Welcher Geburtstyp bin ich?
Kinder auf die Welt zu bringen ist kein Kinderspiel und die Wahl des passenden Ortes ein ganz entscheidender Faktor für das Wohlbefinden. Hausgeburt, Geburtshaus oder Klinik – wo und wie entbinden?
So unterschiedlich Menschen wohnen und Urlaube planen, so verschieden ihre Essensvorlieben sind, so individuell sollte auch die Entscheidung getroffen werden, wo ihr Kind auf die Welt kommt. Schließlich geht es bei einer Geburt darum, sich vertrauensvoll hingeben, sich öffnen und über die eigenen Grenzen gehen zu können.
Emma zum Beispiel ist in den vergangenen sieben Jahren vier Mal umgezogen, hat drei Kontinente bereist und ihren sicheren Job in einer Agentur aufgegeben, um sich selbstständig zu machen. Ihre Freunde beschreiben die flippige Mittdreißigerin als kreativ, weltoffen und unerschrocken. Sie selbst kennt ihre Ängste gut, und weil sie auf Reisen oft auf sich selbst gestellt war, weiß sie genau, was sie braucht, wenn es unbehaglich wird oder Ängste und Nervosität aufkommen. Für die Geburt ihres Kindes hat sich Emma immer eine Hausgeburt gewünscht. In heimeliger und vertrauter Umgebung zu entbinden war für sie die schönste Vorstellung und das Normalste auf der Welt. Ihre komplikationslose Schwangerschaft und Vorgeschichte hätten die perfekten Voraussetzungen für eine Hausgeburt geboten … wäre da nicht Frank!
Der werdende Vater bekam kalte Füße, für ihn war die Geburt in den eigenen vier Wänden keine Option. Er fürchtete, dass es im Falle einer brenzligen Situation zu lange dauern würde, ins Krankenhaus zu kommen.
Beratung in einem Hebammenzentrum
Nach einigen Diskussionen haben Emma und Frank ein Treffen mit der Hebamme vereinbart, um Alternativen zur Hausgeburt zu besprechen. Um in einer Atmosphäre ähnlich wie zu Hause zu entbinden, bot sich ein Geburtshaus oder eine Hebammenpraxis an.
- Auch dort ist das Ambiente kaum medizinisch geprägt,
- es sind weniger Interventionen als in einer Klinik zu erwarten,
- und eine 1:1-Betreuung gehört in den meisten Fällen zum Prinzip.
Die individuelle Begleitung durch eine Hebamme oder ein kleines Hebammenteam beginnt bei solchen Alternativen schon in der Schwangerschaft und wird üblicherweise bis in die Zeit des Wochenbettes fortgeführt. Das schafft Vertrautheit.
Ambulante Entbindung
Viele Frauen möchten „ihre“ Hebamme bereits vor der Geburt kennenlernen. Daher geben einige Krankenhäuser die Möglichkeit, mit der eigenen Hebamme zur Geburt ins Krankenhaus zu kommen.
Wer dort nicht lange bleiben möchte, plant am besten eine ambulante Entbindung und geht bereits ein paar Stunden danach wieder nach Hause. Auf diese Weise lässt sich das Bedürfnis nach einer Klinikgeburt mit der Geborgenheit des häuslichen Wochenbetts optimal verbinden. Die wichtige und schöne erste Zeit mit dem Neugeborenen kann ohne Störungen durch den Krankenhausalltag im Kreis der Familie erlebt werden.
- In den ersten fünf Lebenstagen ist täglich eine Hebammenvisite vorgesehen, die Krankenkasse sieht bei Bedarf noch weitere sieben Besuche bis zur achten Lebenswoche vor.
In der Klinik ist vieles möglich
Nina ist Emmas beste Freundin und ihr komplettes Gegenteil. Seit Jahren arbeitet sie in einem kleinen Familienbetrieb, und wenn Urlaub auf dem Plan steht, reist sie nach Kroatien an einen Strand, an dem sie schon als Kind gespielt hat. Nina braucht viel Sicherheit und hat großes Vertrauen in die Schulmedizin. Eine Geburt im Krankenhaus stand für sie schon mit dem positiven Schwangerschaftstest fest.
Die Verfügbarkeit aller medizinischen Möglichkeiten und die enge Zusammenarbeit mit einem Ärzteteam waren die wesentlichsten Kriterien für Ninas Entscheidung. Darin war sie sich von Anfang an auch mit ihrem Ehemann einig, obwohl ihr aus gesundheitlichen Gründen so wie Emma alle Wege offen gestanden wären.
- Anderes gilt bei Risikoschwangerschaften, bei denen das Krankenhaus der richtige Ort für die Entbindung ist. Denn eine intensivere medizinische Überwachung und mitunter wichtige Eingriffe können nur im Krankenhaus gewährleistet werden.
Vom Bauchgefühl geleitet
Jeder geht im Leben seinen eigenen Weg. Auch die Entscheidung, wo ein Baby das Licht der Welt erblicken wird, ist letztlich eine zutiefst emotionale und individuelle – Klischees haben dabei keinen Platz. Nicht jede Sicherheitsfanatikerin wird sich also für eine Klinikgeburt entscheiden und nicht jede „Prinzessin“ in der Privatklinik auf dem Plüschsofa niederkommen. So läuft auch nicht jede Frau in bunten Latzhosen schnurstracks ins nächste Geburtshaus oder entbindet zu Hause in der Badewanne. Denn nicht Vorurteile wollen bestärkt oder entkräftet werden, wenn man danach trachtet, den besten Ort zu wählen, um ein Kind zur Welt zu bringen. Vielmehr leiten uns die Erfahrungen und – wann, wenn nicht jetzt! – unser Bauchgefühl an den passendsten Geburtsort.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel