Die 16-jährige Nachbarin, die Abends für zwei, drei Stunden auf den schlafenden Nachwuchs aufpasst, während Mama und Papa entspannt ins Kino gehen: das war einmal. Babysitting 2022 schaut meist anders aus. Wir haben mit Karin Hackstock, Gründerin und Eigentümerin der „Babysitterei“, gesprochen und mehr über aktuelle Entwicklungen erfahren.
Wer braucht Babysitter-Dienste?
Babysitter unterstützen Eltern dabei, ein wenig gemeinsame Zeit außerhalb der eigenen vier Wände, jenseits von Windeln und Fläschchen, zu verbringen: Das ist seit Jahrzehnten gelebte Realität und für viele nach wie vor die erste Assoziation. Karin Hackstock von der Vermittlungsagentur „Babysitterei“ weiß jedoch: „Heute geht es beim Babysitting vor allem darum, Lücken zwischen den nachmittäglichen Öffnungszeiten von Kindergarten [&] Co. und den Arbeitsstunden der Eltern zu schließen.“
Nicht immer liegt der Grund darin, dass Kinderbetreuungseinrichtungen (zu) früh schließen: „Auch wenn viele Kinderkrippen und -gärten bis 17 oder 18 Uhr geöffnet haben, wird ein Großteil der Kinder viel früher abgeholt. Es gibt durchaus einen gewissen Druck bzw. eine Stigmatisierung nach dem Motto: ‚Die anderen sind alle schon spätestens um 15 Uhr daheim.‘ Das wollen viele Eltern nicht und engagieren Babysitter, um diese Zeit zu überbrücken.“
So sucht tatsächlich ein Großteil der Klientel von Karin Hackstocks Agentur Babysitter, die Kindergarten- oder Schulkinder abholen und den Nachmittag mit ihnen verbringen, spielen, Schulaufgaben erledigen, manchmal auch leichte Hausarbeiten erledigen. „Gerade jetzt, wo die Teuerung zuschlägt, merken wir, dass Frauen, die bis dato Teilzeit gearbeitet haben, mehr Stunden im Job anstreben und Familien Babysitting als Teil ihres Betreuungsnetzwerkes dringend brauchen“, so Hackstock: „Ein bis drei Nachmittage pro Woche, dazu vielleicht noch zwei Abende pro Monat, so schaut der durchschnittliche Bedarf unserer Klientinnen und Klienten aus.“
Wer wird Babysitter(in)?
Die „Babysitterei“ sieht sich als Unternehmen, das beide Seiten zusammenbringt. Daher macht das Recruiting einen großen Teil des Alltages aus. Gesucht werden motivierte Frauen (und Männer), die volljährig sind und entweder eine einschlägige Ausbildung, etwa zur Kindergartenpädagogin bzw. zum Kindergartenpädagogen, oder Berufserfahrung im privaten Bereich, z. B. als Au-pair, mitbringen. Meist bewerben sich Studentinnen oder Pensionistinnen, die an einem anspruchsvollen Nebenjob interessiert sind. „Klassische Lebensläufe interessieren uns übrigens nicht“, erklärt Karin Hackstock. „Wir fordern Motivationsschreiben, um geeignete Kandidaten zu erkennen, und gehen in der Personalsuche sehr gründlich vor. Babysitter arbeiten meist geringfügig, es gibt aber auch Vollzeitstellen für Nannys.“
So aufwendig diese Art des Bewerbungsverfahrens ist, hilft sie doch dabei, Passgenauigkeit zu erzielen: „Familie haben bestimmte Vorstellungen, was eine Babysitterin können soll; es gilt ein Profil zu erstellen und gerade in diese Phase mehr Zeit zu investieren. Schließlich vertraut man seine Kinder einem Menschen außerhalb der Familie an und bauen wiederum die Kinder eine Beziehung auf: Das soll langfristig funktionieren.“
Aktuell kann die Personalvermittlerin den Markt in Wien, Graz und Salzburg abdecken, im ländlichen Raum ist es schwieriger: Hier greift laut Karin Hackstock nach wie vor eher die Nachbarschaftshilfe bzw. sind Familienmitglieder verfügbar. Schließlich muss das Gesamtpaket für Familie und Babysitter stimmen. Diese Wünsche und Anforderungen zusammenzubringen ist die Aufgabe von Karin Hackstock und ihrem Team. Hier helfen außerdem Checklisten aus dem Internet, denn niemand denkt an alle Details.
Kosten
Der Weg über eine Agentur hat seinen Preis, kann jedoch vor unliebsamen Überraschungen bewahren.
„Es kann durchaus gelingen, über das Internet, Social Media oder Inserate eine tolle Babysitterin zu finden, aber im Grunde genommen wissen hier beide Seiten nicht, worauf sie sich einlassen„, möchte Karin Hackstock auch diese Methode nicht verdammen. „Unsere Gebühren für die Vermittlung sind moderat, den Stundenlohn selbst machen sich dann die Klienten mit den Babysittern direkt aus, die Bezahlung läuft nicht über uns.“
Was die wenigsten wissen: Es gibt einen gesetzlichen Mindeststundenlohn, der jährlich angepasst wird und im Moment 13,97 Euro (2022) beträgt. „Dies sollte die Untergrenze sein, alles andere ist nicht in Ordnung, schließlich haben Eltern ja auch hohe Anforderungen an die Qualität einer liebevollen Betreuung. In Wien liegt der marktübliche Preis im Moment ohnehin bei rund 15 Euro pro Stunde (2022). Am einfachsten ist übrigens die Abwicklung über einen Dienstleistungsscheck, was mittlerweile online völlig unkompliziert erledigt werden kann. Damit ist die Dienstnehmerin – die Babysitterin – unfallversichert. Den Eltern muss bewusst sein, dass sie als Dienstgeber agieren und in diesem Sinne Verantwortung übernehmen. Wer Ansprüche hat, muss fair entlohnen“, erklärt Karin Hackstock.
Was sonst noch wichtig ist
Grundsätzlich vermittelt die „Babysitterei“ Betreuung für Kinder ab dem 6. Lebensmonat.
„Wir haben aber bemerkt: Je jünger das Kind, desto schwieriger wird es, eine geeignete Babysitterin mit genügend Erfahrung für dieses Alter zu finden. Ab einem, eineinhalb Jahren funktioniert es meistens, ist es vorher gewünscht, muss probiert werden. Klappt es nicht, verschiebt man den Start besser um ein paar Monate, auch das ist in unserer Agentur möglich. Es soll den betreuten Kindern schließlich gut gehen. Allgemein sagt uns die Erfahrung jedoch, dass Kinder, die bereits Babysitter hatten, besser für den Einstieg in Krippe und Kindergarten gerüstet sind“, so Hackstock.
Und schließlich liegt vieles an den Eltern: Finden sie die Babysitterin sympathisch, können sie ihr vertrauen oder sind sie selbst noch nicht so weit? Dann werden Nervosität und Unsicherheit wohl auf den Nachwuchs übergreifen, und die beste Devise lautet: Geben wir uns noch ein wenig Zeit.
Autor:in:
Zur Person Mag.a Mirjam Dauber ist Lehrerin, freie Journalistin und Rezensentin. https://blaetterwald.at/ Aktuelle Artikel