Wunde Brustwarzen beim Stillen
von Katharina Wallner

Stillen ohne Schmerzen!
Das harmonische Bild eines zufriedenen Babys an der Brust seiner lächelnden Mutter entsteht wohl selten zum Stillauftakt. Meist werden die Mahlzeiten nämlich erst zum Genuss für beide, wenn sich die Brustwarzen an den Dauereinsatz gewöhnt haben.
97% aller frischgebackenen Mütter sind hochmotiviert, mit dem Stillen zu beginnen. Schließlich sind die Vorteile der Muttermilch in aller Munde, die Brust zu geben wahrlich praktisch und die motivierte Still-Newcomerin denkt sich: "Das kann ja wirklich nicht so schwer sein!" Stimmt. Stillen gehört definitiv zu den natürlichsten Dingen der Welt und es gibt kaum Gründe, warum es nicht klappt.
Doch leider ist es auch zutreffend, dass viele Frauen das Stillen anfangs unangenehm finden. Es dauert ein Weilchen, bis das intensive Saugen des Babys toleriert wird, ohne mit der Wimper zu zucken.
Das Trinken an der Brust folgt einer von der Natur bestens ausgeklügelten Technik:
- Zunge, Kiefer und Wangen des Säuglings sind genau dafür geschaffen. Damit das Baby seinen Nacken problemlos überstrecken kann, sind die Speise- und Luftröhre flexibel und die Brustwarze (Mamille) kann tief im Schlund verschwinden. Es wird nämlich nicht nur an der Spitze genuckelt, sondern die Brust wird von der kräftigen Zunge regelrecht ausgemolken.
- Kleine Fettpölsterchen halten die Wangen dabei in der richtigen Position und verhindern, dass die kleinen Pausbäckchen einfallen.
- Die Lippen sollten ausgestülpt sein, wenn das Baby die Brust im Mund hat. Dann entsteht ein Unterdruck und das Baby saugt sich regelrecht fest.
- Auch die Atemwege des Kindes sind auf das Stillen abgestimmt: Beim Schlucken schließt der Kehldeckel, damit keine Milch in die Luftröhre gelangt und sich das Baby nicht verschluckt. Aus der Perspektive der Stillenden sieht ein gut angedocktes Baby oft fast so aus, als würde beim Trinken das Näschen im Busen versinken. Doch auch das hat die Natur gut eingerichtet: Die Falten zwischen der Stupsnase und den Lippen sind tief genug, so dass immer genügend Luft einströmen kann.
Wenn der Säugling nach der Mahlzeit nicht selbst loslässt, ist es wichtig, das entstandene Vakuum zu lösen. Dafür am besten mit dem eigenen kleinen Finger in den Mundwinkel fahren und nach oben ziehen. Versucht man die Brust nämlich einfach aus dem Mund zu ziehen, wird Gewebe verletzt und die nächsten Mahlzeiten werden zu einem sehr einseitigen Genuss.
Was tun bei wunden Brustwarzen?
Wenn beim Anlegen alles genau passt, geht das Stillen meist gut. Doch schon die kleinste Unstimmigkeit, wie ein unruhiger Tag, der zum Dauernuckeln führt, eine sehr volle Brust, an der nicht gut angedockt werden kann, oder ein ungelöstes Vakuum können zu wunden Brustwarzen führen. Sie sind einer der häufigsten Gründe dafür, dass Frauen das Stillen frühzeitig beenden. Denn Schmerzen führen über kurz oder lang dazu abzustillen, auch wenn die sechs Monate Mindeststilldauer, die die WHO empfiehlt, noch nicht erreicht sind.
- Von wunden Brustwarzen wird gesprochen, wenn es Verletzungen an der Mamille gibt. Sie können mit oder ohne Infektionen auftreten und ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild haben. Manchmal zeigen sich Hautabschürfungen, Fissuren, Rhagaden, Ödeme oder Hämatome.
Die medizinische Leitlinie zur Therapie wunder Mamillen ist mittlerweile in die Jahre gekommen und wird gerade überarbeitet. Wir haben sie uns dennoch zur Brust genommen und nach Mitteln gesucht, die Linderung bringen. Leider lässt sich zu keiner gängigen Empfehlung eine ernsthafte Nutzen- und Schadeneinschätzung geben. Es gibt schlichtweg zu wenig Daten und Studien:
- So weiß man nicht sicher, ob das Auflegen von Brustkompressen – Hydrogel-Kompressen oder Salbeitee-Beutelauflagen – zur feuchten Wundheilung tatsächlich hilft.
- Selbst Hightech-Behandlungen mit Soft-Laser liefern nicht genug Fakten, um mit voller Überzeugung den Pointer auf die Brust zu richten.
- Experten sind sich aber darin einig, dass auf den Einsatz von Brusthütchen zur Therapie wunder Brustwarzen verzichtet werden kann und dass Hygiene sehr wichtig ist.
- Die subjektive Erfahrung vieler Frauen legt zudem nahe, Muttermilchreste eintrocknen und Luft an die Haut zu lassen.
- Auch mit Lanolin aus der Apotheke, das die Brustwarze geschmeidig hält, mit Wäsche aus Naturfasern oder Stilleinlagekonstruktionen zur Schonung der Mamillen kann man nichts falsch machen.
- Obwohl es keine Belege für die Wirkung gibt, kann es sicher nicht schaden, mehrere Stilleinlagen übereinanderzustapeln und in der Mitte kreisrund auszuschneiden. Die Stilleinlagen werden dann mit Verbandsmaterial verbunden und schon ist der sogenannte "Wiener Brustdonut" gebastelt. Auf diese Weise wird die Brustwarze keiner Reibung durch Wäscheteile ausgesetzt und kann in Ruhe heilen.
Säuglinge sind Busenfans
Da es wenig wirksame Abhilfe gibt, wenn die Brustwarzen erst einmal wund sind, sind eine gute Stilltechnik und die Wahl der richtigen Stillposition entscheidend für eine schmerzfreie Stillzeit. Um dieses Handling zu erlernen, braucht es ein bisschen Übung und im besten Fall fachkundige Hilfestellung durch eine Hebamme oder Stillberaterin. Denn die Zeiten der Großfamilie, in denen man sich die Stilltechnik ganz selbstverständlich bei anderen Frauen abschauen konnte, sind leider vorbei.
Stillexpertinnen achten darauf:
- ob das Baby in der richtigen Achse zur mütterlichen Brust liegt,
- ob der Mund weit genug geöffnet ist,
- ausreichend Brustgewebe erfasst wird,
- die Lippen "großmäulig" ausgestülpt sind
- und welche Bewegungen die Zunge beim Saugprozess macht.
Gut ist es, wenn mit Leichtigkeit zwischen verschiedenen Stillpositionen gewechselt werden kann. Die meisten Babys wissen, wie Stillen funktioniert. Nicht umsonst sprechen wir von Säuglingen. Ihre Mission ist es, an Mutters Brust zu saugen, um gut zu gedeihen und all den Aufgaben gewachsen zu sein, die das Leben bereithält.
Autorin
Katharina Wallner ist Hebamme, Pädagogin und freie Journalistin. Sie betreut Familien in der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett. Außerdem unterrichtet sie seit 2014 an der Fachhochschule FH Campus Wien im Studiengang Hebammen.