Wie konnte man in Zeiten, da es noch keine DNA-Analyse gab, eine Vaterschaft zumindest ausschließen? Und wie kann es sein, dass eine Mutter tödliche Antikörper gegen ihr eigenes ungeborenes Kind entwickelt? Die Antworten auf diese Fragen liegen uns im Blut. Denn Blut ist ein ganz besonderer Saft mit vielen Eigenschaften …
Bereits um 1900 machte ein Österreicher eine bahnbrechende Entdeckung: nämlich dass Blut nicht gleich Blut ist, sondern über verschiedene Eigenschaften verfügt. Auf Karl Landsteiner geht auch die Einteilung der Blutgruppen in das sogenannte AB0-System zurück; dafür erhielt er 1930 den Nobelpreis.
Das System – das am weitesten verbreitete von mehreren Dutzend Blutgruppensystemen – basiert auf den Antigen-Merkmalen der roten Blutkörperchen, das heißt:
- Bei Menschen mit Blutgruppe A ist das Antigen vom Typ A – und sind damit Antikörper gegen B – auf den roten Blutkörperchen vorhanden
- Bei Menschen mit Blutgruppe B das Antigen vom Typ B.
- Menschen mit der Blutgruppe AB haben beide Arten von Antigenen
- jene mit Blutgruppe 0 hingegen keine.
Diese Erkenntnisse sind speziell für die Bluttransfusion von zentraler Bedeutung.
Kann ein Kind eine andere Blutgruppe als seine Eltern haben?
Jeder Mensch besitzt zwei Blutgruppenmerkmale, eines vom Vater und eines von der Mutter. Jeder Elternteil vererbt wiederum eines seiner beiden Merkmale weiter, woraus sich neun verschiedene Kombinationen – also etwa AA, AB oder A0 etc. – ergeben. Nun werden aber die Merkmale A und B dominant gegenüber 0 vererbt.
Ein Beispiel: Ist die Blutgruppe der Mutter mischerbig A (also A0) und jene des Vaters mischerbig B (also B0), dann kann das gemeinsame Kind jede mögliche Blutgruppe aufweisen: A (hier: A0), B (hier: B0), AB oder auch 0. Das erklärt, warum Kinder oft eine andere Blutgruppe als ihre Eltern haben – schließlich spielen da noch die Blutgruppen der Großeltern hinein. Umgekehrt werden Eltern, die beide 0 haben (was immer reinerbig 00 ist), niemals ein Kind der Blutgruppe A, B oder AB zeugen. Diese Vererbungsregeln wurden früher angewendet, um eine Vaterschaft in manchen Fällen zumindest ausschließen zu können.
Der Rhesusfaktor
Beim Rhesusfaktor handelt es sich um eine weitere Bluteigenschaft, die besonders in der Schwangerschaft oder bei Bluttransfusionen von Bedeutung ist.
Laut Rotem Kreuz sind in Österreich 84 von 100 Menschen rhesuspositiv, das bedeutet, dass sie das Rhesus-Antigen (D) besitzen. Bei den übrigen 16 wird durch eine sogenannte Deletion die Antigen-Bildung verhindert: Sie sind rhesusnegativ.
Bei der Vererbung kommen neuerlich die Erbregeln ins Spiel, denn wie bei der Blutgruppe spielen auch hier zwei Gene eine Rolle: eines von der Mutter und eines vom Vater. Ist eine Frau rhesusnegativ (dd), ihr Partner hingegen rhesuspositiv, kann das gemeinsame Kind auch rhesuspositiv sein – dann nämlich, wenn der Vater nicht reinerbig (DD), sondern mischerbig (Dd) ist.
- In der ersten Schwangerschaft spielt das keine besondere Rolle. Allerdings kommt es im Verlauf der Geburt häufig zum Blutaustausch von Mutter und Kind. Daraufhin bildet der Körper der Mutter Antikörper gegen die rhesuspositiven Blutzellen des Kindes.
- Ist die Mutter später neuerlich mit einem rhesuspositiven Kind schwanger, reagieren diese Antikörper auf das ungeborene Kind und zerstören sein Blutsystem. Die möglichen Folgen: eine Fehlgeburt, mitunter schwere, bisweilen gar tödliche Organ- und Hirnschäden beim Ungeborenen, manchmal aber auch „nur“ eine schwere Neugeborenen-Gelbsucht.
AB0-Blutgruppen-Häufigkeiten
Rhesusprophylaxe löst alle Probleme
Eine mögliche Rhesusunverträglichkeit wird schon in der Frühschwangerschaft im Rahmen der 1. Eltern-Kind-Pass-Untersuchung routinemäßig mittels Antikörper-Suchtest abgeklärt. Nur wenn die Mutter rhesusnegativ und der Vater rhesuspositiv ist, ist eine Rhesusunverträglichkeit möglich – umgekehrt besteht kein Risiko! Damit erst gar keine Unverträglichkeitsreaktion eintritt, erhalten alle rhesusnegativen Mütter während der Schwangerschaft und nach der Geburt eine „Anti- D-Immunglobulin“-Spritze. Dank dieser „Rhesusprophylaxe“, die üblicherweise in der 28. bis 30. Schwangerschaftswoche erfolgt, produziert der mütterliche Körper dann keine Antikörper, eine Rhesusunverträglichkeit wird verhindert.
Die Spritze: Nicht in jedem Fall notwendig!
Noch geht die Medizin hierzulande auf Nummer sicher und lässt allen rhesusnegativen Müttern eine Rhesusprophylaxe zuteilwerden – obwohl deren Kinder auch rhesusnegativ sein könnten und damit nicht gefährdet wären.
Das könnte in Zukunft obsolet sein. Denn inzwischen wurde ein gänzlich risikoloses Verfahren entwickelt, um die DNA des Ungeborenen aus dem Blut der Schwangeren zu isolieren. Die lässt sich dann im Labor nicht nur auf das Geschlecht, sondern auch auf den Rhesusfaktor untersuchen – mit einer 99,8-prozentigen Sicherheit. In Deutschland hat sich der Bluttest zur Bestimmung des kindlichen Rhesusfaktors bereits als Kassenleistung durchgesetzt, in Österreich heißt es noch: bitte warten!
Blut
Neben der Blutgruppe und dem Rhesusfaktor weist Blut noch andere Merkmale auf, die vor allem bei Transfusionen eine Rolle spielen – etwa den Kell-Faktor. In manchen Ländern glaubt man gar an eine umfassendere Bedeutung der Blutgruppe.
In Japan etwa werden jeder Blutgruppe, ähnlich den Sternbildern, besondere Charaktereigenschaften zugeschrieben. Partnervermittlungsagenturen auf Blutgruppenbasis boomen dort. Wissenschaftlich gibt es dafür indes keine Belege.
Erforscht ist aber, dass die Blutgruppe besonders anfällig für oder auch resistent gegen manche Krankheiten machen kann. So sollen Menschen mit der Blutgruppe 0 widerstandsfähiger gegen gewisse Infektionen wie etwa Malaria sein – tatsächlich kommt diese Blutgruppe im afrikanischen Raum gehäuft vor. Und auch an COVID-19 erkranken sie, so breit angelegte Studien, seltener als Menschen mit den Blutgruppen A, B oder AB. Welche Bedeutung die Blutgruppe für unsere Gesundheit und unser Leben hat, ist noch Gegenstand der Forschung. Wir dürfen gespannt sein, welche Geheimnisse unser Blut noch birgt!
Autor:in:
Eva Sorantin ist Chefredakteurin von NEW MOM & all4family, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn sie nicht…