Die Versuche der gelernten Bürokauffrau nach der Karenzzeit wieder in das Berufsleben einzusteigen waren an den nicht kinderfreundlichen Arbeitszeiten in Büros und Firmen gescheitert. Als die Zwillinge drei Jahre alt waren, kehrte Birgitta für ein Jahr ins Berufsleben zurück. Aber sie hatte die Rechnung ohne ihren sensiblen Zwillingssohn gemacht, der dauernd krank war und seine Mutter schließlich zur Aufgabe zwang.
Außerhäusliche Berufstätigkeit
Birgitta war daraufhin ständig auf der Suche nach irgendeinem Betätigungsfeld jenseits von Windeln, Putzen und Kochen. Da Organisieren seit jeher zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte, begann die quirlige Fünfunddreißigjährige abgelegte Kleidung und Spielsachen ihrer drei Kinder mit Freundinnen zu tauschen. Mit der Zeit wurde ein richtiges Netzwerk daraus: und Birgitta war mittendrin als Organisatorin und Beziehungsknüpferin der Mütter ihres Bekanntenkreises. Benötigte jemand einen Zwillingskinderwagen oder ein fast nicht gebrauchtes Dreirad, Birgitta wusste Rat. Wollte jemand ein preiswertes, aber pädagogisch wertvolles Holzspielzeug für den Nachwuchs, war er bei Birgitta an der richtigen Adresse… Diese Rolle als Tauschnetzwerkerin gefiel der Mutter dreier Kinder immer besser, ein paar Mal begleitete sie auch Freundinnen auf Flohmärkte und half ihnen ihre Ware an die Frau zu bringen.
Vom Flohmarkt zur Tauschboutique
Als dann ihr Mann diese entscheidende Frage stellte, war es nur mehr ein kurzes Durchatmen und Vorabchecken der eigenen Ressourcen, bis Birgitta wusste: Wenn sie ein Geschäft eröffnen würde, müsste es ein Second-Hand-Laden sein. Sie war vom Tausch- und Handelgedanken schon zu sehr eingenommen, um sich für irgendeine andere Branche zu entscheiden. Ein leistbares Geschäftslokal in Wohnungsnähe war bald gefunden, Birgittas Mann hielt Wort, organisierte Stellagen und Birgitta meldete sich kurzer Hand für einen WIFI-Kurs „Buchhaltung“ an, der ihr vom Arbeitsmarktservice bezahlt wurde. Die Beschaffung von Ware stellte kein Problem für Birgitta dar, konnte sie doch auf ihr jahrelang gepflegtes Netzwerk zurückgreifen. Nachdem sie auch das Marketingproblem gelöst hatte, indem sie in allen umliegenden Kindergärten und bei diversen Ärzten Werbeplakate aufgehängt hatte: „Ich suche für Sie! Sie finden bei mir!!“, stand der Eröffnung des kleinen Ladens nichts mehr im Wege. Birgittas Augen beginnen zu leuchten, wenn sie von ihrem Laden spricht, sie ist mit ganzem Herz dabei. Beachtlich ist die Auswahl an unterschiedlichsten Artikel, die die aktive Frau immer wieder auftreibt, ob Lodenhut für den Junior oder LüK-Kasten für das Vorschulkind, es gibt nur wenige Dinge, die Birgitta in unermüdlicher Recherche nicht für ihre Kunden findet. Es kann schon vorkommen, dass die junge Frau wie ein Blitz auf die Straße vor das Geschäft läuft, weil sie eine ihrer Tauschkundinnen erblickt hat, die eventuell die dringend gesuchten Taucherflossen haben könnte. Oder die Ballerina-Diddlmaus…
Beziehungsnetwork
Birgitta hat ihren Weg gefunden. Nichts zieht sie mehr in ihren alten Job bei einer Computerfirma zurück, obwohl ihr Leben seit der Geschäftseröffnung um einiges hektischer geworden ist. Birgitta liebt den Umgang mit Menschen und ist mittlerweile auch Vermittlerin in anderen Bereichen geworden: sie stellt Kontakte zwischen Kunden her, die in irgendeiner Weise Hilfe benötigen, vermittelt gute Ärzte, Therapeuten, Nachhilfelehrer und anderes Know-how. Aber das Beste an ihrem neuen Job ist, dass er sich einigermaßen gut mit ihren Kindern und ihrem Haushalt übereinstimmen lässt. Die Öffnungszeiten des Ladens bestimmt sie, die Chefin und Verkäuferin in einer Person, selber: sie sperrt morgens erst um 9 Uhr 15 auf, macht eine Mittagspause und hat nachmittags meist nur von drei bis dreiviertel fünf geöffnet. Ihre Kunden richten sich gerne nach diesen Zeiten, außerdem ist Birgitta per Handy auch außerhalb der Öffnungszeiten erreichbar – allerdings nur dann, wenn die Kinder sie gerade nicht benötigen. Die Zwillinge plagen sich beide aufgrund ihrer Legasthenie mit der Rechtschreibung und benötigen zusätzliche Förderung.
Ein neues Berufsbild
Schulkinder mit einer Leserechtschreibschwäche gibt es in zunehmendem Maße. Diese Tatsache machte sich die gelernte Kleinkindpädagogin und Horterzieherin Bettina Huber zunutze. Nach der Karenzzeit ihrer ersten beiden Söhne (heute 11 und 13) kehrte sie bald wieder halbtags als Erzieherin in den Kindergarten zurück. Nebenbei absolvierte sie die Ausbildung zur Diplomierten Legasthenietrainerin, einem seit wenigen Jahren existierenden Berufsbild. Mit vierzig gab es dann eine Ãœberraschung in ihrem Leben: Zwillinge kündigten sich an. Jakob und Mariella sind heute zehn Monate alt und bereits sehr mobil. Dennoch wollte die Vierkindermama auf jeden Fall zumindest teilweise berufstätig sein. Die Kombination als Kindergärtnerin und Legastheniebetreuerin macht sie sich zunutze, indem sie Kurse „Fit für die Schule“ anbietet. Vier bis fünf Vorschulkids lernen auf spielerische Art wichtige Vorläuferfertigkeiten für das Lesen- und Schreibenlernen. Eine wichtige Aufgabe, damit so manche Lese- und Rechtschreibschwäche erst gar nicht auftritt. Eine Leihoma betreut unterdessen die Babys, die Unterrichtsstunden finden im eigenen Haus statt. So spart Bettina Zeit und Geld für die Anfahrt zur Arbeit. Und auch Nerven. Denn ganz so leicht fällt es der Kleinkindpädagogin nicht ihre süßen Kids jetzt schon fremden Händen anzuvertrauen. Neben den Vorschulkinderkursen bietet Frau Huber auch Legasthenietraining für VolksschülerInnen an. Auch das lässt sich mit den Leihomazeiten ganz gut vereinbaren. Dieser neue Weg bereits in der Babypause ist ein guter Test für die Zukunft: was schafft Frau als Vierkindermama beruflich, wo sind die eigenen Grenzen, wo die Möglichkeiten? Nach den langen Kindergartenjahren genießt Bettina das Arbeiten in der Kleingruppe bzw. mit einzelnen Schülern. Wenn genügend Platz in den eigenen vier Wänden vorhanden ist, stellt das Arbeiten zuhause eine echte Alternative für Mütter dar.
Das Büro in den eigenen vier Wänden
Das empfindet auch die siebenunddreißigjährige Eva W. so. Die studierte Landschaftsarchtitektin hat ihre Vorkinderjahre beruflich sehr genossen. Das Planen von Parks und großer Villengärten hatte Eva große Freude gemacht und sie blickte in den ersten Kleinkindjahren ihrer beiden Töchter wehmütig auf diese interessante und herausfordernde Zeit zurück. Allerdings entdeckte sie in diesen Jahren ihre Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Durch den Preis bei einem kleinen Schreibwettbewerb ermutigt, begann sie die Gute-Nacht-Geschichten, die sie ihren Mädchen erzählte, aufzuschreiben und grafisch zu gestalten. Das Illustrieren von Kindergeschichten war ebenfalls ein neu entdecktes Talent. Mittlerweile sucht sie einen Verleger für Ihr erstes Kinderbuch. Bis dieser Traum in Erfüllung geht, hält sie Geschichtenschreibkurse für Jung und Alt ab. Vielleicht kehrt Eva aber irgendwann wieder in ihren Beruf als Landschaftsarchitektin zurück. Momentan gestaltet sie allerdings nur das kleine Vorgärtchen ihres Reihenhauses.
Ein Kindertraum geht in Erfüllung
Claudia (46) wählte einen anderen Weg. Mit siebzehn brach sie die Schule ab, machte eine Ausbildung zur Werbefachfrau und arbeitete bis zur Geburt ihrer beiden Söhne in einem mittelgroßen Unternehmen in der Marketingabteilung. Zehn Jahre kümmerte sie ich dann ausschließlich um ihre Söhne, von denen einer schwere Wachstumsstörungen hatte und aus diesem Grund viele Arztbesuche nötig waren. Als die Behandlungen schließlich halfen, wollte Claudia gerne wieder ins Berufsleben einsteigen. Zunächst ließ sie sich zur Tupperwareberaterin anheuern, danach veranstaltete sie für eine Vertriebsfirma Kosmetikartikelpartys. Schließlich arbeitete sie als Vertriebspartnerin eines Bastelmaterialhändlers. Als dieser in Konkurs ging und Claudia nicht nur um ihren Verdienst fiel, sondern ihren Keller mit dem Material voll gestopft hatte, der Chef aber spurlos verschwunden war, kam der Zeitpunkt für eine generelle Änderung ihres Berufwunsches. Da sie noch keinen Schulabschluss hatte, bekam sie ein Stipendium für die Studienberechtigungsprüfung und wagte sich als mittlerweile 38-jährige mit lauter frischen MaturantInnen zur Ausbildung auf die pädagogische Akademie. Ihr Kindheitstraum als Volksschullehrerin zu arbeiten, ging damit nach einigen Jahren in Erfüllung. Claudia liebt ihren Beruf und möchte nie wieder einen Job von zuhause erledigen. Sie braucht die Menschen um sich und kommt nachmittags gerne in ihre vier Wände zurück, ohne dass daheim noch ein Berg Büro- oder Verwaltungsarbeit zu erledigen ist, wie das früher oft nächtelang der Fall war…
Verschiedene Lebensmodelle
So unterschiedlich die einzelnen Frauen sind, so verschieden sind auch die Wege nach der Babypause. Von neuer Unternehmensgründung, neuer Ausbildung, völlig neuem Job oder zurück in den alten Beruf mit flexibleren Arbeitszeiten reichen die Lebensmodelle. Alles ist möglich und gut, wenn es Frauen und ihre Familien glücklich macht. Wenn zusätzlich Träume wahr werden und vergessene oder neue Talente entdeckt werden, dann merken Frauen, was sie schon immer insgeheim wussten: Kinder verändern das Leben von Grund auf. Meistens werden die Dinge nicht einfacher mit Nachwuchs, schon gar nicht die Jobmöglichkeiten. Manchmal aber entdecken Frauen wenn sie Mütter werden ganz neue Fähigkeiten an sich: und seien es nur soziale Kompetenzen oder Managerfähigkeiten. Gefragte Eigenschaften am Arbeitsmarkt!
Das findet auch Birgitta, deren Handy zum x-ten Mal läutet, während sie auf ein Blatt Papier die Rechnung für einen Kunden schreibt und mit der linken Hand Spielsachen ins Regal ordnet. Wer Zwillinge aufgezogen hat, bewältigt auch neue Herausforderungen im Beruf – keine Frage.
Infos
- WAFF – Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds www.waff.at