Was muss sich ändern, damit Eltern Haushalt, Erwerbsarbeit und Freizeit gerecht aufteilen? Ist die Vier-Tage-Woche eine Lösung, sind es Jobsharing und verkürzte Vollzeit? Und wo muss der Staat die Weichen stellen, damit Frauen für gleichwertige Leistung endlich gerecht bezahlt werden?
Frauen verdienen schlechter als Männer
Dass Frauen schlechter verdienen als Männer, hat erst mal nichts mit Teilzeit oder unbezahlter Care-Arbeit zu tun. Es ist einfach so. Frauen erhalten weniger Lohn – bei gleicher Qualifikation.
Aktuelle Zahlen enthüllen eine Lohnlücke von 12,4 Prozent. Das sind 45 Kalendertage, die Frauen rechnerisch unbezahlt arbeiten: Etwa 5.800 Euro bekommen sie damit im Jahr weniger. Hochgerechnet auf ein 40-jähriges Arbeitsleben geht frau damit eine Eigentumswohnung verloren. Gleichzeitig reduziert das die Pensionsbemessungsgrundlage. Daher sind Pensionen von Frauen im Schnitt um 41 Prozent oder 916 Euro geringer als jene von Männern.
„In den am schlechtesten bezahlten Branchen finden sich signifikant mehr Frauen, in den Führungsebenen finden wir zwei Frauen von zehn Personen im Vorstand“, so Rita Volgger, Präsidentin von Business & Professional Women Austria (BPW). Das BWP – Teil des internationalen Frauennetzwerks, das sich weltweit für Chancengleichheit einsetzt – betrachtet Equal Pay als Recht.
Um die Einkommensschere zu schließen, brauche es neben Verantwortung auf Unternehmerseite Gesetze und finanzielle Anreize für Firmen, die transparent und nachweislich gendergerecht entlohnen. Dass bei gleicher Leistung Frauen seit Jahren unfair bezahlt werden, macht wütend – oder sprachlos. Der bereinigte Gender Pay Gap reduziert sich im Schneckentempo pro Jahr um 0,26 Prozent.
Bereinigter versus unbereinigter Gender Pay Gap
Der unbereinigte Pay Gap vergleicht den Durchschnittsverdienst aller Frauen und Männer miteinander, unabhängig von Branche oder Karrierestufe.
Der bereinigte Pay Gap misst den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Lebensläufen. Strukturbedingte Faktoren sind hier also weitgehend herausgerechnet.
Besser verhandeln?
Oft ist der Vorwurf zu hören, Frauen verhandelten nicht hart genug für höhere Gehälter, seien also selbst schuld. Durchsetzungsvermögen passt aber keineswegs zur Rolle, die unsere Gesellschaft Frauen zuschreibt. Hier kommt die Rollenkongruenztheorie ins Spiel, nach der eine Gruppe positiv bewertet wird, wenn ihre Merkmale mit den typischen sozialen Rollen übereinstimmen. Konkret heißt das: Frauen, die auf den Tisch hauen und ihr gutes Recht einfordern, werden als unsympathisch erlebt und doch wieder nicht befördert.
Mit der „Abwertungstheorie“ wird die Arbeit von Frauen zudem ökonomisch entwertet. In der Realität heißt das: Drängen Frauen in einen Beruf oder eine Branche, oder arbeiten dort überdurchschnittlich viele Frauen, verdienen sie weniger als in klassischen Männerdomänen.
Die Herabsetzung weiblicher Arbeit beginnt übrigens schon bei der Lehre, wie ein Vergleich von (Einstiegs-)Gehältern für Bürokauffrau/-mann, Einzelhandel, Friseurin/Stylist versus Elektrotechnik, Metalltechnik und Kfz-Technik bestätigt.
Mütter trifft es besonders
Beträgt der Gender Pay Gap bei Berufseintritt durchschnittlich zwei Euro pro Stunde, steigt er bis zum Alter von 60 Jahren auf sechs Euro pro Stunde an. Ähnliche Zahlen kommen aus Deutschland: Dort nimmt der Verdienstunterschied ab Anfang 30 beständig zu.
Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes durchschnittlich rund 30 Jahre alt. Ab diesem Alter stagniert ihr Bruttostundenverdienst nahezu, während er bei den Männern mit dem Alter fast stetig ansteigt. Liegt es daran, dass Frauen familienbedingt häufiger ihre Karriere unterbrechen und in Teilzeit arbeiten? Karrieresprünge und Lohnerhöhungen bekommen sie damit jedenfalls eher nicht.
Während der unbereinigte Gender Pay Gap bei 30-jährigen Frauen noch rund acht Prozent beträgt, fällt er zwischen 57 und 61 Jahren mit 27 Prozent am höchsten aus.
Die Familiengründung benachteiligt Frauen also in mehrfacher Hinsicht.
- Während Frauen 18 bis 24 Monate in Karenz sind, bleibt nur ein Prozent der Väter sechs Monate oder mehr daheim.
- Zudem reduzieren Frauen nach der Karenz viel häufiger als Männer auf Elternteilzeit.
- Derzeit arbeiten 51 Prozent der Frauen und 74 Prozent der Mütter in Teilzeit.
- Bei den Männern ist es umgekehrt. 13 Prozent aller Männer, aber nur acht Prozent der Väter haben Teilzeitjobs.
„Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nur 27 Prozent der Frauen angeben, sich freiwillig für Teilzeit entschieden zu haben“, betont Petra Draxl, Vorständin beim Arbeitsmarktservice (AMS). Nur die wenigsten Mütter verfolgen ihre Karriere weiter, zumal sie meist nicht einmal mehr in die Funktion einsteigen, die sie vor der Babypause hatten. Das wirkt sich negativ auf ihren Berufsweg aus, aber auch auf ihren Wohlstand. Nicht zufällig ist Altersarmut ein zunehmend weibliches Problem. Mütter haben es ungleich schwerer als kinderlose Frauen. Aufgrund der Doppel- und Dreifachbelastung verlieren viele das Interesse an einer Karriere. Später tut es ihnen leid, dass sie ihre Träume nie verwirklicht haben. Der Kraftaufwand dafür ist für viele aber zu hoch.
Unbezahlte Care-Arbeit gerechter verteilen
Das Zurückstecken im Beruf zugunsten von Care-Arbeit bezahlen Mütter mit einer miesen Rente. Frauen leisten sogar dann mehr im Haushalt, wenn sie mehr Stunden arbeiten als ihre Partner. Sind sie im selben Ausmaß erwerbstätig, tragen sie gar 64 Prozent der unbezahlten Hausarbeit und Kinderbetreuung. Aber auch kinderlose Frauen übernehmen mit 3,32 Stunden pro Tag mehr unbezahlte Arbeit als Männer (2,14 Std./Tag).
„Gleichberechtigung muss in der Partnerschaft beginnen und darf nicht nur eine Lenkungsaufgabe des Staates sein“, mahnt Draxl. Die neue repräsentative Studie „Männerperspektiven. Einstellungen von Männern zu Gleichstellung und Gleichstellungspolitik“ gibt allerdings Hoffnung, dass sich Rollenbilder positiv verändern. Demnach befürworten mehr Männer eine paritätische Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit. Zwar sind immer noch 40 Prozent der Befragten der Meinung, dass Frauen in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes daheimbleiben sollen. Doch 2015 fanden das noch 72 Prozent – der Anteil hat sich also fast halbiert.
Mehr Wertschätzung für Mütter
Eine Verringerung der Arbeitszeit für beide Elternteile wäre eine faire Lösung. Mit der Vier- Tage-Woche bliebe jeder einen Tag zu Hause und die Kids würden nur drei Tage fremdbetreut.
Steuerlich am günstigsten ist es übrigens, wenn Frau und Mann jeweils 75 Prozent arbeiten. Solche 50:50-Modelle sind auch für die Kinder von Vorteil. Denn es ist zwar dringend notwendig, die Öffnungszeiten in Kindergärten und Horten flexibler zu gestalten, kindgerecht gelingt das aber nur mit mehr Personal.
Besonders hilfreich sind unternehmenseigene Kindergärten sowie Ruhe- und Stillzimmer in den Firmen. Konzepte wie „Führen in Teilzeit“ und Jobsharing steigern die Chance, dass Mütter passende Jobs finden, die ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung entsprechen.
Homeoffice-Tage erleichtern es ihnen ebenfalls, flexibel zwischen den Rollen zu wechseln, selbst wenn das Arbeiten von zu Hause seine eigenen Tücken birgt.
Fazit: Wenn wir so weitermachen, brauchen Frauen noch weitere 48 Jahre, also mehr als eine Generation arbeitender Frauen, bis sich die bereinigte Gehaltslücke schließt. Bedenkt man, dass Frauen bereits seit 120 Jahren für gleichen Lohn für gleiche Arbeit kämpfen, haben sie das Ziel fast schon vor Augen …
Quellen: Statistik Austria, 2023; Momentum Institut, 2022; „Gleichstellungsindex
Arbeitsmarkt“ des AMS-Forschungsnetzwerks, 2023; Statistisches Bundesamt in Deutschland;
Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria, 2023; Deutsches Bundesforum Männer, 2023
Grafik: Agenda Austria
Quelle: Child Penalty Atlas 2023
Autor:in:
Verena Wagner, ist selbstständige Journalistin, Buchautorin und schreibt über die (Un-)Vereinbarkeit von drei Kindern und Karriere auf ihrem Familienblog mamirocks.com https://mamirocks.com/ Aktuelle Artikel