Ist das Baby gesund?
Jeder Mensch ist einzigartig. Doch bei aller Individualität: gewisse körperliche Funktionen sollten natürlich nicht von der Norm abweichen. Erstuntersuchungen des Neugeborenen helfen bei der Früherkennung, und Prophylaxe schützt vorsorglich.
Der erste Schrei ihres Babys ist wohl das Schönste, das Eltern im Leben zu hören bekommen. Oft fließen Tränen der Dankbarkeit und Erleichterung. Denn dieser lauthals artikulierte Atemzug zeigt, dass sich die Lungen entfalten konnten und das Baby bereit ist für ein Leben außerhalb des Mutterleibs – eine enorm große Anpassungsleistung des Körpers und ein wundervoller Moment!
Die ersten Checks
Der Allgemeinzustand eines Neugeborenen wird besonders in den Minuten nach der Geburt aufmerksam beobachtet und mithilfe des APGAR-Scores eingeschätzt:
- Drei Mal werden Atmung, Herzfrequenz, Grundtonus der Muskulatur, Hautfarbe und Reflexe bewertet.
- Außerdem gewinnt man aus der Nabelschnur Blut, um Auskunft über den Säure-Basen-Haushalt zu erhalten. Er erzählt davon, wie es dem Baby während der Geburt ergangen ist.
In der ersten Lebensstunde sollte das Baby dann von der Brust seiner Mutter trinken dürfen. So kommt nicht nur die Milchproduktion am besten in Gang – das sogenannte Kolostrum hilft, den kindlichen Blutzuckerspiegel stabil zu halten.
Gemessen wird der Blutzuckerspiegel routinemäßig nur, wenn:
- das Baby zittrig wirkt,
- mit über 4.000 oder unter 2.500 Gramm auf die Welt kam,
- eine Frühgeburt war
- oder seine Mutter in der Schwangerschaft zuckerkrank war.
Nach dem Kuscheln und Stillen wird schließlich gewogen, der Kopfumfang genommen und das Baby in die Waagschale gelegt. Denn seine Entwicklung wird ab sofort auch daran gemessen, wie Gewichtskurve und Wachstum verlaufen. Schließlich braucht jede Zelle jetzt viel Energie, und Nährstoffe sind unentbehrlich, um eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen.
Doch keine Sorgen, in den ersten Lebenstagen ist ein Gewichtsverlust von bis zu zehn Prozent normal. Schließlich trinkt ein Neugeborenes nur kleine Portionen und hat verhältnismäßig viel Ausscheidung. Einige wenige Nährstoffe müssen ihm zusätzlich zur Nahrung zugeführt werden, da sie in der Muttermilch nicht ausreichend vorhanden sind. Neugeborene sollten daher drei Einzeldosen Vitamin K (jeweils 2mg FOTO: Panthermedia/nsp226bMicro Konaktion®) erhalten:
- die erste noch am Tag seiner Geburt,
- die zweite zwischen dem dritten und fünften Lebenstag
- und ein letztes Mal wird die ölige Flüssigkeit bei der Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zwischen 4. und 6. Lebenswoche dem Baby in den Mund geträufelt.
Die Prophylaxe dient der Vorbeugung innerer Blutungen. Außerdem sollten im ersten Lebensjahr täglich zwei Tropfen Vitamin D3 (Oleovit®) verabreicht werden, um eine rachitische Erkrankung hintanzuhalten.
Der Blutzuckerspiegle eines Neugeborenen sollte in den ersten 24 Std. nicht unter 35 Milliliter/Deziliter absinken
Neugeborenen-Screening
Das sogenannte Neugeborenen-Screening dient der Früherkennung seltener Krankheiten. Derzeit sucht man dabei nach:
- zwei hormonellen Störungen,
- 25 Stoffwechselerkrankungen
- und einer seltenen Krankheit, der Mukoviszidose.
Frühestens 36 und spätestens 72 Stunden nach der Geburt werden dafür einige Blutstopfen aus der Ferse des Kindes entnommen und auf eine Testkarte geträufelt. Für das Baby ist das ungefährlich, wenngleich nicht ganz schmerzfrei. Es tut ihm daher gut, wenn es zur Schmerzlinderung zeitgleich zur Untersuchung gestillt oder mit der Flasche gefüttert wird. Die gesuchten Krankheiten können zwar nicht geheilt werden, aber durch eine Früherkennung lassen sich komplizierte Verlaufsformen verhindern. Für einen guten Therapieerfolg müssen nämlich von Anfang an die richtigen Maßnahmen gesetzt werden. Das reicht von Spezialdiäten bis hin zur dauerhaften Einnahme von Medikamenten.
Hörtest
Das Gehör ist Grundvoraussetzung für die sprachliche Entwicklung. Erfreulicherweise hören die meisten Babys tatsächlich gut. Doch auch jene drei von 1.000 Neugeborenen, die kein Hörvermögen haben, sollten aufgespürt werden. Der Hörtest ist eine schmerzfreie Untersuchung und wird am besten gemacht, wenn das Baby schläft. Denn eine ruhige Umgebung und ein ruhiges Kind sind ideal für die Messung der otoakustischen Emissionen, die nach dem Prinzip des Echos funktioniert. Dabei wird eine Minisonde in den äußeren Gehörgang gelegt, um leise Töne ins Innenohr und zur Hörschnecke zu schicken. Die zurückgeworfenen Schallwellen können dann gemessen werden und geben Auskunft über alle hörbaren Frequenzen. Bei einem auffälligen Ergebnis folgen weitere Untersuchungen, um das Ausmaß der Hörbeeinträchtigung dingfest zu machen.
Die Hüfte
Die Entwicklung der Hüfte ist zum Zeitpunkt der Geburt nicht bei allen Kindern gänzlich abgeschlossen. Etwa vier Prozent kommen mit einer „unreifen Hüfte“ zu Welt (Hüftgelenksdysplasie); die Hüftgelenkspfanne ist noch zu klein, um den Hüftkopf ausreichend zu überdachen. Aber auch eine ausgerenkte Hüfte (Luxation) – dabei sitzt der Hüftkopf nicht perfekt in der Gelenkspfanne – muss mittels Ultraschalluntersuchung früh erkannt werden. Nur so lassen sich Spätfolgen und Operationen möglichst vermeiden.
Gering ausgeprägte Hüftdysplasien, die schon in der ersten Lebenswoche diagnostiziert werden, sind beispielsweise durch breites Wickeln (Einlage eines etwa 15 Zentimeter breiten Handtuchsteges zwischen den Beinchen) oder Positionierung in der Anspreizhocke ganz einfach zu behandeln. In Babytragen oder Tragetüchern ergibt sich diese Position beinahe von selbst.
Früherkennung
Die Früherkennung von Auffälligkeiten ist ganz oft der Schlüssel zu einem unbeschwerten Leben. Denn Abweichungen von der Norm müssen noch keine Katastrophe bedeuten und sind durchaus ganz normal … Schließlich ist jeder Mensch ein Unikat mit ganz besonderen Merkmalen. Die richtige Therapie zur frühestmöglichen Zeit ist schlussendlich wohl das wirksamste Mittel.
Autor:in:
Katharina Wallner ist frei praktizierende Hebamme, Pädagogin und unterrichtet an der Fachhochschule Campus Wien am Studiengang Hebammen. Sie begleitet Familien von der Schwangerschaft bis ins Kleinkindalter. Aktuelle Artikel