion des Immunsystems, das einem harmlosen Reiz wie einem Feind kontert. Dr. Thomas Eiwegger von der Klinischen Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Universitätsklinikum St. Pölten: “Wie eine Allergie entsteht, ist nicht ganz klar. Es handelt sich um ein Zusammenspiel zwischen Umweltfaktoren, Lebensstil und genetischer Prädisposition”.
Leiden die Eltern oder andere Familienangehörige unter Allergien, sind möglicherweise bestimmte Gene verändert, die mit der Immunregulation oder der Barrierefunktion von Haut und Schleimhaut zu tun haben. Diese Gene können vererbt werden. Allerdings: Eine Veranlagung bedeutet noch nicht, dass eine Allergie auch wirklich auftreten wird. Leider gibt es keine klaren Hinweise darauf. “Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Kinder mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen – im Mutterleib, über die Muttermilch, über die Nahrung, durch Inhalation und über die Haut”, so Prof. Eiwegger. “Im Regelfall führt so ein Kontakt dazu, dass ein Allergen ignoriert wird oder dass es zur Toleranzentstehung kommt. Wir verstehen noch nicht ganz genau, warum es in einigen Fällen zur Sensibilisierung kommt und in einigen nicht”.
Lässt sich der Ausbruch einer Allergie verhindern?
“Es gibt keine Patentrezepte, wie man den Ausbruch einer Allergie verhindern könnte”, weiß Dr. Eiwegger. Frühere Empfehlungen haben sich als kontraproduktiv erwiesen: Mittlerweile weiß man, dass die Vermeidung gewisser Lebensmittel in Schwangerschaft und Stillzeit sowie im Kleinkindalter keine Vorteile bringt, sondern eher nachteilig wirkt. “Das heißt, man kann durch Vermeidung von Nahrungsmitteln, die eher Allergien auslösen, Allergien nicht verhindern”.
Interessant: Die Hyperthese der dualen Allergen-Exposition betont die Bedeutung der Körperregion, über die der Erstkontakt mit dem Allergen erfolgt. Sie geht davon aus, dass jener über die Haut eher zu einer Allergie führt als der über den Verdauungstrakt. So haben Kinder mit atopischer Dermatitis ein höheres Risiko, eine Erdnussallergie zu entwickeln.
Beobachtungen haben gezeigt, dass sie bei der Vermeidung von Erdnusszubereitungen im ersten Lebensjahr später mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Erdnussallergie entwickeln. Generell lautet die aktuelle Empfehlung für Nahrungsmittel allgemein: Die Einführung einer abwechslungsreichen Beikost ab dem vierten bis sechsten Lebensmonat in altersentsprechender Zubereitung führt dazu, dass später weniger Nahrungsmittelallergien auftreten. Wichtig: Das bedeutet nicht, dass mit vier Monaten abgestillt werden soll! Prof. Eiwegger betont: „Das Stillen soll unbedingt weitergeführt werden!“
Wie wird die Diagnose “Allergie” gestellt?
- Prick-Test (Hauttest)
- Bluttest (um die Antiköper im Blut zu bestimmen, die speziell gegen bestimmte Allergene gerichtet sind)
- Epikutantest, Patchtest: Bei Verdacht auf eine Kontaktallergie. Dazu wird eine Allergenzubereitung für 48 Stunden auf den Rücken geklebt.
- Provokationstest
Immuntherapie als Allergiebehandlung
Um das überreagierende Immunsystem wieder zu besänftigen, wird es im Rahmen einer Desensibilisierung regelmäßig mit geringen Mengen des allergieauslösenden Stoffes konfrontiert, um so sukzessive mehr Toleranz dagegen aufzubauen. Zur Behandlung der Erdnussallergie gibt es seit kurzer Zeit ein Proteinpulver, das unter ärztlicher Aufsicht nach und nach in gesteigerter Dosis eingenommen wird. Allerdings gibt es keine Garantie dafür, dass die Allergie „geheilt“ werden kann oder nur für eine gewisse Zeit Linderung erzielt wird. Außerdem ist die Behandlung für Kinder unter vier Jahren nicht zugelassen.
Epikutane Immuntherapie (EPIT)
Die Epikutane Immuntherapie (EPIT) verfolgt einen neuen Ansatz. Dabei wird ein speziell für Kleinkinder entwickeltes Pflaster, das in einer kleinen Kammer geringe Mengen von gefriergetrocknetem Erdnussprotein (250μg) enthält, täglich auf die Haut aufgebracht.
Das Verfahren wurde bereits erfolgreich in einer weltweiten Studie getestet, an der auch das Universitätsklinikum St. Pölten beteiligt war. Die teilnehmenden Kinder hatten in der Studie keine Einschränkungen bezüglich ihres Lebensstils. Sport und sogar Schwimmen oder Baden waren trotz des Pflasters ausdrücklich erlaubt.
Ergebnisse der Studie
“Die Studie zeigt überzeugende Ergebnisse und wird uns dabei helfen, unsere kleinen Patientinnen und Patienten mit Erdnussallergie noch individueller zu behandeln”, ist Prof. Eiwegger zuversichtlich. “So zeigte sich bei 67 Prozent der behandelten Kleinkinder eine Desensibilisierung. In der Kontrollgruppe waren es nur halb so viele”.
Gemessen wurde die Desensibilisierung anhand der zum Auslösen allergischer Reaktionen notwendigen Menge an Erdnussprotein. Die Erhöhung des Schwellenwertes durch die Behandlung erlaubt einen deutlich besseren Schutz bei unbemerktem Verzehr kleinerer Mengen Erdnuss – was leicht geschieht, da sehr viele Nahrungsmittelprodukte Erdnuss enthalten.
Wann ist das Pflaster erhältlich?
EPIT weist auch ein sehr gutes Sicherheitsprofil auf, wie die im renommierten “New England Journal of Medicine” publizierten Ergebnisse belegen. Bleibt nur die Frage, ab wann das Pflaster erhältlich sein wird. Hoffentlich bald: Die Studienphase ist bereits abgeschlossen, es fehlt nur noch der Einreichvorgang durch den Hersteller, damit die zuständigen Behörden – in Europa die EMA (European Medicines Agency) – entscheiden können, ob zusätzliche Daten notwendig sind oder bereits eine Zulassung erteilt werden kann.
Allergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit?
- Eine Allergie ist eine fehlgeleitete Überreaktion des Immunsystems
- Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit mangelt es an geeigneten Enzymen zum Abbau.
Die Erdnussallergie gehört zum Soforttyp der Allergien, d. h. Symptome treten spätestens zwei Stunden nach Kontakt auf. Bei einer Erdnussallergie können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Oft treten bereits bei geringen Verzehrmengen starke Beschwerden auf.
Mögliche Symptome
- Kribbeln oder Anschwellen von Mund und Schleimhäuten
- Hautreaktionen
- Übelkeit und Erbrechen
- Bauchschmerzen
- Durchfall
- Atemnot
- Herzrasen
- Bewusstlosigkeit
- anaphylaktischer Schock (akut lebensbedrohliche maximale Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems)
Autor:in:
Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel