Was habe ich diese klugen Einschlaf-Tipps für Babys in den einschlägigen Ratgebern gehasst! „Sorgen Sie für eine ruhige Atmosphäre!“ Ach nein, soll ich die Stereoanlage mit der Trashmetal-Band wirklich ausschalten? „Rituale beruhigen Ihr Baby…“. Ich weiß nicht, wie das bei anderen Neugeborenen ist, aber meinen vier Kinder waren meine Rituale herzlich egal. „Singen Sie Ihrem Kind etwas vor…!“ Möglicherweise liegt es ja an meiner Singstimme, aber am Ende meiner Bemühungen habe ich versucht, mein kreischendes Baby mit einem mehr gebrüllten als gesungenem „Schlaf, Kindlein, schlaf“ zu übertönen…
Das Ende vom Lied war, dass ich mich als völlig unzureichende Mutter empfunden habe, völlig unfähig mein Kind zu beruhigen. Vier Kinder später weiß ich es besser: Babys, die sich mit einem kleinen Liedchen sanft in den Schlaf befördern lassen, haben einfach kein Einschlafproblem. Es liegt nicht an uns Müttern, wenn Babys gerade am Abend so haltlos schreien. Es liegt daran, dass sie sich noch nicht selbst „regulieren“ können, wie es in der Fachsprache heißt. Im Klartext bedeutet das, das Baby kann sich noch nicht selbst so weit beruhigen, dass es einschlafen kann. Das ist ein Reifungsprozess und manche Babys sind da früher dran und manche später und meine… ganz spät. Das heißt aber, die „Regulierung“ bzw. Beruhigung muss von außen kommen. Und da habe ich einiges ausprobiert, denn verzweifelte Mütter kommen auf kreative Ideen…
Tipp 1: Anfängerfehler – zu viel des Guten
Es macht keinen Sinn, eine Beruhigungsstrategie nach der anderen auszuprobieren, weil man das Baby damit nur nervöser macht. D.h. egal, was man probiert, man soll es zumindest zehn Minuten durchhalten, bevor man das Handtuch wirft. Apropos nervös: Wenn man selbst bereits am Rande des Nervenzusammenbruchs steht, wenn möglich, lieber den Papa oder die Oma mit der Mission „Schlafen legen“ beauftragen…
Tipp 2: Beruhigung durch Bewegung
Das Baby durch gleichmäßige Bewegungen in den Schlaf zu befördern ist ein weites Feld der Betätigung. Sie können mit dem Baby am Arm auf einem großen Pezziball wippen, herumgehen, in einer Babyhängematte oder Wiege langsam vor sich hinschaukeln, das Baby mit dem Kinderwagen oder im Auto herumfahren, es im Tragetuch bzw. der Komforttrage herumtragen… Letzteres hat bei meinen Kindern allen hervorragend funktioniert… so lange ich mich nicht hingesetzt habe oder das Kind vorsichtig abgelegt habe. Kaum habe ich mich nicht mehr bewegt, ist das Geschrei von vorne losgegangen. Das hat beim ersten Kind dazu geführt, dass mein Mann und ich uns in der Nacht in zwei Stunden-Schichten abgelöst haben: Einer durfte schlafen und einer hat in der Wohnung tragenderweise unzählige Kilometer zurückgelegt. Das Kind war am Morgen ausgeschlafen, wir Eltern erledigt. Kein Zukunftsmodell. Später habe ich meinen kleinen Schreiheils dann manchmal ausgetrickst, in dem ich ihm mit einer Wärmflasche auf dem Bauch suggeriert habe, dass er noch dicht an meinen Körper gepresst ist. Das hat manchmal funktioniert.
Tipp 3: Beruhigung durch Freiheitsentzug
Das Pucken, gemeint ist das feste „Einwickeln“ des Babys in ein Tuch, damit es sich nicht mehr bewegen kann, hat auf mich immer irgendwie „brutal“ gewirkt, egal wie viele Hebammen es empfohlen haben. Aber, ich muss zugeben: es wirkt. Gerade bei sehr hektischen Babys, die viel mit den Ärmchen und Beinchen fuchteln, kann so ein bisschen Freiheitsentzug sehr beruhigend wirken. Die Ruhe wird dabei sozusagen von außen verordnet. Bei meinem großen Sohn gab es noch keine Pucktücher, da habe ich diesen engen Zustand mit zwei kleineren Pölstern im Kinderwagen hergestellt – hat auch gut funktioniert. Allerdings sollte man die Kinder, wenn sie tief schlafen, vorsichtig wieder auswickeln. Bei Fieber darf man natürlich gar nicht pucken.
