Bei der Geburt wirken verschiedene Gebärmuttermuskeln in Teamarbeit zusammen, um das Baby in pulsierenden Bewegungen durch den Geburtskanal und schließlich in die Welt zu befördern.
Spüren wir allerdings Stress und Angst, dann erreicht den Körper die Botschaft: „Hier ist es nicht sicher genug, um das Kind zu bekommen, wir vertagen auf morgen.“ Die Geburt wird verlangsamt oder ganz gestoppt. Die Gehirnfunktion, die das steuert, teilen wir – technischer Fortschritt hin, Evolution her – mit allen anderen Säugetiermamas.
Wir brauchen Ruhe, Privatsphäre und liebevolle Begleitung, um unsere Kinder zu bekommen. Stichwort Gehirnfunktion: Es ist wissenschaftlich belegt, dass auf jeden Gedanken, den wir haben – und es sind derer rund 60.000 am Tag -, eine chemische Reaktion folgt. Gesundheit oder Krankheit, einfache oder schwere Geburt: Das ist vor allem eine Konsequenz unseres inneren Dialogs. Dieses Gedankenkarussell zum Stillstand zu bringen, um Klarheit zu finden und den Dialog in die richtige Richtung zu lenken, braucht übung und die passenden Werkzeuge.
Übung, Wiederholung und Motivation
Tiefenentspannung und Meditation können gute Lösungen sein.
Gerade im entspannten Zustand ist unser Gehirn besonders aufnahmefähig dafür, Gedanken neu zu programmieren, die einen an das gewünschte Ziel bringen sollen. Allein: Sich eine schöne Geburt zu wünschen reicht nicht aus. Wie bei sportlichen Zielen braucht das Gehirn auch hier eine Art Training, um nicht sofort wieder in die alten Gewohnheiten zu verfallen. übung, Wiederholung und Motivation sind gefragt. Die Fähigkeit, sich zu entspannen, muss erst einmal trainiert werden. Aber das lohnt sich.
- Ist der Körper entspannt, werden Glückshormone ausgeschüttet, die 200 Mal stärker als Morphium sind! Diese Endorphine, unser körpereigenes Schmerzmittel, tragen auch zu einem tranceähnlichen Zustand bei. Entspannte Gebärmuttermuskeln und ein entspannter Muttermund können so ihre Arbeit optimal tun und Mutter wie Kind eine leichte Geburt ermöglichen. Ist das der Fall, unterscheidet sich der Geburtsvorgang nicht übermäßig vom Ausscheidungsvorgang des Darms. Beides braucht, um reibungslos zu funktionieren, ähnliche Bedingungen.
Der Angst Raum geben
- Angst und Stress haben unmittelbaren Einfluss auf den Geburtsverlauf: Wo Angst, ist auch der Schmerz nicht weit. Denn die chemische Reaktion auf Angst lässt die Gebärmuttermuskeln gegeneinander arbeiten, der Muttermund öffnet sich nur schwer.
Dem Schmerz und der Angst einen Raum zu geben – durch Meditation, Tiefenentspannung, therapeutische Unterstützung – kann im alltäglichen Leben, also auch in der Schwangerschaft, schnell Linderung verschaffen. Während der Geburt vermag die liebevolle Zuwendung des Partners und der Hebamme einen deutlichen Unterschied im Schmerzempfinden zu machen. Was tun wir denn, wenn Kinder Schmerzen haben? Wir trösten sie, wir streicheln und küssen sie, wir umsorgen sie nach allen Regeln unserer Mutterkünste. Gleiches darf auch eine gebärende Frau erfahren, die Schmerzen hat. Einfühlsames Fragen und liebevolle Ermutigung können weitaus zielführender sein als Vaginaluntersuchungen und CTG-Schreiben.
Geburt: Eine intensive Erfahrung
Beobachtet man Säugetiermamas während der Geburt oder auch gebärende Frauen in Naturvölkern, die noch im Einklang mit der Natur leben, so finden sich viele inspirierende Beispiele dafür, dass Geburt auch anders sein kann: wenngleich intensiv, so doch nicht unbedingt schmerzhaft. Diese Mütter leben aber auch im Einklang mit ihrem Körperempfinden. Für sie bedeutet eine intensive, vielleicht auch unangenehme Körperempfindung nicht gleich Schmerz. Die Geburt wurde von der Natur so konzipiert, dass sie möglichst komplikationslos, schmerzlos und kräftesparend stattfinden kann. Schmerz ist sicher auch eine Frage der Begrifflichkeit.
- Im Englischen heißt „schmerzfrei“ „painless“. „Less pain“ bedeutet „weniger Schmerz“. Schmerzfrei wird interessanterweise mit Nichts-Spüren oder Taubheit gleichgesetzt. Eine Geburt – selbst eine schmerzfreie Geburt – ist und bleibt eine sehr intensive körperliche, seelische und spirituelle Erfahrung. Hier kommt schließlich ein neues Wesen auf die Welt. Hier wird eine Mutter geboren. Die Geburt darf anstrengend und herausfordernd sein – sie muss aber nicht schmerzvoll sein. Jede Geburt, die eine Mutter erfahren darf, ist eine Chance, etwas über sich selbst zu lernen, über sich hinauszuwachsen und die eigene Kraft zu spüren – nicht unbedingt eine körperliche, muskuläre Kraft, sondern die innere Stärke. Wenn eine Frau der Gefahr unerträglicher Schmerzen entgehen will, nimmt sie sich auch die Chance, sich selbst in dieser Ur-Kraft zu erfahren.
Die Dunkelheit durchleuchten
Es heißt, dass wir auf die Weise, in der wir leben, auch gebären. Das zu hören mag unangenehm sein. In welchen anderen Bereichen des Lebens lassen wir über uns bestimmen? Wo lassen wir noch zu, dass unsere Grenzen überschritten werden? Wo sagen wir noch nicht genau, was wir wollen? Was wollen wir noch nicht spüren?
- Wir alle haben die Dunkelheit in uns. Kein Mensch ist angstfrei. Es geht um das Durchleuchten dieser Dunkelheit. Jede Angst bietet uns die Möglichkeit zur Veränderung. Alleine geht es oft nur sehr schwer. Jede Frau, die große Angst vor der Geburt hat, sollte sich Hilfe holen und ihre Angst auf allen Ebenen umarmen.
Autor:in:
Nina Winner, Birth-Coach und Mama-Mentor HypnoBirthing Kursleiterin. Aktuelle Artikel