Vergleicht man Säuglingsnahrung mit Muttermilch, hat die künstliche Alternative immer das Nachsehen. Denn Muttermilch ist so unglaublich raffiniert zusammengesetzt, dass sich die Wissenschaft beim Versuch, die Zauberformel zu entschlüsseln, bis heute die Zähne ausbeißt. Dennoch macht die Muttermilchforschung erfreulich große Fortschritte.
Vieles, was Muttermilch so einzigartig macht, ist Forschern bereits bekannt und fließt in hochwertige Produkte ein. So weiß man mittlerweile, dass sich der Proteingehalt der Muttermilch individuell an die Entwicklung des Kindes anpasst und der Bedarf stark variiert.
- Einige Produktpaletten tragen dieser Erkenntnis durch ein neuartiges Stufensystem Rechnung und leisten so einen wesentlichen Beitrag zur Adipositas-Prophylaxe und gesunden Entwicklung von Kindern.
- Besondere Bedürfnisse werden mit Spezialnahrung gut abgedeckt. So gibt es beispielsweise hypoallergene Alternativen für allergiegeplagte Kinder oder Milchpulver, die Blähungen und Refluxerkrankungen bekämpfen.
Wer also Babys Appetit nicht mit Muttermilch stillen kann, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, ein Fläschchen zu füttern.
Das richtige Maß
Warum man ein Baby mit Liebe, nicht aber mit Milchpulver überschütten darf, ist schnell erklärt.:
Muttermilchersatzprodukte werden zwar sorgfältig an die Bedürfnisse von Säuglingen angepasst und ahmen die Eigenschaften der Muttermilch so gut wie möglich nach, doch es bedarf einer exakten Dosierung. Nur so ist Mahlzeit für Mahlzeit die ideale Nährstoffzusammensetzung für die jeweilige Entwicklungsphase gewährleistet, ohne dass der Organismus überfordert wird.
Insbesondere der Proteingehalt industriell hergestellter Säuglingsnahrung spielt im Zusammenhang mit Überdosierung eine Rolle. Er verändert sich nämlich eklatant mit jedem Gramm und das gut gemeinte „bisschen Mehr“ kann rasch zur Proteinbombe werden. Auch wenn Liebe sprichwörtlich durch den Magen geht, kann Überfütterung mit künstlicher Babynahrung den Kleinen ganz schön an die Nieren gehen, die Verdauung beeinträchtigen und lebenslanges Übergewicht begünstigen.
Aber auch zu wenig Pulver ist nicht gut: Das Baby wird nicht ausreichend satt, weil das Fläschchen zu „dünn“ ist. Genauigkeit und Sorgfalt sind daher bei der Zubereitung von Säuglingsnahrung das oberste Gebot, um das Baby in den Genuss einer gesunden Portion Nahrung kommen zu lassen. Die Trinkmenge pro Fläschchen und die Tagesgesamtmenge können hingegen individuell variieren.
Gesunde Kinder wissen glücklicherweise selbst am besten, wann sie satt sind. Wendet sich das Baby ab oder schiebt es die Flasche von sich weg, sollte eine kurze Pause gemacht werden. Nur wenn das Kind noch einmal Interesse bekundet, darf ein Nachschlag angeboten werden. Die einen essen eben lieber seltener und dafür größere Portionen, die anderen häufiger kleinere. Solange das Baby bei Gedeih- und Gewichtskontrollen eine „gute Figur“ macht, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit alles in Ordnung.
„Eine Extraportion Kuscheln ist kalorienfrei und in jedem Fall gesünder als ein halber Messlöffel mehr Milchpulver. Schlechtes Gewissen ist kein guter Ratgeber und außerdem nicht angebracht, nur weil das Baby Fläschchen trinkt.“ – Katharina Wallner
Feinzeichen der frühkindlichen Kommunikation
So wie wir Erwachsenen unsere Essenszeit gerne zur Kommunikation nutzen, halten es auch Kinder. Im Zusammenhang mit Essen kommt der altersentsprechenden, nonverbalen Art zu kommunizieren eine bedeutende Rolle zu. Babys verständigen sich nämlich über sehr feine Signale mit ihrer Umwelt. Diese sogenannten Feinzeichen der frühkindlichen Kommunikation können von Unbeteiligten leicht übersehen werden, dem Blick der Mutter oder des Vaters werden sie aber kaum entgehen.:
- Wenn der Säugling zu schmatzen beginnt, die Zunge herausstreckt oder seine Lippen spitzt, spricht er auf seine Art und Weise Klartext: „Ich habe Hunger und Durst!“
- Wenn diese Anzeichen doch einmal übersehen werden, folgt Geschrei und räumt alle Zweifel aus: „Hunger, Durst, JETZT!“
Sinnliches Erlebnis
Wer die Feinzeichen zu deuten weiß, hat meist auch genug Zeit, das Fläschchen sorgfältig zuzubereiten.
