Jede Frau ist einzigartig, und jede Schwangerschaft ist es auch. Trotzdem haben viele Schwangere etwas gemeinsam: Ihr Körper macht enorme Veränderungen durch. Ein Forschungsteam analysierte jüngst die Daten einer Schwangerschafts-App und erstellte für schwangerschaftsbedingte Symptome genaue Symptomverlaufskurven.
Schwangerschaftsbedingte Symptome
Müdigkeit, Schlafprobleme, Rückenschmerzen, Verstopfung und Kurzatmigkeit stehen bei vielen Schwangeren auf der Tagesordnung. Kein Wunder, kommen doch in der Schwangerschaft viele Hormone ins Spiel und bringen den Körper auf Hochtouren. Das Blutvolumen, der Puls, die Herz- und Nierenaktivität werden gesteigert, und auch der Bewegungsapparat muss sich auf die neuen Herausforderungen einstellen.
Schwangerschaftsbedingte Veränderungen sind genau genommen physiologische Prozesse, die in einem gesunden Maß durchaus begrüßenswert und notwendig sind. Am Beispiel Müdigkeit – von ihr sind knapp 60 Prozent aller Schwangeren betroffen – wird das besonders deutlich. Sie kann als Aufforderung des Körpers verstanden werden, sich gerade in den ersten Wochen der Schwangerschaft mehr Rückzug und Ruhe zu gönnen, damit sich das Baby gut einnisten und weiterentwickeln kann. Ambivalente Gefühle und Stimmungsschwankungen kommen ebenfalls häufig vor. Ganz normal! Denn schließlich verändert ein Baby nicht nur den Körper, sondern das ganze Leben.
Analyse der Daten
Um die große Bandbreite der Schwangerschaftsbeschwerden, die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens und den häufigsten Zeitpunkt dafür möglichst unverzerrt zu eruieren, hat ein Forscherteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die anonymisierten Eingaben von rund 180.000 Nutzerinnen der Schwangerschafts-App keleya analysiert.
Schwangere Frauen können in der App ihre schwangerschaftsbedingten Symptome angeben und erhalten daraufhin individuell zusammengestellte Informationen. Mithilfe eines eigens entwickelten Symptomtrackers wurden in eineinhalb Jahren mehr als 1,5 Millionen Angaben in Bezug auf schwangerschaftsbedingte Veränderungen gemacht – alles wohl ziemlich unverzerrte Daten, die nicht, wie bis dahin bei Studien üblich, Wochen später mittels Fragebögen erhoben, sondern unmittelbar bei ihrem Auftreten vermerkt wurden.
„Interessant ist, dass jedes einzelne Symptom ein eindeutiges Zeitmuster aufweist“, erklärt der federführende Informatiker Michael Nissen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Datenanalytik. Kritisch ließe sich bei der Durchführung das individuelle Nutzungsverhalten sehen. Schließlich probieren einige Schwangere eine App nur ein einziges Mal aus. Die Mehrheit verfolgt die Symptome zudem nur an einem einzigen Tag. Die erhobenen Daten waren laut des interdisziplinären Forscherteams jedoch sehr gut mit denen all jener Frauen vergleichbar, die den Tracker mindestens fünf Monate lang verwendeten.
Es ist erstaunlich, wie ein winziges Wesen auf wundersame und vehemente Weise riesengroße körperliche Veränderungen einfordert.
Schwangerschaftssymptome
Verdauungsprobleme
können auftreten, da die Verdauung durch den geringeren Platz im Körper gestört sein kann.
Atemlosigkeit
Die Wahrscheinlichkeit, dass Atemprobleme auftreten, nimmt im Verlauf der Schwangerschaft zu.
Müdigkeit
Verantwortlich für Müdigkeit oder Abgeschlagenheit ist häufig die Hormonumstellung.
Stimmungsschwankungen
können durch eine erhöhte Hormonausschüttung entstehen.
Blasenschwäche
Harndrang oder Inkontinenz kann aufgrund der wachsenden Gebärmutter auftreten.
Schmerzen
Infolge veränderter Körperstatik entstehen Schmerzen im Kopf, in den Füßen, im Rücken, Becken oder Nacken
Essgewohnheiten
Heißhunger oder Appetitlosigkeit gehört in der Schwangerschaft dazu.
Schwindel
Mit Veränderung des Blutvolumens und des Blutdruckes kann Schwangeren schwindelig werden
Keine Woche gleicht der anderen
- Im ersten Trimester scheinen besonders häufig Symptome aufzutreten, die die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Mit Beginn der Schwangerschaft machen neben Müdigkeit und Erschöpfung auch das Verdauungssystem und die Blase auf sich aufmerksam. Etwa die Hälfte aller Schwangeren leidet an Übelkeit mit oder ohne Erbrechen, nahezu jede zweite Schwangere nimmt Verstopfung wahr, und Blähungen sind ebenfalls keine Seltenheit. Diese Symptome treten im weiteren Verlauf immer seltener auf.
- Anders sieht es bei Durchfall aus – diesen gaben etwa 27 Prozent der Schwangeren im ersten Trimester an. Die Häufigkeit sinkt dann in der Mitte des zweiten Trimesters, steigt zum Ende der Schwangerschaft jedoch erneut an.
- Blasenschwäche nimmt über den Verlauf der Wochen langsam zu: Der Anteil der davon Betroffenen steigt von etwa zehn Prozent in den ersten Schwangerschaftswochen auf knapp 20 Prozent in den letzten.
Symptome, die in Verbindung mit dem zunehmenden Bauchumfang und dem eigenen Körpergewicht stehen, machen einer hohen Zahl an Schwangeren das Leben durchgehend schwer.
- Bereits im ersten Trimester ist jede zweite Frau von Rückenschmerzen betroffen, im dritten Trimester sind es mit 70 Prozent noch deutlich mehr.
- Mit Symphysenschmerzen (= Schmerzen am Schambein, diese können bis in die Hüften und Beine ausstrahlen) kurz vor der Geburt haben dann etwa 35 Prozent zu kämpfen.
Erklären lässt sich das wohl am besten durch den steigenden Östrogen- und Relaxineinfluss, unter dem Bindegewebe und Bandapparat aufgelockert werden. Relaxin, ein schwangerschaftstypisches Hormon, wirkt auf das Binde- und Knorpelgewebe und macht damit flexibler, beweglicher und weicher. All das ist wichtig, damit das Baby Platz bekommt. Zur Geburt ist ein möglichst lockerer und bewegungsfreudiger Beckenring schließlich mehr als erwünscht.
Doch der aufrechte Gang und das Gebären stehen offenkundig in gewisser Konkurrenz zueinander. Denn für das Gehen auf zwei Beinen ist Stabilität in der Körpermitte wichtig, zum Gebären hingegen ein hohes Maß an Flexibilität. Den Kompromiss, den die Bänder, Knochen und Sehnen insbesondere im Beckenbereich während der Schwangerschaft eingehen, bekommen manche Frauen mehr, manche weniger zu spüren. Gegen das Gefühl, den Halt zu verlieren, hilft ein Symphysengürtel aus dem Bandagisten-Fachhandel. Sobald die Hormonlage sich nach der Geburt wieder ändert, wird der Beckengürtel allmählich wieder stabiler.
Das Wissen um die Häufigkeit der Symptome gibt Schwangeren möglicherweise die Sicherheit, dass vieles normal ist.
Wann welche Symptome am häufigsten auftreten?
- SSW 6-10: Brechreiz und Müdigkeit
- SSW 16-18: Nacken und Kopfschmerzen
- SSW 31-35: Sodbrennen und Atemlosigkeit
- SSW 36-40: Schlaflosigkeit und Blasenprobleme
Die Zeit kurz vor der Geburt ist oft geprägt von Atemlosigkeit, Schlafstörungen und Sodbrennen. Alle drei Symptome treffen mehr als 70 Prozent der Schwangeren über die gesamte Schwangerschaft hinweg.
- Atemlosigkeit hat ihren Höhepunkt um die 33. Schwangerschaftswoche, nimmt mit dem Sinken des Bauches dann glücklicherweise meist wieder ab.
- Sodbrennen, also ein brennendes Gefühl in der Speiseröhre, scheint in der 31. bis 36. Schwangerschaftswoche besonders häufig aufzutreten. Es kommt meist daher, dass aus dem Magen Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt. In der Schwangerschaft können der geringere Muskeltonus und das Größerwerden der Gebärmutter dazu führen, dass der Schließmuskel am Mageneingang etwas undicht wird. Alles, was den Stress reduziert und den Magen beruhigt, tut daher gut.
Bei Betrachtung der Zahlen und Fakten erscheint es wichtig zu sein, sich ab dem ersten Trimester ausreichend Ruhepausen zu gönnen und Unterstützung zu holen. Familienmitglieder, Freunde oder eine professionelle Familienhilfe an der Seite zu wissen, kann Gold wert sein. Eine klare Verteilung der Aufgaben innerhalb der Partnerschaft bringt ebenfalls Entlastung, und vielleicht ist sogar eine Neuverteilung angesagt, schließlich haben sich die Umstände geändert. Nichts tut jetzt besser als versonnen in den Tag hineinzuleben, Entspannungsübungen zu machen oder an der frischen Luft durchzuatmen.
Vielleicht sollte das Konzept der beruflichen Freistellung oder des Mutterschutzes in Anbetracht dieser Zahlen und der zeitlichen Einordnung neu gedacht und deutlich mehr Schonung für Schwangere bereits in der Frühschwangerschaft gesetzlich geregelt werden?
Tipps von der Hebamme
Gegen viele Beschwerden gibt es Mittel, die helfen. Tipps für eine unbeschwerte Schwangerschaft findet man in unserem Online-Artikel „Schwangerschaftsbeschwerden – Sanfte Hilfe“!
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel