„Alte Geburtsverletzungen heilen“ ist eine der am stärksten besuchten Seiten auf der Homepage der Tiroler Gynäkologin Dr. Maria Riedhart-Huter. Nicht ohne Grund, denn regelmäßig suchen Patientinnen mit juckenden, nässenden oder wulstigen Dammnarben ihre Ordination auf.
Die gute Nachricht: Die meisten dieser Probleme können heute minimalinvasiv gelöst werden.
Die Auswirkungen alter Geburtsverletzungen
Der Alltag auf den Entbindungsstationen ist oft hektisch und es bleibt wenig Zeit für die fachgerechte Versorgung von Geburtsverletzungen. Dass das Intimgewebe nach der Geburt meist stark geschwollen ist, macht die Sache für die behandelnden GynäkologInnen auch nicht unbedingt einfacher. Trotzdem heilen Dammverletzungen normalerweise, abhängig vom Schweregrad, problemlos aus … aber eben nicht alle.
Die ästhetische Gynäkologin Dr. Maria Riedhart-Huter aus Wörgl in Tirol vermutet eine hohe Dunkelziffer an leidenden Frauen, da Probleme in der Intimzone noch immer tabubehaftet sind und als „Preis für ein Kind“ duldend in Kauf genommen werden.
Auch die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt in ihrem Artikel „Das Leiden nach den Wehen“, dass ausgerechnet die Frauenbewegung Stolz auf den durch die Reproduktion versehrten Frauenkörper propagiert, statt eine adäquate Behandlung einzufordern. Dazu kommt, dass sich viele Intimprobleme erst Monate nach der Geburt und damit lange nach der „Abschlussuntersuchung“ beim Frauenarzt oder der Frauenärztin zeigen. „Bei vielen Patientinnen offenbart sich erst dann, dass das Gewebe nicht richtig verheilt ist“, sagt Dr. Maria Riedhart- Huter.
Damit bleibt für viele Frauen die körperliche und emotionale Belastung durch alte Geburtsverletzungen eine unerwartete und schmerzhafte Realität. Dammrisse und -schnitte können nicht nur zu körperlichen Beschwerden wie nässenden, juckenden Narben, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Inkontinenz führen, sondern auch zur emotionalen Belastung werden. Die Probleme sind oft unsichtbar, neigen jedoch dazu, sich nachhaltig im Alltag der Mütter einzunisten.
Was ist der Damm und warum wird er bei der Geburt so stark beansprucht?
Der Damm befindet sich zwischen dem vaginalen Eingang und dem After. Er ist eine elastische Gewebestruktur, die eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Beckenorgane spielt und während der Entbindung erheblich beansprucht wird.
Bei der Geburt bewirkt der Druck des Babys, dass sich das Gewebe im Dammbereich extrem dehnen muss, um den Kopf des Kindes passieren zu lassen. In vielen Fällen führt der starke Druck, insbesondere bei einem großen Baby oder einer schnellen Geburt, zu Rissen oder der Notwendigkeit eines Dammschnitts, um eine Verletzung des Beckenbodens oder eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Säuglings zu vermeiden.
Erste Hilfe für den verletzten Damm
Laut Dr. Riedhart-Huter erhalten frischgebackene Mütter zu wenig Informationen darüber, wie sie die Heilung ihrer Geburtsverletzungen so unterstützen können, dass möglichst keine Folgeschäden zurückbleiben.
Bei frischen Dammverletzungen stehen das Schmerzmanagement mittels Schmerzmitteln, die Hygiene des Intimbereichs z. B. durch Sitzbäder in lauwarmem Wasser und vor allem die Ernährung im Vordergrund.
- Wichtig ist es, den Stuhl – wenn nötig auch mit Medikamenten – so weich zu halten, dass kein Druck auf das verletzte Gewebe ausgeübt wird.
- Eine Behandlung mit zentrifugiertem Eigenblut, sogenanntem PRP, kann den Heilungsverlauf beschleunigen
- Kontinenzproblemen oder Schmerzen beim Sex lässt sich mit Physiotherapie begegnen
Ein offenes Gespräch ist der erste Schritt zur Heilung
Es ist Zeichen eines wachsenden weiblichen Selbstbewusstseins, dass sich immer mehr Frauen nicht mehr mit schlecht verheilten Geburtsverletzungen abfinden. Ein Termin in einer möglichst spezialisierten gynäkologischen Ordination ist der erste Schritt zu mehr Lebensqualität für die Betroffene. Dr. Riedhart-Huter betont: „Es ist wichtig, alle Optionen offen zu besprechen. Nur so können wir die individuell effektivste Behandlungsmethode finden.“
Ursachen für entzündete oder nässende Dammnarben
Laut Dr. Riedhart-Huter gibt es mehrere Gründe, warum sich alte Narben im Intimbereich immer wieder entzünden, jucken oder nässen:
- Narbengewebe ist weniger flexibel und damit anfälliger für mechanische Belastungen z. B. durch Sex, scheuernde Kleidung oder den Fahrradsattel. Minimale Verletzungen können dann Eintrittspforten für Bakterien bilden, was zu Infektionen führt.
- Narbengewebe ist schlechter durchblutet, was das Risiko von Entzündungen erhöht.
- Die Form der Narbe kann Feuchtigkeitsansammlungen begünstigen, wodurch das Wachstum von Bakterien und Pilzen gefördert wird.
- Manchmal ist der Intimbereich wegen der Verletzung schlechter zu reinigen oder Seifen und andere Produkte irritieren die Haut.
- Auch das eigene Immunsystem kann eine Überreaktion oder eine kontinuierliche geringgradige Entzündungsreaktion des Narbengewebes verursachen.
- Hormonelle Schwankungen während einer erneuten Schwangerschaft, der Menstruation oder der Menopause können die Empfindlichkeit des Gewebes erhöhen.
Selbst wenn die Dammnarbe keine körperlichen Beschwerden verursacht, fühlen sich manche Frauen davon eingeschränkt. Einerseits schämen sie sich für eine als unattraktiv wahrgenommene Narbe, andererseits erinnert diese sie auch ständig an ein schmerzhaftes Erlebnis genitaler Verletzung, was die Lust am Sex versiegen lässt. Psychische Probleme sind hier genauso ernst zu nehmen, denn das Resultat ist dasselbe: eingeschränkte sexuelle Genussfähigkeit und eine negative Körperwahrnehmung.
Alte Dammnarben richtig behandeln – fast immer ohne Skalpell
Die Furcht vieler betroffener Frauen, (wieder) eine genitale Operation durchleiden zu müssen, kann Dr. Riedhart-Huter weitgehend zerstreuen. „In den allerseltensten Fällen muss das Problem chirurgisch behoben werden, der modernen Medizin stehen heute viele nicht- oder nur minimalinvasive Behandlungsmethoden zur Verfügung.“
-
Narbenmassage:
Täglich die Narbe mit einem geeigneten Öl (z. B. Weizenkeim- oder Mandelöl) zu massieren, kann helfen, das Narbengewebe elastischer und weicher zu machen. -
Frisches Gewebe durch den Vaginallaser:
Durch eine Behandlung mit dem Fotona-Laser werden dem Gewebe der Dammnarbe in Lokalanästhesie mikrofeine Verletzungen zugefügt. In der Folge bildet der Körper frisches Gewebe, um diese winzigen Verletzungen zu heilen. Es findet ein sanfter Umbau vom starren zum frischen, elastischen Narbengewebe statt. -
PRP:
Eine weitere Möglichkeit, die sich sehr gut mit einer Laserbehandlung kombinieren lässt, ist der Einsatz von PRP. Bei PRP handelt es sich um plättchenreiches Blut (plateled rich plasma), das aus dem eigenen Blut der Patientin gewonnen wird. Dank der Aufbereitung in einer speziellen Zentrifuge ist es besonders reich an Stammzellen, Botenstoffen und Wachstumsfaktoren. Mit einer haarfeinen Nadel in die Narbe injiziert, verursacht es dort die Bildung von frischem, elastischem Narbengewebe. -
Kortison:
Hat sich wucherndes, wulstiges Narbengewebe gebildet, ist die Injektion von Kortikoiden die Methode der Wahl. Ziel der Behandlung ist es, das Immunsystem nur an dieser Stelle etwas einzubremsen, und diesen Effekt erzielt man mit Kortison-Injektionen in mehreren Sitzungen. -
Hyaluronsäure oder Biostimulationen:
Durch Injektionen mit verschiedenen Substanzen können eingesunkene Narbenbereiche wieder auf ein normales Niveau aufgepolstert werden.
Nur bei sehr stark wucherndem Narbengewebe oder wenn keine der beschriebenen Behandlungen den gewünschten Erfolg bringt, kann eine chirurgische Korrektur der Narbe sinnvoll sein. Allerdings ist der Eingriff deutlich schmerzärmer als die Versorgung direkt nach der Geburt.
Schmerzlos zu mehr Lebensqualität
Jeder Tag, den sich eine Frau mit den negativen Folgen einer Geburt abmüht, ist ein verlorener Tag für die Lebensqualität. Bei allen vorgestellten Therapien wird der Narbenbereich vorher mit einem Lokalanästhetikum betäubt, wodurch die Behandlung selbst schmerzlos ist. Auch nachher sind keine Beeinträchtigungen oder Ausfallzeiten zu erwarten, zudem sind die Eingriffe äußerst risikoarm. Warten lohnt sich also nicht, ein Anruf ist der erste Schritt zur Besserung.
Autor:in:
Eva Sorantin ist Chefredakteurin von NEW MOM & all4family, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn sie nicht…