Geburtserleichternde Positionen können dem Baby helfen, den einfachsten Weg in die Welt zu finden…. Gehen wir davon aus, dass das Baby bereits vor der Geburt alles auf den Kopf stellt – in erster Linie sich selbst: 94 von 100 Kindern bringen sich nämlich in der Gebärmutter mit dem Kopf nach unten in Stellung – die optimale „Pole-Position“ für eine vaginale Geburt. Die wenigen Kinder, die mit dem Popo voranliegen, stellen ihre Eltern vor die Aufgabe, sich ausführlich beraten zu lassen: nämlich, ob eine vaginale Geburt möglich oder ein Kaiserschnitt anzuraten ist. Nur etwa jedes 100. Kind legt sich gänzlich quer und gibt damit ein klares Statement gegen eine normale Geburt ab.
Geburtspositionen
Auf Intuition ist Verlass!
Liegend, hockend, auf den Knien? Je intuitiver man die Frau gewähren lässt, umso eher findet sie die passende Position.
Was aber ist mit der „passenden Position“ gemeint?
Jene, in der …
- … das Kind den leichtesten Weg findet, um alle notwenigen Dreh- und Beugebewegungen der Geburt machen zu können,
- … das Becken durchschnittlich ein bis zwei Zentimeter weiter wird und die Schwerkraft ihre begünstigende Wirkung entfalten kann,
- … Rückenschmerzen gelindert werden und eine aktive Unterstützung möglich ist,
- … die Atmung leichter und die Sauerstoffversorgung verbessert wird,
- … die uneingeschränkte Orientierung im Raum gegeben und die Ausschüttung von Endorphinen („Glückshormonen“) erhöht ist.
Fontanellen weisen den Weg
Der kindliche Kopf ist, um sich optimal an die Geburtswege anpassen zu können, bei der Geburt noch nicht verknöchert. Die Schädelknochen des Babys sind mit bindegewebigen Nähten verbunden. An den Schnittstellen entstehen die sogenannten Fontanellen. Geburtshelfern dienen sie bei der vaginalen Untersuchung als Orientierungshilfe: Sie geben Aufschluss darüber, wie sich das kindliche Köpfchen an das Becken angepasst hat und welche Gebärposition idealerweise eingenommen werden sollte.
Asymmetrische Positionen und Bewegungen
Dort, wo Sitzbeinstachel seitlich in das knöcherne Becken hineinragen, ist die engste Stelle des gesamten Geburtsweges. Nimmt die Gebärende eine asymmetrische Position (ein Bein wird auf einen Sessel gestellt) oder Bewegung (Treppensteigen) ein, dann liegen diese Knochenvorsprünge nicht mehr in einer Ebene. Das Baby bekommt somit mehr Platz auf seinem Weg durch diese neuralgische Stelle.
Vorn übergeneigte Positionen
Alles Leben ist Physik … Eines der wichtigsten physikalischen Grundgesetze, die Schwerkraft, lässt sich auch für die Geburt anwenden, und zwar in Form der vorn übergebeugten Position. Diese kann im Stehen, im Sitzen oder auf den Knien, in Knieellenbogenlage oder im Vierfüßlerstand eingenommen werden.
- In der Eröfffnungsperiode geht der Muttermund Zentimeter für Zentimeter auf. Die Schwerkraft wirkt in einer vorn übergebeugten Position stärker auf den Körper des Kindes. Das kindliche Köpfchen wird so besser in die Kreuzbeinhöhle gehebelt und steht im richtigen Winkel zum Beckeneingang.
- In der Übergangsperiode ist der Muttermund eröffnet, das Baby muss sich nun durch das Becken drehen und tiefer in den Geburtskanal treten. In der Knieellenbogenlage wirkt die Schwerkraft indes nicht mehr auf den Muttermund. Das kann von Bedeutung werden – dann nämlich, wenn das Köpfchen noch nicht die optimale Position eingenommen hat oder ein Rest des Muttermundes die Geburt noch verhindert. In dieser Position kann die Frau mit vorzeitigem Pressdrang besser umgehen!
