Bäuchlings oder huckepack
Das 1×1 des richtigen Tragens
Die Zeiten, da Passanten mitleidig den Kopf schüttelten, wenn sie ein Baby im Tragetuch erspähten, sind gottlob längst vorüber. Mittlerweile ist das Tragen von Babys nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern wird geradezu eingefordert, erfüllt es doch die natürlichen Bedürfnisse eines kleinen Menschenkindes.
Unbestritten sind die vielen Vorteile, die das Tragen bietet. Völker, in denen man die Kinder eng an den Körper bindet, kennen kaum Hüftfehlstellungen: Schließlich fördert die Haltung, die das Kind – richtig getragen – einnimmt, die Hüftentwicklung. Zudem wirkt der enge Körperkontakt beruhigend, Bauchschmerzen werden durch die sanfte Bewegung gelindert, und – nicht zu unterschätzen – Mama oder Papa hat beide Hände frei.
Welches Modell ist das Richtige?
Stellt sich die Frage nach der richtigen Tragehilfe. Nicht allen Eltern ist jedes Modell sympathisch, und Babys haben sowieso ihren eigenen Willen. Wie also zum passenden Stück gelangen? Zunächst ist es – neben der korrekten Handhabung – wichtig, dass man gut damit zurechtkommt.
Kaum ein Baby akzeptiert ewiges Herumgewurstel ohne ohrenbetäubendes Geschrei. Auch wenn der Rest im Wesentlichen eine Frage des Geschmacks ist, gibt es doch einige Anforderungen, die Tragehilfen auf jeden Fall erfüllen sollten:
- Da die Rückenmuskulatur von Säuglingen noch nicht stark genug ist, muss man speziell beim senkrechten Tragen darauf achten, dass die Tragehilfe eng am Rücken des Babys anliegt und gut stützt. Das Baby darf weder zur Seite kippen noch in sich zusammensacken.
- Der Rückenteil einer Tragehilfe muss den – bei Babys unverhältnismäßig großen – Kopf gut stützen. Keinesfalls darf das Babyköpfchen im Schlaf nach hinten oder zur Seite kippen.
- Die Tragehilfe sollte in Länge und Weite möglichst stufenlos verstellbar sein, um sich optimal an das wachsende Kind anzupassen.
- Um eine anatomisch korrekte Spreiz-Anhock-Haltung zu ermöglichen, sollten die Beinöffnungen zur Seite und nach vorne, keinesfalls jedoch nach unten zeigen.
Bei der Spreiz-Anhock-Haltung, die Neugeborene und Babys aufweisen, sind die Hüftgelenke nach vorne orientiert, die Oberschenkel ungefähr im 60- bis 90-Grad-Winkel zueinander gespreizt und in einem Winkel von 90 bis 110 Grad nach vorne oben angehockt. Diese natürliche Haltung nimmt ein Baby ein, wenn man es hochhebt. In der Tragehilfe sollte der Popo des Babys daher stets auch etwas niedriger als die Knie positioniert sein. - Um diese Spreiz-Anhock-Stellung zu unterstützen, darf der Steg zwischen den Beinchen des Babys nicht zu schmal sein. Eine Faustregel: Er sollte ungefähr von Kniekehle zu Kniekehle des Babys reichen.
- Achten Sie auf das Material der Tragehilfe: Es sollte weder zu nachgiebig noch zu steif und jedenfalls frei von Schadstoffen sein. Auf keinen Fall darf es das Baby irgendwo einschneiden.
NO-GOS
Auch wenn viele Hersteller von Tragehilfen dies propagieren: Das Baby sollte generell nicht vor dem Bauch mit dem Gesicht nach vorne getragen werden. Diese Position verursacht ein unphysiologisches Hohlkreuz; zudem werden die Beinchen unnatürlich gestreckt, was sich wiederum ungünstig auf die Hüftentwicklung auswirken kann.
Ausnahme: Der Ergobaby 360 ist so konzipiert, dass man das Baby auch mit dem Gesicht nach vorne in einer Position tragen kann, die selbst Trageberaterinnen zufriedenstellt.
Allerdings brauchen gerade kleine Babys den Blickkontakt zum Tragenden, um dessen Reaktion, etwa auf laute Geräusche, mitzubekommen. Deshalb empfiehlt der Hersteller von Ergobaby 360 das Tragen in „Fahrtrichtung“ auch erst für Babys ab 6,4 Kilogramm und ab fünf bis sechs Monaten … und nicht mehr als 15 Minuten am Stück, um einer möglichen Reizüberflutung vorzubeugen. Im Alltag werden ohnehin die Eltern selbst die Bedürfnisse und individuellen Vorlieben ihres Babys am besten einschätzen können.
Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass die meisten Tragetücher und Babytragen nicht korrekt verwendet werden. Die Investition in eine professionelle Trageberatung macht sich daher bezahlt: So ist sichergestellt, dass Ihr Baby richtig in seiner Tragehilfe thront und die Vorteile uneingeschränkt auskosten kann.
Universalgenie
Das Tragetuch ist sozusagen die Urmutter aller Tragehilfen. Tragetücher bestehen aus speziell gewebten Stoffen, die gleichzeitig dehnbar und fest sind. Übung beim Binden vorausgesetzt, kann das Baby mit einem Tragetuch in jeder Position getragen werden – sowohl in Wiegehaltung als auch in verschiedensten aufrechten Positionen vor dem Bauch und am Rücken. Wichtig: Nur mit dem langen Tragetuch lassen sich alle Positionen binden!
Tragetuch-Abkömmlinge
Aus dem Tragetuch haben sich verschiedene Varianten entwickelt, beispielsweise der Ring-Sling. Das Tuch lässt sich mithilfe von Ringen zu einer „fertigen“ Tragehilfe umwandeln und nach Bedarf mühelos straffziehen oder lockern. Beim Ring-Sling sitzt das Baby vorzugsweise auf Mamas Hüfte.
Neugeborene kann man auch vor der Brust, etwas ältere Kinder dann auf dem Rücken tragen.
Missing Link
Das Missing Link zwischen Tragetuch und
Komforttrage bilden die asiatischen Mei Tais, die
sich auch in Europa längst durchgesetzt haben:
Diese weichen Tragehilfen kommen ohne Schnallen
aus und passen sich daher flexibel an jede Größe
an. In einem Mei Tai lässt sich das Baby vorne am
Bauch oder auch auf dem Rücken tragen.
Unter Verschluss
Im Unterschied zum Mei Tai schließt man den Hüftgurt und Träger bei Full-Buckle-Tragen mit einer Schnalle oder einem Klettverschluss.
Full-Buckle-Tragen von Leolin eignen sich durch ihren superdünnen Stoff perfekt für den Sommer, sie gehören zu den leichtesten und dabei stärksten Komfortragen. Alle Modelle werden in der EU hergestellt.
Die cudl clik von Nuna punktet mit vier magnetischen Verschlüssen für kinderleichtes Handling und mit atmungsaktivem Mesh-Gewebe.
Design 4 Two
Wer auch bei kalter Witterung gern mit Babytrage oder -tuch unterwegs ist, weiß die Vorteile von Tragemode zu schätzen. Moderne Tragejacken oder -mäntel sind schon in der Schwangerschaft praktisch und bieten später die Möglichkeit, das Baby kuschelig warm vor dem Bauch oder auch am Rücken zu tragen.
Drei Mythen über das Tragen von Babys
- „Das Baby bekommt im Tragetuch schlecht Luft!“
Falsch! Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Babys im Tragetuch vollkommen normal atmen. - „Langes Tragen in einem Tragetuch oder in einer Komforttrage schadet dem Rücken des Babys!“
Falsch! Durch das Tragen wird ganz im Gegenteil die gesunde Hüftentwicklung gefördert. Ist das Tragetuch korrekt gebunden oder wird eine geeignete Tragehilfe ordnungsgemäß verwendet, ist der Rücken des Babys gut geschützt. - „Durch häufiges Tragen wird das Baby verwöhnt.“
Falsch! Getragen zu werden ist ein Grundbedürfnis des Säuglings. Durch die Befriedigung seiner natürlichen Urinstinkte kann man ein Baby nicht verwöhnen
Info
Buchtipps
- EIN BABY WILL GETRAGEN SEIN
Alles über das Tragen und seine Vorteile
von Evelin Kirkilionis
Psychosozial-Verlag 2022
ISBN 978-3-8379-3143-3 - BABYS IM GLEICHGEWICHT.
Geborgen und getragen im ersten Lebensjahr
von Sabine Hartz, Ulrike Höwer, Birgit Kienzle-Müller
Urban & Fischer 2017
ISBN 978-3-437-45227-7
Autor:in:
Eva Sorantin ist Chefredakteurin von NEW MOM & all4family, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn sie nicht…