„Alle müssen mal aufs Klo“, „Das Alpaka muss Kacka“, „Der kleine Klo-König“ – die Literatursammlung für Kinder zum Thema Toilette wird immer größer. Für Eltern, deren Kinder unter Verstopfung leiden, verliert das Thema allerdings schnell die lustige Komponente, der Leidensdruck ist hoch. Doch was ist Obstipation eigentlich und wie kann man ihr begegnen?
Gestillte Babys versus Flaschenbabys
Für alle Neugeborenen gilt: Sie sollten innerhalb der ersten zwei Lebenstage möglichst schnell das sogenannte Mekonium oder Kindspech, einen schwarzen bis grünlichen, klebrigen Stuhl absetzen. Danach ist die Definition regelmäßiger Stuhlgewohnheiten breit gefächert.
Gestillte Babys haben meist mehrere Stuhlportionen am Tag, flüssig bis breiig und senfgelb. Das Eiweiß aus der Muttermilch besteht vor allem aus Molkenprotein, das durch die Magensäure fein zersetzt wird und den Magen so schneller verlässt als das Kuhmilchprotein aus der industriell erzeugten Säuglingsnahrung, das mehr Casein enthält und dadurch großflockiger zerteilt wird. Säuglinge, die mit industriell gefertigter Milchnahrung gefüttert werden, haben daher meist einen hellbraunen, kneteartigen Stuhl.
Von zehnmal täglich bis einmal alle zehn Tage ist bei gestillten Säuglingen alles normal, solange es dem Baby gut geht und es keine Schmerzen hat. Andernfalls sollte sofort Rücksprache mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin gehalten werden. Bekommt ein Baby das Fläschchen, ist mehrmals täglich Stuhlgang bis einmal alle fünf Tage im normalen Rahmen. Zusätzlich sollte immer darauf geachtet werden, dass das Baby gut zunimmt und mindestens sechs nasse Windeln am Tag hat; eine niedrigere Zahl weist auf eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr hin.
Verdauung ab dem Beikostalter
Ab dem Beikostalter verändert sich der Stuhl in Konsistenz und Farbe, er wird fester, dunkler und riecht intensiver. Der Durchschnitt liegt nun bei zweimal täglich bis alle zwei Tage, keinesfalls sollte das Baby aber Schmerzen haben oder gar blutige Einrisse am After bekommen.
Alleine festes Drücken ist kein Hinweis auf eine Verstopfung. Kinder müssen sich an den festeren Stuhlgang erst gewöhnen – das kann zunächst anstrengend sein und zu einem roten Kopf führen. Bewegung kann auch in diesem Alter schon helfen: Babys müssen ausreichend Möglichkeit haben zu strampeln und sich zu bewegen, zu straff sitzende Windeln oder feste Kleidung sind dabei oft einschränkend.
Ernährung, Bewegung, Gewohnheiten – viele Faktoren beeinflussen unsere Verdauung und machen diesen Bereich so sensibel.
Wann medizinische Hilfe suchen?
Sobald ein Kind die normale Stuhlfrequenz unterschreitet und zusätzlich Symptome wie Bauchschmerzen, Unwohlsein, Völlegefühl und Schmerzen beim Absetzen des Stuhls oder gar Verletzungen am After hat, muss abgeklärt werden, woher das Problem kommt. Zuallererst muss Verstopfung natürlich durch den betreuenden Kinderarzt oder die Kinderärztin abgeklärt werden.
Werden Medikamente verschrieben, muss man sie auch gewissenhaft verabreichen. Selbst wenn das akute Problem behoben ist, wird eine gewisse Zeit weiter therapiert, und das mit gutem Grund. Das Kind soll wieder Vertrauen fassen und merken, dass das Absetzen des Stuhles leicht geht und keine Schmerzen bereitet. Zeitgemäß ist die Verwendung von Macrogol, einem Stoff, der den Stuhl weicher macht, aber nicht aufgenommen werden kann; man muss also nicht besorgt sein, wenn Macrogol für längere Zeit gegeben wird.
Auf Zeit und Haltung achten
Oft sind nicht organische Ursachen der Grund für Probleme, sondern schlichtweg Umstellungen im Tagesablauf und somit weniger Zeit auf der Toilette oder psychischer Stress, der sich im Stuhlverhalten äußert. Auch die veränderte Körperhaltung auf der Toilette kann vor allem kleineren, aber auch größeren Kindern Schwierigkeiten bereiten. Hier kann ein Schemel oder Hocker helfen, das richtige Pressen wieder zu ermöglichen.
Und die Rolle der Ernährung?
Die richtige Ernährung ist wichtig, kleine Veränderungen bringen oft schon viel. Nur die Trinkmenge zu erhöhen, ist aber nicht immer zielführend – denn wenn ein Kind schon zuvor ausreichend getrunken hat, spült das die Nieren, erhöht aber nicht die Stuhlfrequenz. Ebenso verhält es sich bei Ballaststoffen und Gemüse: Wenn davon grundsätzlich schon genug gegessen wurde (Vollkornprodukte und drei Kinder- Handvoll Gemüse am Tag), bringt eine vermehrte Zufuhr durch Weizenkleie, Leinsamen etc. vermutlich keinen Effekt. Diese Produkte müssen bei Kindern außerdem fein vermahlen und mit Bedacht eingesetzt werden – nur teelöffelweise beginnen. Flohsamenschalen können bei guter Akzeptanz helfen; ein Teelöffel morgens und abends reicht aus, in Wasser oder Joghurt/Müsli gerührt sollten sie rasch verzehrt werden.
Spezielles Pulver aus löslichen Ballaststoffen aus der Apotheke kann eine gute Wirkung zeigen und ist geschmack- sowie geruchlos. Übliche Verdächtige, die Verstopfung hervorrufen sollen, wie gekochte Karotten, Heidelbeeren, Bananen und weißer Reis, sind wissenschaftlich als Auslöser nicht belegt und nur in großen Mengen zu meiden.
Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte sowie Gemüse wie z.B. Sauerkraut erhöhen den Ballaststoffanteil unserer Nahrung.
Wenn Wasser alleine zu langweilig ist, sorgen Zitrone, Orange oder Gurke als Scheiben für Pepp im Glas.
Wenn der ganze Körper sich bewegt, ist auch der Darm gut in Bewegung. Das fördert die Verdauung.
Was können Eltern auch schon vorbeugend tun?
- Animieren Sie Ihr Kind bei einer Trinkmenge von unter einem Dreiviertelliter im Kleinkindalter oder einem Liter im Volksschulalter durch Strohhalme, bunte Becher oder Gläser, „Um-die-Wette-Trinken“ etc. zum Trinken.
- Normalisieren Sie die Menge von Obst und Gemüse auf je zwei Kinder-Handvoll pro Tag.
- Mehr als zwei Kinder-Handvoll Obst sind wegen des natürlich enthaltenen Fruchtzuckers nicht förderlich – dazu zählen auch Saft, Smoothies und „Quetschies“.
- Argumentieren Sie nicht mit „gesund“, sondern mit dem Geschmack („das mag Oma auch so gerne“), dem Mundgefühl („das knackt so lustig im Mund“) etc.
- Lassen Sie Kinder so weit wie möglich am Einkauf, an der Zubereitung, am Tischdecken teilhaben. Dabei sollten Sie aber nicht mehr als zwei Auswahlmöglichkeiten geben, um das Kind nicht zu überfordern.
- Achten Sie auf möglichst viele unbearbeitete Lebensmittel und meiden Sie Fertigprodukte.
- Nutzen Sie Milchsäurebakterien aus Joghurt, Kefir, Buttermilch, Sauerkraut und anderen fermentierten Produkten.
- Stellen Sie nach Möglichkeit auf Vollkornprodukte um (Brot, Gebäck, Nudeln, Naturreis etc.) – nur was Vollkorn im Namen trägt, enthält auch volles Korn, die dunkle Farbe allein reicht nicht.
- Reduzieren Sie Süßigkeiten, wenn nötig, auf eine kleine Kinder-Handvoll am Tag.
- Wie immer lernen Kinder am Modell, die gesunde Ernährung sollte also von der gesamten Familie gelebt werden.
- Bewegen Sie sich gemeinsam so viel wie möglich an der frischen Luft.
- Lassen Sie dem Kind Zeit auf der Toilette.
Eine gezielte Therapie mithilfe des Kinderarztes oder der Kinderärztin sowie ein offener Umgang mit dem Thema, inklusive der passenden kindgerechten Literatur, löst das Problem hoffentlich schnell und führt dazu, dass das stille Örtchen wieder zum Wohlfühlort wird
Autor:in:
Verena Heu ist Diätologin, BSc MAS MSc IBCLC und arbeitet seit 20 Jahren im Bereich der Kinderernährung und lernt jeden Tag, nicht zuletzt durch ihre eigenen Kinder, etwas dazu. Aktuelle…