Ayurveda ist eine uralte Lehre, mit deren Hilfe sich frischgebackene Mütter selbst wie neugeboren fühlen. Ayurvedische Rezepte, ein ganzheitlicher Lebensstil und Massagen entfalten volle Frauenpower.
Mit warmen Ölen und sanftem Druck massiert die Praktikerin über meine Haut, und jede Berührung unterstreicht meinen ersten Eindruck: „Hier bin ich in guten Händen!“ Denn Marion Malle vom E5 Ayurveda [&] Yoga Zentrum in Wien weiß ungemein viel über die traditionelle indische Heilkunst Ayurveda, die auch von der WHO als Wissenschaft anerkannt wird. Anders als in der westlichen Medizin stehen im Ayurveda nicht Krankheiten im Fokus, sondern die Gesunderhaltung des Menschen. Der Körper, die Sinne, der Verstand und die Seele werden gemeinsam betrachtet. In der indischen Heilkunst geht man davon aus, dass drei Lebensenergien, die „Doshas“, jeden Menschen beherrschen und dessen Körperfunktionen steuern.
Die Doshas sind den vier Elementen zugeordnet:
- Vata (Wind, Luft und é„ther)
- Pitta (Feuer und Wasser) und
- Kapha (Erde und Wasser)
Durch eine harmonische Lebensweise, ausreichend Schlaf, einen geregelten Alltag, gesunde Ernährung und ayurvedische Anwendungen können die Doshas am besten in Balance gehalten und Störungen ausgeglichen werden.
Zurück zu meiner Massage: Bei der Abhyanga Sweda-Ölmassage wird vom Scheitel über das Gesicht bis zu den Füßen massiert. Abschließend macht ein Dampfbad das Gewebe durchlässig und weich. Durch die Massage gelöste Gifte sollen schließlich abtransportiert und ausgeschieden werden. Schon nach der ersten Anwendung fühle ich einen deutlichen Energieschub. Nun möchte ich noch mehr über Ayurveda erfahren …
AYURVEDA: DAS WISSEN VOM LEBEN
Jede Lebensphase ist von einer Lebensenergie und dem dazugehörigen Prinzip gekennzeichnet:
- Der Kindheit schreibt man das Kapha-Dosha zu. Es steht für Ausdauer, Kraft, Stabilität und die Ausbildung unserer Abwehrkräfte
Heranwachsende sollen daher besonders gut genährt werden. Ein stabiles Kapha sorgt für innere Ausgeglichenheit und ist die beste Basis für die folgende Pitta-Phase, der auf körperlicher Ebene der Stoffwechsel zugeordnet wird. Veränderungen, Lebensereignisse, Familiengründung oder auch eine totale Neuorientierung werden nun intensiv ausgelebt. Der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren, mit Feuereifer wird Neues in Angriff genommen - Ab dem mittleren Lebensalter bis zu unserem Lebensende herrscht dann das Vata vor.
Zum Vata-Dosha gehört alles, was sich in unserem Körper bewegt, sei es die Atembewegung, die Peristaltik der Verdauung oder das Hin und Her unsere Gedanken. Je höher das Vata in unserem Körper, umso häufiger zeigen sich alterstypische Beschwerden wie Schlaflosigkeit, muskuläre Schwäche, Libidoverlust, Depressionen oder Demenz.
AUS DER BALANCE
Stress, Leistungsdruck oder extreme körperliche Belastungen treiben unser Vata früher als vorgesehen in die Höhe und lassen uns, salopp gesagt, alt aussehen.
Ayurveda-Praktikerin Marion Malle erklärt die Entstehung einer ausgeprägten Vata-Störung am Beispiel des Mutterwerdens: „Ein Kind auf die Welt zu bringen öffnet ayurvedisch gesehen Tür und Tor, um sich zu verausgaben. Schon die Schwangerschaft ist eine körperliche Höchstleistung. Wenn das Kind geboren wird, entsteht in der Körpermitte erst einmal ein großer, leerer Raum. Vata, das dem Element Luft beziehungsweise é„ther zugordnet wird, kann sich hier nun ungehindert ausbreiten.“ Wenig verwunderlich also, dass Vata in der Wochenbettzeit überrepräsentiert ist und die Gefühlslage von vielen Frauen als „innere Leere“ beschrieben wird.
IN DER RUHE LIEGT DIE KRAFT
Der ayurvedischen Tradition folgend, verbringt in Indien jede frisch entbundene Frau 40 Tage im Haus ihrer Mutter und wird von ihr täglich massiert. So kann sich nach der intensiven Herausforderung der Geburt der Muskeltonus regenerieren und die Haut ihre Elastizität wiedererlangen. Mama und Baby ist es vergönnt, sich gemeinsam zu erholen, zu ruhen, ihre besondere Verbindung zueinander aufzubauen und Stillrituale zu pflegen. „Es mag uns im Alltag schwer umsetzbar erscheinen, aber diese Tradition und ihre Gepflogenheiten tragen wesentlich zur Stärkung und Regeneration der jungen Mutter bei und nähren das Neugeborene.
Tägliche Ölmassagen für die junge Mutter unterstützen beim Baby Blues, schaffen Erleichterung bei Rückenschmerzen, sind beruhigend und bringen den Körper wieder in Balance. Beim Neugeborenen beugen sie Blähungen vor, wirken beruhigend und schlaffördernd. Vor allem stärken Massagen die Bindung zwischen Mutter und Kind“, erzählt Marion Malle, die auch ayurvedische Wochenbettkuren anbietet.
Selbstfürsorge ist ein wichtiges Thema für frischgebackene Mütter. Eine, die darauf geachtet hat, fasst es in berührende Worte: „Die ayurvedische Begleitung linderte rasch meine Beschwerden nach der Geburt, und ich gewann nach den Anstrengungen bald mein angenehmes Körpergefühl zurück. Es war so schön, in dieser fordernden Zeit auch als Mutter liebevoll umsorgt zu werden!“
Ayurveda: Ritual für die Sinne
Diese Ganzkörperselbstmassage bringt Ruhe und Struktur in den Alltag und lässt sich darin gut integrieren – am besten nach dem Aufstehen und vor dem morgendlichen Duschen.
Fünf Tropfen von zwei bis drei ätherischen Ölen in ein Schälchen geben – z. B. zwei Tropfen Rosengeranie, zwei Tropfen Lavendel und einen Tropfen Ylang Ylang -, mit zwei Esslöffel Basisöl (Jojoba-, Kokos-, Mandel- oder Traubenkernöl) mischen und den Körper damit sanft einölen.
- Die Haut wird gut durchblutet und schön weich.
- Das Gewebe wird fest und straff.
- Die Gelenke werden „geschmiert“ und mobilisiert.
- Die ayurvedischen Kräuteröle dringen tief ins Gewebe ein und aktivieren den Stoffwechsel.
- Sich Zeit für sich selbst zu nehmen entspannt und bringt die Gedanken zur Ruhe.
- Die liebevolle Beziehung zum eigenen Körper wird gestärkt.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel