Wenn die Kinder gesund und glücklich sind, bin ich es auch!“, geben Mütter gerne zu Protokoll. „Super Sache“, denkt sich die unbeteiligte Gesellschaft und hofft insgeheim, dass den Powerfrauen niemals die Kraft ausgeht. Was brauchen denn Mütter sonst noch, um glücklich zu sein? „NEW MOM“ hat gewagt, genauer nachzufragen, und kommt zu dem Schluss: Eine gute Portion Egoismus ist durchaus gesund!
Wenn Maria einmal in der Woche in ihrem Lieblingscafé sitzt, genüsslich einen Cappuccino trinkt und Zeitung liest, fühlt sie sich frei, glückselig und ein bisschen „retro“: Das Café kennt die Mittvierzigerin noch aus ihrer Studienzeit. Hier hat sich wenig verändert. Die Bilder an den Wänden sind gleich geblieben, das Mobiliar auch. Nur den Zahn der Zeit sieht man den Tischen und Sesseln ein wenig an, und der Oberkellner, ein alter Bekannter aus Marias Sturm-und-Drang-Jahren, steht nun knapp vor der Pensionierung.
Im Leben der ehemaligen Germanistikstudentin hat sich hingegen sehr viel verändert. Sie hat mittlerweile zwei große Söhne und mit Emil und Emma zwei Nachzügler am Start. „Große Söhne“ ist zugegebenermaßen eine salonfähige Umschreibung für pubertierende Jugendliche. Der 17-Jährige lernt gerade für die Matura, der 15-Jährige braucht viel Motivation seitens der familiären Entertainerin, um seinen Blick von der Spielekonsole zu nehmen, und Emil und Emma tanzen derweil durch die Wohnung, reißen sich an den Haaren und finden Baden doof. „Nicht nur Baden“, ergänzt Maria und lehnt sich erschöpft zurück. Für Maria sind das Wohl und die Gesundheit ihrer Familie natürlich das Allerwichtigste. Aber ein entspannter Abend ohne Kinder gemeinsam mit ihrem Mann, einmal durchschlafen können und am Sonntag einfach im Bett liegen bleiben: Das trägt ebenfalls in höchstem Maße zu Marias Glück bei.
Ein erster Schritt
Barbara kommt abgehetzt zur Yogastunde. Doch sie hat es geschafft, rechtzeitig da zu sein. Als sie sich erleichtert und glücklich auf die Matte sinken lässt, meint die vierfache Mutter fast ein wenig ungläubig: „Ich kann es gar nicht glauben, dass ich nun eineinhalb Stunden Zeit nur für mich habe!“ Barbara hat drei Töchter und einen Sohn, eine entzückende Rasselbande. Hübsche, gesunde und sehr fröhliche Kinder, die viel und gerne miteinander spielen und sich nicht allzu viel streiten. Eine Bilderbuchfamilie sind sie, die Kuchers, und dennoch rutscht der jungen Frau manchmal die rosarote Brille von der Nase und sie sieht sich am Rande der Erschöpfung. Nun hat sich Barbara endlich Freiraum schaffen können und gönnt sich einmal in der Woche eine Yogastunde. Der erste Schritt zur Selbstfürsorge ist damit getan. Barbara will die stark strapazierten Energiereserven für ihren 24/7-Job nach und nach wieder auffüllen.
Privileg Oma
Wenn Sophie frisch und froh durch den Wald läuft, hat sie schon Frühstück für ihre vierköpfige Familie gemacht, die Kinder in den Kindergarten gebracht und einen Großeinkauf erledigt. Meistens kann sie es gar nicht fassen, dass nun sie an der Reihe ist, ihrem Bedürfnis nachzukommen. „Ich hab großes Glück, dass mir meine Mutter hilft. Sie ist seit drei Jahren in Pension und holt ihre Enkelkinder zweimal in der Woche aus dem Kindergarten ab. Dann hab ich nach der Arbeit noch Zeit, etwas für mich zu tun. Ich gehe laufen, mache einen großen Spaziergang oder treffe mich mit einer Freundin. Dieses Privileg zu haben macht mich sehr glücklich, und ich bin meiner Mutter unendlich dankbar für ihre Unterstützung
Kompatibilitätsproblem
Annas Zwillingsmädchen sind nun ein halbes Jahr auf der Welt und gedeihen prächtig. „Im Moment genügt es mir, wenn mich eines unsere zwei Butzis anlacht. Da wird mir ganz warm ums Herz und ich bin einfach nur glücklich!“, schwärmt die Neomama. Obwohl sie sich allen Herausforderungen doppelt stellen muss und es manchmal scheint, als hätte sie nur halb so viel Zeit dafür, geht sie gänzlich in ihrer neuen Aufgabe auf. Aber auch Anna hat einen Wunschzettel. Wenn sie wieder in den Beruf zurückkehren möchte, braucht sie flexible Arbeitszeiten und zwei Kindergartenplätze. Beides nicht selbstverständlich, nicht ausreichend verfügbar und damit oft ein ganz schön großer Stolperstein fürs Glück.
Dogmen versus Deals
„Halleluja, das ist ein Frage“, stöhnt Sabine, nach dem Glück einer Mutter befragt. „Wäre die Zeit für Kindererziehung gesellschaftlich anerkannter und ließen sich die Stunden, die in Haushalttätigkeiten investiert werden, in ein Gehalt umrechnen, würde unsere Gesellschaft sicherlich mehr Wertschätzung für uns Mütter bereithalten.“ Leider belächelt oft sogar der eigene Partner die Leistungen seiner Frau, die mit dem Nachwuchs zu Hause bleiben. Sabine ist überzeugt, dass dies zu Perfektionismus führen kann: Der Haushalt muss tipptopp sein, das Essen pünktlich auf dem Tisch stehen und das Kind in den Förderwahn getrieben werden. Als moderne Frau zeigt Sabine diesen Dogmen die kalte Schulter und versucht mit ihrem Mann faire Deals auszuhandeln. Ihre Alltagsstruktur bietet beiden Elternteilen eigene Freiräume, aber auch kinderfreie gemeinsame Zeit, um ihre Partnerschaft zu leben. Denn Sabine weiß: „Sex, ohne die Kinder im Zimmer zu haben, wird ebenso zu einem Highlight wie in Ruhe und alleine auf die Toilette gehen zu können. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal am Klo war, ohne dass plötzlich ein Zwerg in der Türe stand und einen Wunsch auf den Lippen hatte.“
Tankfüllung gefragt
Karin antwortet auf die Frage nach dem vollkommenen Glück ganz rasch und „sozial erwünscht“: Sie gerät über gesunde, wohlerzogene Kinder und genügend Zeit mit der Familie ins Schwärmen und beschreibt ein Idyll, dem sich kaum jemand entziehen würde: „Glück ist, die Zeit mit den Kids und dem Partner zu genießen.“ Karin gibt auch zu, dass sie viel glücklicher und gelöster ist, wenn sie den Druck von außen ausblenden kann: „Immer wenn ich meinem Bauchgefühl gefolgt bin und mich und meine Kinder nicht mit anderen verglichen habe, konnte ich meine Entscheidungen sehr gut vertreten und konsequent verfolgen. Diese Stärke zu spüren hat mir sehr gut getan.“ Doch auch auf Karins Glücksparameter sind ihre ganz persönlichen Bedürfnisse anzutreffen – zum Glück. Denn sich selbst wertzuschätzen ist wichtig und überaus gesund. Seine eigenen Tanks regelmäßig aufzufüllen ist unumgänglich, um genug Kraft, Energie und Freude für diesen verantwortungsvollen Vollzeitjob zu haben.
7 Tipps, wie sich Mütter Freiräume schaffen
- Gerade in der Stillzeit kommt bei vielen Müttern das Gefühl auf, dass sie gar keine Freiheit mehr haben. Da kann es sehr entlastend sein, abzupumpen und gelegentlich jemanden anderen das Baby füttern zu lassen.
- Beginnen Sie früh damit, sich auch außerhalb der Familie ein Netz helfender Hände aufzubauen.
Eine Reinigungshilfe für den Großputz, eine nette Babysitterin oder die Leihoma sind wertvolle Helfer und können zu wahren Perlen werden. - Mütter-Kooperation: An einem Tag holt eine Mutter das eigene Kind und ein Gastkind aus dem Kindergarten ab, und am nächsten wird getauscht. Zwei Mütter, jeweils ein freier Tag und Kinder, die Spielgefährten haben. Na, wenn das keine Win-win-Situation ist?
- Lassen Sie Ihren Mann am Nachhauseweg vom Büro den Einkauf erledigen. Das spart Ihnen Zeit, und er kommt nach dem stressigen Arbeitstag ganz rasch auf andere Gedanken.
- Wenn Sie kochen, um Ihren Liebsten Selbstgemachtes aufwarten zu können, machen Sie gleich die doppelte Menge. Der Aufwand bleibt nahezu gleich, und Sie legen einen wertvollen Vorrat an, auf den Sie jederzeit zurückgreifen können.
- Bilden Sie Fahrgemeinschaften mit solidarischen Müttern, bevor Sie alle wertvolle Zeit auf der Straße liegen lassen.
- Integrieren Sie die Kinder in einen Verein. Im Vereinsleben stehen Spaß, Spiel, Sport oder Natur auf der Tagesordnung. Vertrauenswürdige Vereine legen viel Wert auf gute Jugendarbeit, und manchmal stehen sogar Kurzurlaube für die Kids auf dem Plan. Die Kinder fiebern dem Camp entgegen, und Sie können schon mal mit einem Wellnesswochenende liebäugeln.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel