Eine problematische Lösung
Ein Kind, ein eigenes Kind! Anna und ihr Partner Kurt wünschen sich nichts sehnlicher als das. Doch es klappt einfach nicht. Auch die Fruchtbarkeitsklinik konnte ihnen trotz intensiver Behandlung nicht helfen. Jetzt diskutieren sie, ob sie es nicht mit einer Leihmutter versuchen sollen. Aber wie? Und was gilt es alles zu beachten?
In Österreich ist Leihmutterschaft verboten. Als Mutter gilt jene Frau, die das Kind geboren hat. In anderen Ländern ist Leihmutterschaft erlaubt, zum Beispiel in der Ukraine. Über ihre Webseiten bieten dort Leihmutteragenturen ihre Dienste an und erklären den jeweiligen Ablauf – ein kompliziertes Thema, denn die Gesetzeslage ist in jedem Land verschieden. Das beginnt schon bei der Definition der erlaubten Form von Leihmutterschaft.
Bezüglich der Herkunft der Eizelle unterscheidet man zwischen
- „traditionell“ (intrauterine Befruchtung) – die Leihmutter ist auch die Frau, die die Eizellen bereitstellt –
- und „gestationell“ (In-vitro-Befruchtung), wobei die Leihmutter keine Eizellen zur Verfügung stellt, sondern das Kind „nur“ austrägt.
Was die finanzielle Leistung betrifft, wird zwischen
- „kommerziell“
- oder „altruistisch“ („selbstlos“, nur Aufwandsentschädigung) unterschieden.
Ehe man sich für eine Variante entscheidet, sollte man sich aber ohnehin einer Rechtsberatung unterziehen.
Das Land
Die Qual der Wahl beginnt schon beim Land, in dem die Leihmutterschaft durchgeführt werden soll. Das ist keine Geschmacksfrage, sondern hängt von den mehreren Faktoren ab:
- Welche Familienmodelle – heterosexuell, LGBTQIA+, Paarbeziehung oder alleinstehend – sind im betreffenden Land erlaubt?
- Ist Leihmutterschaft auch für Personen aus dem Ausland erlaubt?
- Braucht es einen Nachweis, dass die Wunscheltern keine Kinder zeugen und austragen können?
- Ist eine Ei- und Embryonenspende erforderlich?
- Welche Kosten fallen an? Wie soll man die Agenturen bewerten?
- Wie erfolgt die Auswahl der Leihmutter, welches Verhältnis besteht zu ihr?
- Welche Art der Leihmutterschaft gibt es (traditionell oder gestationell)?
- Wie läuft das Anerkennungsverfahren ab?
- Wie sieht es mit der Reisebereitschaft aus?
USA
Die USA sind bezüglich Leihmutterschaft ein Sonderfall, rechtlich die Bundesstaaten zuständig.
Diejenigen, die Leihmutterschaft erlauben, verlangen, dass Bestelleltern und Leihmutter einander auswählen und beide Parteien die Vereinbarung genehmigen. Eine weitere Besonderheit ist die gerichtliche Begleitung: Noch vor der Geburt wird das Rechtsdokument Pre-Birth Order ausgestellt, das die Wunscheltern als die rechtmäßigen Eltern des Kindes ausweist. Das Kind erhält übrigens mit der Geburt in den USA die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Die weiteren Akteure
Nach dem Land muss die Agentur gewählt werden, die für die Auswahl der Samenspender und Leihmütter zuständig ist Damit ist es aber nicht getan, es gilt noch weitere Akteure zu berücksichtigen: Kinderwunschkliniken kümmern sich um die ärztliche Behandlung und die Erzeugung von Embryonen. Treuhandanstalten verwalten die Finanzen unter Garantie für alle Beteiligten. Und Rechtsanwälte erstellen Verträge und leiten das Anerkennungsverfahren ein.
Die Leihmutter
Und dann gibt es noch eine andere Seite – jene der Leihmütter. Wie sieht das alles aus ihrer Sicht aus? Großteils übernehmen Frauen diese Aufgabe aus materiellen Gründen, weil sie das Geld dringend brauchen. Der Löwenanteil der Kosten geht übrigens nicht an die Leihmütter. Die Behauptung, sie würden aus reiner Nächstenliebe („altruistisch“) handeln und nur eine Entschädigung für die angefallenen Kosten erhalten, ist eine Mär. Leihmütter müssen schon einmal geboren haben, gesund sein und ihren Körper neun Monate lang ausschließlich zur Verfügung stellen. Auf Eignungstests folgt eine starke hormonelle Stimulation. Nach Einpflanzung der Embryonen – oft mehrerer, damit es sicher zur Schwangerschaft kommt – stehen Gentests, Fruchtwasseruntersuchung und Chorionzottenbiopsie sowie Ultraschalluntersuchungen auf dem Programm. Ob bei Auffälligkeiten abgetrieben wird, ob bei einer Mehrlingsschwangerschaft ein Teilabbruch durchgeführt wird – auf all das hat sie keinen Einfluss, es wird über die Leihmutter hinweg entschieden. Engmaschige Kontrolltermine sind in dieser Zeit ein Muss, ihr Leben ist streng reglementiert: keine Arbeit, kein Sex mit dem Ehemann (falls vorhanden), kein Sport. Immer wieder leben Leihmütter auch in einschlägigen WGs unter strenger Aufsicht. Für das Kind sollen sie auf keinen Fall Gefühle entwickeln. Ist es dann so weit, wird mit Kaiserschnitt entbunden, um das Risko für das Kind zu minimieren. Selbiges sollen sie am besten gar nicht sehen – falls die „Ware“ zufriedenstellend ausfällt. Ist sie das nicht, etwa im Falle einer Behinderung, kann sein, dass die Bestelleltern das Kind nicht übernehmen wollen. Und was dann?
Was der österreichische Verfassungsgerichtshof sagt
Ist die Leihmutterschaft in einem anderen Land erlaubt und sind die Wunscheltern dort über eine Leihmutter rechtlich Eltern geworden, widerspricht das nicht den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung. Daher ist die von ausländischen Behörden dokumentierte rechtliche Abstammung in Österreich anzuerkennen.
Das Kind
Wie ist das nun alles für das Kind? Entwicklungspsychologie und Bindungstheorie gehen mittlerweile von einem Aufbau der Mutter-Kind-Beziehung bereits im letzten Trimester aus. Laut dem jungen Zweig der Pränatalpsychologie würde der Fötus noch früher eine Beziehung zu Mutter und Umwelt entwickeln. Für das Neugeborene sind Herzschlag und Stimme der Mutter das einzig beruhigend Vertraute in der neuen Welt, wichtig für seine Co-Regulation. All das entfällt für das Leihmutterkind.
Später, wenn das Kind etwas über seine Herkunft erfahren will, wird es ebenfalls frustriert werden. Adoptionseltern werden verpflichtend auf diese Situation vorbereitet. Beim System der Leihmutterschaft wird dieses Bedürfnis des Kindes vernachlässigt. Einerseits gibt es nur in den wenigsten Fällen eine Beziehung zur Leihmutter, und zweitens liegt der Fall sehr kompliziert: Da wären die Leihmutter und die Auftragsmutter, oft auch noch die Eizellenspenderin. In vielen Fällen gibt es außerdem noch einen zweiten Vater, nämlich den Samenspender.
Die Frage „Wer bin ich und woher komme ich?“ ist de facto nicht zu beantworten. Zum Vergleich: Bei einer in Österreich im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung erlaubten Eizellen- oder Samenspende regelt das Fortpflanzungsmedizingesetz, dass jedes durch eine Spende entstandene Kind ab dem 14. Lebensjahr Kenntnis über die Identität der Spenderin bzw. des Spenders erhalten darf (In-vitro-Fertilisationsregister, IVF-Register).
Die Entscheidung
Alles sehr schwierig. Aber was ist mit den Menschenrechten? Anna und Kurt fragen sich, ob es nicht ein Menschenrecht sei, ein eigenes Kind zu haben? Eine noch schwierigere Frage, kollidieren hier doch gleich mehrere Menschenrechte – vor allem das Recht, Entscheidungen für sich selbst zu treffen, das Recht, vor der Ausbeutung des weiblichen Körpers geschützt zu sein, und das Prinzip des höheren Interesses des Kindes.
Nicht zuletzt gilt es auch die Kosten zu bedenken. Anna und Kurt stellen fest, dass sie mit mindestens 40.000 bis 100.000 Euro rechnen müssten. Woher nehmen? Der Richtwert für die Höchstgrenze von Konsumkrediten liegt bei 40.000 Euro.
Aber auch wenn sie die finanziellen Mittel hätten: Für Anna und Kurt ist Leihmutterschaft doch keine Option. Die negativen Aspekte des Prozesses überwiegen. Glück auf Kosten anderer kommt für sie nicht in Frage.
Die Situation in Österreich
Allgemeines zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung (oesterreich.gv.at)
Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG):
Quellen
Aktion Leben: Nein zur Leihmutterschaft; Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ (Hrsg.): Die neuen Gebärmaschinen? Was die globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht. Frankfurt a. M. 2023;
Webportal babygest
Autor:in:
Mag. Elisabeth Sorantin hat Sprach- und Literaturwissenschaften studiert und sich vor allem auf die Vermittlung von komplexen Sachverhalten in einer allgemein verständlichen Sprache spezialisiert. Aktuelle Artikel