Schließlich muss:
- zunächst Wasser für etwa fünf Minuten abgekocht,
- danach auf 40 Grad abgekühlt
- und das Milchpulver darin gründlich aufgelöst werden.
Während das Fläschchen angeboten wird, sollte bewusst körperliche Nähe, die beim Stillen von selbst entsteht, hergestellt werden. Dies gelingt am besten in der Wiegehaltung und mit Haut-zu-Haut-Kontakt. So wird während der Mahlzeit Oxytocin ausgeschüttet und das Baby kommt zur Ruhe. Das fabelhafte Bindungs- oder „Kuschel“hormon ermöglicht es, eine enge Bindung zu entwickeln und Stress abzubauen.
Babys fühlen sich während des Trinkens besonders wohl, wenn ihr Nacken gut abgestützt in der Armbeuge der Person liegt, die füttert. Um dem Unterkiefer genug Raum für die Saugbewegungen zu geben, sollte die Flasche nicht mit vollem Gewicht auf den Lippen abgelegt, sondern gut gehalten werden. Ist während des Trinkens der Sauger immer ausreichend mit Milch gefüllt, wird das Mitschlucken von Luft vermieden. Nach dem Essen oder beim Seitenwechsel wird das Baby am besten immer kurz hochgenommen, damit es ein Bäuerchen machen und danach zufrieden schlafen kann.
Liebe geht durch den Magen
Jede perfekte Mahlzeit wird mit zwei ganz besonderen Zutaten abgeschmeckt: Ruhe und Zeit. So wird das Festmahl aus dem Fläschchen mit Sicherheit zu einem sinnlichen Erlebnis, das mehr als nur den Hunger stillt.
FAKTEN – CHECK
- Abgekochtes Wasser: Unser Leitungswasser ist strengsten Kontrollen unterworfen und eignet sich im abgekochten Zustand daher einwandfrei für die Zubereitung von Säuglingsnahrung.
- Aufkochen und Abkühlen: Um alle Keime und Bakterien abzutöten, muss das Wasser etwa fünf Minuten bei 100 Grad sieden. Bevor das Milchpulver eingemischt wird, muss es jedoch auf etwa 37 bis 40 Grad abgekühlt werden, da sonst wichtige Inhaltsstoffe wie Milchsäurekulturen zerstört werden.
- Trinktemperatur: Um die ideale Temperatur von 37 Grad zu überprüfen, träufelt man vor dem Füttern ein paar Tropfen auf die dünne Haut an der Innenseite des Handgelenks. Spürt man dort nichts, passt es genau.
- Altersentsprechende Nahrung: Muttermilch gilt in den ersten sechs Lebensmonaten unumstritten als Nahrung der ersten Wahl. Wird dennoch zu Ersatzprodukten gegriffen, eignen sich dafür im ersten Halbjahr Produkte, die im Handel unter den Bezeichnungen Anfangsnahrung (PRE-Nahrung oder 1er) zu finden sind.
- Sauglochgröße: Pro Sekunde darf nicht mehr als ein Tropfen austräufeln. Denn je größer das Loch, desto mehr Luft kann
das Baby mitschlucken. Das hat oft Bauchschmerzen und Blähungen zur Folge. - Glas oder Kunststoff: Beide Fläschchenvarianten haben Vor- und Nachteile.
Glas lässt sich besser sterilisieren und ist immer frei von Bisphenolen und anderen schädlichen Begleitstoffen, jedoch relativ schwer und überdies zerbrechlich.
Kunststoff ist hingegen robust und leichter, nimmt aber beim Sterilisieren schneller Schaden und muss daher öfter ausgetauscht werden.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel