Das Sudden Infant Death Syndrom (SIDS), auf Deutsch „plötzlicher Kindstod“, bezeichnet den abrupten und ungeklärten Tod eines gesunden Babys. Konnte man bisher zwar Risikofaktoren für SIDS festmachen, so fehlte es bisher aber an einer Erklärung für die zugrunde liegende Ursache. Neue Forschungen scheinen endlich Antworten zu geben…
In den letzten Jahren konnte SIDS durch Präventionsmaßnahmen bereits in vielen Fällen verhindert werden, trotzdem sinken SIDS-Fälle nicht auf null, weil man die Ursache von SIDS bis vor kurzem nicht kannte. Nun gibt es endlich Hoffnung!
Dr. Carmel Harrington, eine australische Wissenschaftlerin scheint jetzt erstmals eine Erklärung für SIDS gefunden zu haben. Sie selbst verlor 1991 eines ihrer Kinder durch SIDS und forschte daraufhin jahrelang nach der Ursache. Dr. Harrington beendete ihre ursprüngliche Tätigkeit als Anwältin und absolvierte ihren Doktor in Schlafmedizin, um der Todesursache ihres Sohnes auf den Grund zu gehen. Bevor sie Anwältin wurde, hatte sie bereits als Biochemikerin geforscht. Mittlerweile ist sie eine renommierte Schlafexpertin und forscht in Zusammenarbeit mit der Universität Sydney und dem Westmead Kinderkrankenhaus.
Schuldgefühle durch das Unerklärliche
Dass Dr. Harrington eine Erklärung für SIDS gefunden zu haben scheint, bedeutet einen Durchbruch, denn neben der fachlichen Ungewissheit verursacht SIDS auch eine enorme Unsicherheit bei Eltern, die ihr Kind durch SIDS verlieren. Eltern und Angehörige verspüren oft Schuldgefühle und suchen noch jahrelang nach Erklärungen. Dr. Harrington beschreibt es auf ihrer Crowdfunding Website, auf der sie Geld für ihre Forschung sammelt, selbst so:
Man sagte mir, es sei tragisch, ich solle nach Hause gehen, meine lebenden Babys genießen und noch mehr bekommen. Ich habe es versucht. […] Abgesehen von meinen engen Freundinnen und Kolleginnen wussten nur wenige von dem, was ich immer als meine eigentliche Arbeit angesehen habe – nämlich eine Antwort auf die Frage zu finden, warum mein und so viele andere Babys uns plötzlich und ohne Vorwarnung mitten in der Nacht weggenommen werden [..].
Dr. Carmel Harrington
Renommierte Schlafexpertin
Die neuesten Erkenntnisse
Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern fand Carmel Harrington heraus, dass ein Mangel an dem Enzym Butyrylcholinesterase zu einem erhöhten Risiko für SIDS führt.
- Butyrylcholinesterase ist ein Enzym des unwillkürlichen Nervensystems, somit bestätigt sich der Verdacht, dass SIDS eine neuronale Erkrankung ist.
Die Forschenden haben ihre Ergebnisse im Lancet eBioMedicine veröffentlicht und mit diesem sensationellen Durchbruch internationale Aufmerksamkeit erlangt.
Kein Plötzlicher Säuglingstod mehr durch Vorsorge?
Durch Routineuntersuchungen nach der Geburt, um Neugeborene mit erhöhtem Risiko zu identifizieren sowie durch die Erprobung wirksamer Gegenmaßnahmen glaubt die Forschungsgruppe, SIDS in drei bis fünf Jahren gänzlich eliminieren zu können.
Alle diese Untersuchungen befinden sich allerdings noch im Stadium der Erprobung, bevor sie wirklich zum Einsatz kommen können.
Risikofaktoren
Dennoch hat die genaue Untersuchung jedes Falles der vergangenen zwei Jahrzehnte viel gebracht: Dank statistischer Daten konnten die wichtigsten Risikofaktoren identifiziert werden.
- Die Kinder wurden signifikant häufiger in Bauchlage, stark verschwitzt und oft ganz überdeckt aufgefunden.
- SIDS-Fälle häuften sich bei rauchenden Eltern.
- Als Risikogruppen wurden Frühchen, Mehrlinge und alle anderen Babys mit geringem Geburtsgewicht identifiziert.
- ACHTUNG: Gefährdete Kinder senden manchmal auch Warnsignale: Wenn es zu längeren Pausen beim Atmen kommt, das Kind im Gesicht blau anläuft, sehr blass ist, stark schwitzt oder auffällig ruhig bzw. auffällig unruhig ist, ist ein Besuch beim Arzt angezeigt.
Ganz eindeutig ist auch die Zeitspanne, in der das größte Risiko besteht: Rund 80% aller SIDS-Fälle ereignen sich in den ersten sechs Lebensmonaten, am häufigsten tritt das Syndrom im zweiten bis vierten Lebensmonat auf. Nach dem ersten Geburtstag sinkt das Risiko fast auf Null.
Präventionsmaßnahmen
- Nicht rauchen! Passivrauchen ist für einen Säugling auch in dieser Hinsicht potenziell tödlich.
- Babys sollten, besonders während des ersten Lebensjahres, auf einer flachen Unterlage, ohne Polster oder dicke Decken und nicht zu warm angezogen in einem gut belüfteten Raum schlafen. Rund 18 Grad ist eine ideale Temperatur fürs Babyschlafzimmer.
- Statt einer Decke bietet sich ein Schlafsack an: Das Kind kann sich weder frei strampeln noch überdecken; es fällt ihm zudem schwerer, sich auf den Bauch zu drehen.
- Die meisten Ärzte empfehlen, das Kind im Elternschlafzimmer, aber im eigenen Bettchen schlafen zu lassen. Die Nähe zum Baby gibt Eltern und Kind Sicherheit.
- Auch das Stillen ist eine gute SIDS-Prävention, einerseits durch die so vermittelte Nähe und Geborgenheit, anderseits durch die in der Muttermilch enthaltenen schützenden Antikörper.
- Seit 2006 steht in Österreich auch der Schnuller auf der Liste der präventiven Maßnahmen, basierend auf Studien der US-amerikanischen Kinderärztekammer.
Hilfe
Wer ein Kind an SIDS verloren hat und Hilfe sucht, kann sich mit Gleichgesinnten zum Beispiel über die Selbsthilfeorganisation SIDS-Austria Wien austauschen.
SIDS-Selbsthilfegruppen
- SIDS Austria
Vorsorge + Kontakt für betroffene Eltern
http://www.sids.at/sids_austria.html - SIDS Beratungsstellen Wien / NÖ
http://www.sids.at - SIDS Beratungsstellen Steiermark /Kärnten / Tirol / Vorarlberg
http://www.sids.at - SIDS Beratungsstellen OÖ / Salzburg
www.sids.at
Autor:in:
Dr. med. univ. Valentina Marino-Melán, MSc
Dr. Valentina Marino-Melán ist Ärztin für Kinder- und Jugendheilkunde. Sie verfügt über einen Public Health Hintergrund und hat eine besondere Leidenschaft für globale Mutter-Kind-Gesundheit. Sie verfügt über internationale Erfahrung sowohl…