„Wie soll es denn heißen?“ Kaum eine Frage bekommen werdende Eltern in der Schwangerschaft häufiger zu hören. In der Tat will die Entscheidung für einen Vornamen wohldurchdacht sein, soll dieser doch ein Leben lang passen. NEW MOM hat Expertin Frauke Rüdebusch zum Thema befragt.
Bei Frauke Rüdebusch von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden dreht sich alles um Namen: Denn wenn es um die Abklärung von außergewöhnlichen Wunschnamen geht, kooperieren die Standesämter in Deutschland mit der GfdS. Da wird recherchiert, werden Gutachten erstellt, mitunter auch für Gerichte. Schließlich kann die Namensfrage, zumindest manchmal, heikel werden. „Selbstverständlich gibt es Trends, die Eltern in ihrer Entscheidung beeinflussen. Allerdings sind die Entwicklungen hier etwas träge, Änderungen lassen sich eher über Jahrzehnte beobachten. Im Moment ist der Wohlklang für Eltern das wichtigste Kriterium, lange vor Bedeutung, Tradition oder berühmten Vorbildern“, erläutert die Sprachexpertin.
Kriterien bei der Auswahl des Vornamens
Aus diesem Grund kommen gern Namen mit den hellen Vokalen a, e und i in die engere Auswahl, kombiniert mit klangvollen Konsonanten wie m, n und l: „Das sind sehr weiche Namen, auch für Buben werden eher androgyne Namen ausgesucht. Zu nennen etwa Noah oder Luca – Bubennamen, die mit der Endung a eher Charakteristika von weiblichen Vornamen aufweisen“, erklärt Frauke Rüdebusch.
Ein Blick auf die österreichische Hitliste des Jahres 2022 beweist, dass dies angesichts von Favoriten wie Emma, Emilia, Marie, Mia, Anna oder Paul, Jonas und David auch hierzulande gilt. Kaum mehr in die Top-10-Ränge schaffen es lange Namen. Wimmelte es vor 30 Jahren noch so vor Katharinas und Sebastians, mag man es jetzt kurz und bündig. Ausnahmen bestätigen die Regel: In Österreich steht Maximilian bei den männlichen Vornamen ganz oben in der Beliebtheitsskala 2022.
Möglichkeiten in Deutschland
Noch ein Gegensatz zu unseren Nachbarn offenbart sich übrigens im Gesetz, das den Eltern in Deutschland nicht nur ein Namensfindungs-, sondern auch ein Namenserfindungsrecht zugesteht. Wer jetzt davon ausgeht, dass dies Tür und Tor für allzu Ausgefallenes öffnet, irrt: „Der Rahmen ist streng, denn ein Name darf dem Kind nicht schaden, darf es nicht der Lächerlichkeit preisgeben und muss schlicht und ergreifend nach einer Person klingen, nicht nach einem Gegenstand“, umreißt Rüdebusch die geltende Rechtslage. So war es für sie klar, Wünsche wie Berlin, Dresden, Frühling und Popcorn abzulehnen. Und doch gibt es nach wie vor Eltern, die nach dem Kuriosen streben.
Soziale Unterschiede
Was tatsächlich mitunter zum Tragen kommt, ist der Wunsch, sich mit dem Vornamen der Kinder sozial abzugrenzen, sprich: seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu untermauern. „Besonders obere soziale Schichten entdecken seit geraumer Zeit alte, seltene Namen wieder; hier spielt die Großelterngeneration eine Rolle. Wer sein Kind Emil, Anton oder Frieda nennt, hat oft auch das Bedürfnis, sich von anderen Schichten abzuheben. Das funktioniert so lange, bis mit etwas Verzögerung diese Trendnamen insgesamt häufiger werden und auch in mittleren und unteren Schichten ankommen – bei Menschen, die sich nach oben orientieren, nach Aufwertung streben. Dann beginnt das Spiel wieder von vorne“, erläutert die Expertin. „Die Vorliebe für frankophone und anglophone Namen findet sich ebenfalls stark in sozial schwächeren Familien“, erläutert die Expertin.
Netflix und Fußballrasen
Ein Großteil der Eltern vergibt Namen, die absolut unproblematisch sind und nie auf den Schreibtischen der GfdS landen. Auch den Einfluss von Promis schätzt die Sprachwissenschaftlerin insgesamt als sehr gering ein: „Abgelehnt haben wir beispielsweise den Namenswunsch Zecke. Dabei handelt es sich um den Spitznamen des ehemaligen deutschen Fußballspielers Andreas Neuendorf“.
Gewählt werden manchmal Vornamen, die mit Kinderbuchklassikern in Verbindung stehen. Während Ronja (2022 in Österreich 82 Mal vergeben) und Findus (in Österreich 2020 drei Mal vergeben) noch alle Kriterien erfüllen, wurde Bootsmann selbstverständlich abgewiesen. Nach dem Hund in Astrid Lindgrens „Ferien auf Saltkrokan“ darf ein Kind nicht benannt werden – vor allem, weil der Name nicht nach einer Person klingt.
Auch der Hype um Serien macht sich mitunter bemerkbar und lässt sich beispielsweise anhand von „Game of Thrones“ auch für Österreich festmachen. So erlebte Arya 2021 mit 41 Treffern einen Höhepunkt, während die Namen anderer Charaktere nur punktuell Fans fanden. Dass die seit 2010 anhaltende Beliebtheit von Lionel (38 Mal 2022) auf den Fußballstar zurückzuführen ist, scheint naheliegend, bei Cristiano (17 Mal 2010) wird es sich wohl ähnlich verhalten. Inwieweit mittlerweile Social Media Einfluss nimmt, wäre eine eingehende Untersuchung wert.
Die Qual der Wahl…
„Ein schöner Name ist das beste Geschenk für ein Kind“, meint die deutsche Übersetzerin und Lektorin Susanne van Volxem und hat für ihr Vornamenbuch einen besonders originellen Zugang gewählt. „No Name. Wie Sie Ihr Kind nicht nennen sollten“ lautet sein Titel, und der ist Programm. Ein plärrendes Babygesicht als abschreckendes Beispiel warnt vor Namen, die allzu häufig oder sonst irgendwie in Verruf geraten sind. Natürlich gibt es auch ein lachendes Pendant, etwa für eine kleine Juliane statt des Klassikers Julia oder für Kilian statt Joel.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, und den grübelnden Eltern in spe sei zur Beruhigung gesagt: Meistens passt der Name zum Kind, Änderungen kommen selten vor. Was Unentschlossene aber nicht von einer ausgiebigen Recherche abhalten sollte – neben spezialisierten Websites und einschlägigen Büchern kann auch ein Spaziergang über einen Friedhof mit neuen Ideen versorgen.
Gesetzliche Regelung in Österreich
Ganz im Gegensatz zu manchen Aufregern im Internet hält Ulrike Kuzaj-Sefelin, Öffentlichkeitsarbeiterin der Abteilung Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand der Stadt Wien, die gesetzliche Regelung in Österreich für ausreichend.
Kommen Eltern zur Anmeldung des Kindes aufs Standesamt, gibt es in den allermeisten Fällen keine Unklarheiten. „Das entscheidende Kriterium für uns ist, dass der gewünschte Name irgendwo auf der Welt tatsächlich als Vorname gebräuchlich ist“, umreißt Kuzaj-Sefelin die Richtlinie für Standesbeamte.
Das über Jahrzehnte gebräuchliche „Vornamenbuch“ ist heute nicht mehr in Verwendung, vielmehr gibt ein Blick ins Zentrale Personenstandsregister Auskunft darüber, ob ein Name bereits in Verwendung ist.
- Scheint er dort tatsächlich nicht auf, müssen Eltern einen schriftlichen Nachweis über die Existenz des Namens erbringen, etwa über eine Botschaft oder das Institut für Sprachwissenschaften einer Universität.
„Das schützt vor reinen Fantasienamen. Die Beweislast liegt bei den Eltern und nicht in der Willkür der Standesbeamtinnen und Standesbeamten“, erläutert die Expertin.
Wissenswertes rund um Namensänderungen
„Hübsch und anmutig von Geburt“, so die wunderschöne Bedeutung des alten gälischen Namens Kevin, seit 1984 in Österreich 9.909 Mal vergeben. Und doch ist kaum ein Vorname mit mehr Vorurteilen und sozialen Stigmatisierungen behaftet. Verhaltensauffällig und leistungsschwach sollen Kevins sein, von Anmut keine Spur … Das Phänomen des „Kevinismus und Chantalismus“ (Chantal wurde immerhin 501 Mal gewählt) ist ausgiebig erforscht.
„Vornamen müssen in Österreich gebräuchlich sein, dürfen in Kombination mit dem Nachnamen nicht lächerlich wirken – also eine klare Absage an ‚Axel Schweiß‘ – und dem Kindeswohl nicht abträglich sein. Außerdem muss der erste Vorname dem Geschlecht entsprechen“, fasst Ulrike Kuzaj- Sefelin zusammen.
Und wenn’s dem Namensträger gar nicht passt?
- Um eine Namensänderung mit geringer Gebühr zu erwirken, muss die antragstellende Person glaubhaft machen, dass mit dem bisherigen Namen erhebliche wirtschaftliche Nachteile verbunden sind.
- Ohne Angabe von Gründen ist eine Namensänderung möglich, allerdings fallen dann zirka 600 Euro an Gebühren für Antrag und Bewilligung an.
„Rund 1.200 bis 1.500 behördliche Namensänderungen haben wir in Wien pro Jahr. Das sind jene, die eben nicht mit Heirat, Scheidung oder anderen Lebensereignissen zu tun haben“ – Kuzaj-Sefelin (Öffentlichkeitsarbeiterin der Abteilung Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand der Stadt Wien)
Kuriose Vornamen
Der britische Starkoch Jamie Oliver ist zweifelsohne ein Genie am Herd. Ob er auch bei der Wahl der Vornamen für seine Kinder Geschmack bewiesen hat, darüber scheiden sich die Geister. Poppy Honey Rosie, Daisy Boo Pamela, Petal Blossom Rainbow, Buddy Bear Maurice und River Rocket: Das Quintett hat hoffentlich eine hohe Affinität zur Natur und schätzt blühende Gänseblümchen ebenso sehr wie einen Regenbogen.
Ist es der Wunsch nach Individualität, eine besondere Form von Kreativität oder schlicht und einfach das Bedürfnis, aufzufallen und die Society-Spalten zu füllen? Kuriose Vornamen sind in und um Hollywood jedenfalls gang und gäbe. Ob die Promikinder Story Annabelle, Rainbow Aurora und Sir Carter mit ihren Namen später glücklich werden, sei dahingestellt. Das nötige Kleingeld für eine etwaige Änderung wird wohl vorhanden sein.
Die beliebtesten Vornamen in Österreich
Hier findet man Listen:
- zu den beliebtesten Vornamen in Österreich lt. Statistik Austria
- zu den beliebtesten Vornamen in Wien
- und.. einen interessanten Rückblick auf die Jahre 1995 und 1985!
Autor:in:
Zur Person Mag.a Mirjam Dauber ist Lehrerin, freie Journalistin und Rezensentin. https://blaetterwald.at/ Aktuelle Artikel