Tipp 4: Beruhigung durch Geräuschkulisse
Klingt komisch – ist aber so: Manche Babys beruhigen sich am besten bei Lärm. Voraussetzung: gleichmäßig muss er sein. Also nicht die eingangs erwähnte Trashmetal-Band, gemeint sind vielmehr „weiße Geräusche“. Soll heißen Staubsaugerlärm, Waschmaschine (am besten im Schleudergang), Fön oder auch summen… Manche Babys finden das so chillig, dass ihnen bald die Äuglein zufallen. Die Kunst besteht dann darin, das Geräusch so langsam wieder „auszuschleichen“, dass der Nachwuchs es nicht mitbekommt und weiterschläft. Diesbezüglich sind Föhngeräusche ideal, man kann auf der dritten Stufe beginnen und langsam zurückschalten (Remington-Föns verwenden, die überhitzen dabei nicht), beim Staubsauger ist das meist schwieriger…
Tipp 5: Beruhigung durch Übergangsobjekte
Unter „Übergangsobjekten“ verstehen ExpertInnen Schnuller, Schmusetücher & Co. Alle diese Gegenstände erleichtern dem Baby den Übergang vom Wachen ins Schlafen. Mein Sohn Nummer drei wollte nur mit einem kleinen Polster(!) über dem Kopf einschlafen. Wenn er eingeschlafen ist, habe ich das Kissen wieder vorsichtig entfernt. Ich will nicht über die Kommentare von Passanten sprechen, wenn mein Sohn mit Polster über dem Kopf im Kinderwagen gelegen ist … ja, ich weiß, was SIDS ist und nein, er ist nicht entstellt…“
Tipp 6: Beruhigung durch Kombination
Bei der hohen Schule des Einschlaf-Supports kombiniert man die oben genannten Techniken. Also Pucken, schaukeln, Schnuller und/oder Schmusetuch. Tragetuch, summen, auf dem Pezziball wippen… da gibt es unzählige Möglichkeiten. Für Nicht-Mütter klingt das natürlich nach sofortiger Einweisung in die Psychatrie, aber die Betroffenen werden mich schon verstehen…
Tipp 7: Ruhiger Tag – ruhiger Abend
Wenn das Baby den ganzen Tag schon unruhig ist und schlecht schläft ist es abends zwar todmüde, schläft deswegen aber nicht leichter ein. Eher umgekehrt. D.h. die Mühe den Säugling tagsüber zu einem Nickerchen zu verführen, lohnt sich auch abends. Gerade sehr unruhige Babys vertragen erfahrungsgemäß nur wenig Aufregung. Auch wenn es langweilig ist, für junge Babys ist weniger Animation mehr. Nicht zu viel Aktivität in einen Tag packen. Meinen naiven Vorsatz „wir machen mit Baby alles wie bisher“, habe ich mir daher gleich bei meinem ersten Sohn wieder abgeschminkt.
Tipp 8: Gemeinsam oder alleine schlafen?
Allgemein wird empfohlen das Baby dicht bei sich im Familienbett, im Beistellbettchen oder im Stubenwagen gleich daneben schlafen zu lassen. Die Nähe der Eltern beruhigt das Baby. Das macht für mich auch evolutionsbiologisch Sinn: Wer alleine schläft, wird leichter vom Löwen gefressen. Aber auch das trifft nicht auf jedes Baby zu. Als mein erster Sohn wenige Monate alt war, habe ich beobachtet, dass ich ihn in der Nacht öfter durch mein Rumoren aufwecke. Daraufhin habe ich ihn in seinem Bettchen ins Zimmer direkt neben meinem Schlafzimmer gestellt… und wir haben beide besser geschlafen. Seine drei Geschwister wiederum wollten lieber nah bei mir liegen…
Tipp 9: Baby-Einschlaf-Survival-Kit
Ein paar Dinge haben mir in dieser anstrengenden ersten Zeit geholfen:
- Der Schnuller, ja, der böse Schnuller. Nicht gleich in der ersten Lebenswoche verwenden, sondern besser abwarten, dass das Stillen gut funktioniert.
- Eine Federwiege. Das ist eine Wiege aus Stoff mit integrierter Matratze, die auf einer starken Stahlfeder aufgehängt wird. So wird das Baby bei jeder seiner Bewegungen sanft geschaukelt, bzw. kann man beim Einschlafen auch selbst etwas nachhelfen. Federwiegen sind sehr handlich, man kann sie überallhin mitnehmen und z.B. an einem Türrahmen aufhängen.
- Eine Komforttrage. Ich war mit dem Tragetuch nicht so geschickt und habe daher eine Trage nach Mei Tai-Vorbild bevorzugt.
- Kirschkern- oder Dinkelkissen. Die kann man z.B. in der Mikrowelle oder im Backrohr erwärmen und dem kleinen Erdenbürger dann auf den Bauch legen. Meine Kinder hat die sanfte Wärme entspannt. Außerdem sind diese Kissen im Kinderwagen praktisch, wenn es draußen sehr kalt ist.
Tipp 10: Wenn gar nichts hilft…
Manchmal hat man sein Bestes gegeben und der kleine Mensch weint trotzdem haltlos weiter. Ich denke, genauso wie wir Erwachsenen manchmal innere Spannungen durch Weinen abbauen, brauchen die Kleinen auch einmal eine „Heulstunde“ oder auch mehrere davon. Da können wir ihnen beistehen, sie halten und das Weinen auch einmal zulassen. Und Kopf hoch, nach drei Monaten wird einmal alles ruhiger, Rituale spielen sich ein und im zweiten Lebenshalbjahr ist das Einschlafthema nicht mehr so beherrschend. Und spätestens in der Pubertät bekommt man den Nachwuchs gar nicht mehr aus dem Bett heraus.
Normalfall: Nichtschläfer
Es soll ja Babys geben, die ab der ersten Nacht durchschlafen, aber dass Säuglinge nicht gleich durchschlafen ist der Normalfall. Wobei sich zunächst einmal die Frage stellt, was dieser ominöse Begriff überhaupt bedeutet. In der Fachliteratur findet sich die Definition: Durchschlafen bedeute sieben Stunden am Stück zu schlafen. Geringer Trost für die Eltern jener Kinder, die von acht bis drei in der Früh durchschlafen und dann erstmal Party feiern wollen. Tatsächlich entscheidet mehr die Wahrnehmung der Eltern als das Schlafverhalten des Kindes, ob man von Durchschlafen sprechen kann. Das bestätigt auch die Expertin Dr. Katharina Kruppa von der Baby-Care-Ambulanz des Preyerschen Kinderspitals: „Manche Eltern erleben es als durchschlafen, wenn das Baby nur zweimal in der Nacht trinkt. Andere Eltern sagen, mein Kind schläft absolut nicht durch, wenn es sieben Stunden am Stück schläft“.
REM oder Nicht-REM
Tatsächlich ist „Durchschlafen“ der falsche Begriff. Alle Kinder, wie auch die Erwachsenen, wachen mehrmals pro Nacht auf. Wir schlafen nicht am Stück, sondern in mehreren Schlafzyklen, die wiederum aus mehreren Schlafphasen bestehen.
Schlafzyklus:
- Wir beginnen einen Zyklus mit Traumschlaf oder REM-Schlaf (REM: Rapid Eye Movement, Schnelle Augenbewegung),
- fallen in den tiefen Non-REM-Schlaf,
- träumen wieder
- und wachen am Ende des Zyklus kurz auf,
- um dann wieder in den nächsten zu dämmern.
Bei Erwachsenen dauert ein solcher Zyklus bis zu zwei Stunden. Bei Neugeborenen nur rund 50 Minuten. Wir verbringen etwa ein Viertel unserer Schlafzeit im leichten REM-Schlaf, Babys fast die Hälfte. Kein Wunder, dass die Kleinen öfter mal wach werden. Der Unterschied zwischen Nachtvögeln und Langschläfern ist einfach, dass letztere selbst wieder einschlafen.
Tag-Nacht-Rythmus
Aber was tun, wenn sie das nicht schaffen? Abwarten ist eine Möglichkeit, zumindest solange die Eltern mit ihrem eigenen, veränderten Nachtrhythmus zurecht kommen. Statistisch gesehen schlafen bis zum 3. Monat 70 % aller Kinder, 90 % bis zum 5. Monat. Innerhalb der ersten Wochen finden auch fast alle Babys einen Tag-Nacht-Rhythmus, schlafen also in der Nacht zumindest mehr als am Tag. Die Entwicklung des Babys arbeitet also für den guten Nachtschlaf.
Ferber vs. Sears
Nach wochen- und monatelangem Schlafentzug, nach Dutzenden Nächten, in denen man alle ein, zwei Stunden auf war, um sein Kind zu stillen, zu wiegen und herumzutragen, können Eltern aber verständlicherweise nicht mehr einfach warten. Sie wollen ihrem Kind helfen, besser zu schlafen. Wie das am besten geht, darüber streitet sich die Fachwelt. Vorreiter zweier Philosophien, die gegensätzlicher nicht sein könnten, sind zwei amerikanische Ärzte, Dr. William Sears und Dr. Richard Ferber.
- Sears betont, dass ein Baby die körperliche Nähe zu den Eltern zum Einschlafen braucht. Kinder gehören für ihn ins Bett der Eltern, sie sollen an der Brust von Mama oder auf Papas Schultern einschlafen. Mit viel Liebe und Nähe schlafen Kinder vielleicht nicht schneller durch, aber dafür schneller und ruhiger wieder ein.
- Ferber hat nichts gegen das Stillen oder herumtragen, für ihn sollten Kinder jedoch beim Einschlafen davon unabhängig sein. Babys sollen im eigenen Bettchen schlafen und nach einem ausgiebigen Schlafritual noch wach hinein gelegt werden. Schreiende Kinder sollen beruhigt, aber nicht mehr herausgenommen werden. So lernen sie laut Ferber, sich selbst zu beruhigen. Was Sears wiederum kritisiert, weil er die vertrauensvolle, schützende Verbindung zwischen Mutter und Kind gefährdet sieht.
Schlafen lernen
Bekannt geworden ist Dr. Ferber durch sein so genanntes Schlaftraining. Frühestens nach einem halben Jahr, besser später kann es begonnen werden. Dabei gehen die Eltern nach dem Schlafenlegen aus dem Kinderzimmer und erst nach einigen Minuten wieder hinein, wenn das Kind schreit. Dabei soll dem Kind ganz ruhig gesagt werden, dass es nicht allein ist, aber alleine einschlafen kann. Die Intervalle werden dann stetig verlängert, bis das Kind besser schläft, was normalerweise nach drei, vier Nächten der Fall ist.
Die Methode ist zwar effektiv, hat aber viele Kritiker und ist auch nur dann anzuwenden, wenn die Eltern wirklich verzweifelt sind. Sonst findet man kaum die Kraft und Konsequenz, sein eigenes Kind schreien zu lassen, wenn auch in kontrolliertem Rahmen.
Aufschreiben hilft
In jedem Fall hilfreich ist es, ein Schlafprotokoll zu führen. Eltern notieren darauf, wann ihr Baby schläft, isst und schreit. Damit können sie zum einen feststellen, wie viel Schlaf ihr Kleines in 24 Stunden braucht – auch das kann im ersten Halbjahr zwischen rund 8 und 20 Stunden variieren – und wie er sich verteilt. Das hilft manchmal dabei, sich auf den Rhythmus des eigenen Kindes einzustellen – oder dort sanft einzuwirken, wo er sich mit dem eigenen Rhythmus nicht so gut verträgt. Denn auch ein vorverlegtes Nachmittagsschläfchen kann manchmal Wunder wirken.
Buchtipps:
- Katharina Kruppa u. Astrid Holubowsky :Babys wissen, was sie brauchen. Und Eltern auch.
- Christine Rankl: Einschlafen – (k)ein Kinderspiel
Autor:in:
Eva Sorantin ist Chefredakteurin von NEW MOM & all4family, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn sie nicht…