- In der Austreibungsperiode, der letzten Phase der Geburt, lässt sich durch aktives Mitschieben die Wehenkraft verstärken. Meist braucht es keine oder nur eine geringe Pressanleitung, da der Leitdruck des Kopfes eindeutiger wahrgenommen werden kann.
Im Vierfüßlerstand ist der Beckenausgang vergrößert, der Damm wird optimal entlastet… eine sehr gute Geburtsposition, wenn ein großes Kind zu erwarten ist!
Hockende Positionen
Mit einem stabilen Stand am Erdboden wird nicht nur die Geburt zu einem selbstbestimmten Erlebnis, sondern auch die Beckenbeweglichkeit größer. Die Wehen werden effektiver genutzt, und die Schwerkraft tut das Ihre dazu. In der freien tiefen Hocke, im Hocken an der Sprossenwand oder mit Unterstützung eines Gebärhockers erreicht man eine Vergrößerung des Beckenausgangsdurchmessers. Wer sich zur Geburt hinhockt, verändert die Geburtsachse optimal und verkürzt den Geburtsweg.
Seiten- und Rückenlage
Auch horizontale Positionen haben durchaus ihre Berechtigung in der Geburtshilfe. Sie bieten eine sichere Lagerung nach Medikamentengabe oder bei schwachem Kreislauf. Müden Frauen helfen sie, sich in den Wehenpausen gut zu erholen. Und bei gezieltem Einsatz kann die Drehung des kindlichen Kopfes (durch Lagerung auf die Seite des kindlichen Rückens) günstig beeinflusst werden.
Aktiv gebären
Ob hockend, liegend oder kniend: Vertrauen, Intuition und Wissen können eine geburtshilfliche Situation schaffen, die Ihren Vorstellungen entspricht und die dem Baby einen guten Start ins Leben ermöglicht.
10 Tipps, womit werdende Väter aktiv unterstützen können
- Sanfte Berührungen sind die Sprache, die Gebärende am besten verstehen. Streichen Sie sanft über den Fußrücken Ihrer Partnerin, wenn sich ihre Zehen aufstellen oder einrollen.
- Eine zärtliche Berührung erinnert daran: nicht die Zähne zusammenbeißen, sondern die Wehe gewähren lassen!
- Nehmen Sie Ihre Frau an der Hüfte und schwingen Sie kreisend das Becken im Takt der Wehe.
- Tolerieren Sie, wenn Berührungen, die eben noch eine Wohltat waren, Sekunden später forsch abgewiesen werden. Nicht aufgeben und später erneut einen Versuch wagen!
- Achten Sie auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr Ihrer Partnerin. Eine Radfahrflasche ist das optimale Trinkgefäß während der Geburt: So kann in jeder Position getrunken werden, ohne etwas zu verschütten.
- Eine volle Blase nimmt dem Baby die Möglichkeit, tiefer zu rutschen. Erinnern Sie Ihre Frau daran, auf die Toilette zu gehen.
- Im Bereich der Lendenwirbelsäule werden Wehen häufig als sehr unangenehm empfunden – umso wohltuender wirkt eine Massage der sogenannten Michaelis-Raute. Sie lässt sich leicht finden, weil das rautenförmige Viereck oft durch deutliche Grübchen markiert ist.
- Achten Sie darauf, verbrauchte Luft gegen Frischluft auszutauschen.
- Sie sind ebenfalls lange auf den Beinen und unterstützen Ihre Partnerin tatkräftig. Vergessen Sie nicht aufs Essen und Trinken. Schließlich wollen Sie ja nicht zu den Vätern gehören, die im Kreißsaal umfallen, oder?
- Geben Sie Halt, Nähe und Sicherheit, indem Sie sich als „lebendes Sofa“ hinter Ihre Partnerin setzen. Das stärkt nicht nur sinnbildlich den Rücken!
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel