Während einer vaginalen Geburt muss sich das Baby durch das mütterliche Becken und den Geburtskanal bewegen. Wie gut, dass es dabei den Dreh raushat!
In der Schwangerschaft schwimmen Babys im Fruchtwasser der Fruchtblase, umgeben von der Gebärmutter. Diese liegt im weiblichen Becken, das man sich wie einen kleinen Swimmingpool vorstellen kann, dessen Beckenrand aus den Knochen der Beckenschaufeln gebildet wird.
Der sogenannte Beckeneingang ist die erste knöcherne Struktur, an die sich ein Baby anzupassen hat, um in den Geburtskanal vordringen zu können. Im Lauf seiner Geburt muss es noch durch die Beckenmitte und den Beckenausgang. Dafür macht es mit seinem Köpfchen ausgeklügelte Dreh- und Beugebewegungen. Das passiert idealerweise kopfüber – in der günstigsten Variante, den Geburtsweg zu gehen. Auf diese Weise werden nämlich mit dem größten und festesten Körperteil des Kindes die Muskeln des mütterlichen Beckenbodens zur Seite geschoben und gedehnt.
Natürlich können Babys auch mit dem Popo voran in vielen Fällen problemlos vaginal geboren werden (Beckenendlagengeburt). Jedes 100. Kind legt sich allerdings gänzlich quer, also mit dem Köpfchen auf eine und mit den Füßchen zur anderen Seite, was eine vaginale Geburt unmöglich macht. Von außen sieht der Schwangerschaftsbauch der Mutter dann untypisch aus. Er reicht nur wenig über den Nabel und beult sich dafür seitlich mächtig aus.
Kinder, die bei Wehenbeginn quer zur Längsachse ihrer Mütter liegen, müssen immer mit einem Kaiserschnitt zur Welt kommen.
Das Andocken am Beckeneingang
Nun aber noch einmal zurück zum Eingang des weiblichen Beckens. Da es eine querovale Form hat, rutscht das Köpfchen am besten hinein, wenn es mit seinem querovalen Kopfdurchmesser dort andockt.
Am besten stellt man sich dafür einen Kopf bildlich vor. Er ist ja genau genommen nicht kugelrund, sondern – von der Stirn zum Hinterhaupt gesehen – lang und schmal. Diese Form passt zum mütterlichen Beckeneingang wie ein Schlüssel ins Schloss. Mit dem Rücken liegen Babys zu diesem Zeitpunkt übrigens auf einer Seite der Gebärmutter, und die Händchen und Füßchen werden meist einseitig stärker wahrgenommen. Der Druck des festen Kinderköpfchens auf die Harnblase treibt Schwangere rund um den Geburtstermin häufiger auf die Toilette, als es in der Schwangerschaft ohnedies oft der Fall ist. Auch die vielen kleinen Tritte in die Rippenbögen sind ein unmissverständliches Zeichen, dass der Platz langsam eng wird und die Zeit naht, auf die Welt zu kommen.
Der Geburtskanal
Wehe für Wehe wird der Muttermund (so nennt man den Gebärmutterhals während der Geburt) durch den Wehendruck aufgedehnt. Der Gebärmutterhals muss nämlich ganz offen – also etwa zehn Zentimeter weit – sein, damit das Baby in die Geburtswege vorgeschoben werden kann. Die mit etwa elf Zentimetern engste Stelle des Geburtsweges ergibt sich bereits am Beckeneingang aus der hervorspringenden Zwischenwirbelscheibe des untersten Lendenwirbels und des Kreuzbeines sowie der Innenseite des Schambeins.
Die imaginäre Linie dazwischen – genannt Conjungata vera obstetrica (lat. obstetrix bedeutet „Hebamme“) – ist der kleinste und damit aus Sicht der Geburtshilfe bedeutendste Durchmesser. Er ist ganz entscheiden dafür, ob das Köpfchen durch das Becken passen kann. Enger wird es tatsächlich nirgends mehr …
Dieses und andere Beckenmaße können bei anatomischen Auffälligkeiten oder bei geplanten Beckenendlagengeburten äußerlich mit einem Beckenzirkel vermessen oder mittels bildgebender Methoden wie des MRT erhoben werden.
- Hat das Baby den Beckeneingang passiert, wird es zur Beckenmitte geschoben. Diese Beckenhöhle ist der größte Raum und hat eine runde Form. Um perfekt hineinzupassen, muss das Köpfchen nun eine starke Beugebewegung machen. Das Baby zieht dafür das Kinn nahe an seine Brust, ergibt sich doch die runde Form aus seinem Hinterkopf. Umschließt man den Kopf mit den Daumen und Fingern von der Nackenhaargrenze bis zum Scheitpunkt, lässt sich die Form am besten erkennen. Es ist jene Stelle, an der religiöse Kopfbedeckungen wie der Pileolus oder die Kippa sitzen.
- Die Gebärende sollte in dieser Phase der Geburt immer wieder asymmetrische Positionen einnehmen. Sie könnte beispielsweise ein Bein auf einen Sessel stellen oder Treppen steigen. Denn wenn das Becken bewegt und diagonal verschoben wird, liegen die hineinragenden Knöchelchen der mütterlichen Sitzbeinstachel nicht stetig auf gleicher Ebene, und so wird die Passage vergrößert.
- Am Beckenausgang macht das Baby dann noch einmal eine Drehung und schlüpft mit dem Hinterköpfchen voran aus der Vagina.
- Nacheinander werden Hinterhaupt, Vorderhaupt, Stirn, Gesicht und Kinn geboren.
- Dann überstreckt das Baby den Kopf und stemmt sich mit seiner Nackenhaargrenze am Schambein ab. So kann es die letzte Kurve, rund um das Schambein, gut nehmen.
- Sobald der Kopf zur Gänze geboren ist, ist viel geschafft, und für die Gebärende lässt das starke Dehnungsgefühl am Damm langsam nach.
- Doch noch ist die Geburt nicht zu Ende: Die Schultern sind eine neuerliche Herausforderung. Ihre innere Drehung wird an einer äußeren des kindlichen Köpfchens sichtbar. Das Baby wendet sein Gesicht langsam zur Seite, während die Schultern im selben Moment in den längsovalen Beckenausgangsbereich rutschen. Nun muss eine Schulter nach der anderen um das Schambein rotieren und der ganze Körper des Neugeborenen mit der letzten Wehe aus der Scheide hinausgeschoben werden.
- Der erste Schrei des Babys ist sicher ein Jubelschrei, wenn man bedenkt, welche Meisterleistung es gerade hinter sich gebracht hat!
Die richtige Geburtsposition
Bei der Geburt ist der kindliche Kopf noch nicht verknöchert. So können sich die Schädelknochen leicht übereinander schieben. Möglich wird das durch bindegewebige Verbindungen, die sogenannten Schädelnähte. An diesen Nähten und den beiden Fontanellen – Knochenlücken, die durch das Zusammentreffen der Schädelnähte entstehen – orientieren sich Hebammen und Geburtshelfer bei der vaginalen Tastuntersuchung.
Sie geben Aufschluss darüber, wie sich das kindliche Köpfchen an das Becken angepasst hat und welche Gebärposition aufgrund der gegebenen Situation idealerweise eingenommen werden sollte.
Viele Positionen ermöglichen, dass die Schwerkraft ihre begünstigende Wirkung entfalten kann, das Becken weiter wird und die Gebärende ihre Kraft am besten einsetzen kann. Denn auch wenn das Baby den Dreh naturgemäß raushat, braucht es den vollen Einsatz seiner Mama, die bei der Geburt weit über sich hinauswachsen wird.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel