Welche Windel ist die richtige?
5.000 bis 6.000 volle Windeln produziert ein Kind, bis es sauber ist. Das ergibt einen ziemlich beachtlichen Müll- bzw. Schmutzwäscheberg. Anders als früher, als der Windelmarkt nahezu monopolistisch war, gibt es heute eine Vielzahl von Anbietern mit unterschiedlichen Produkten. NEW MOM hat sich umgesehen.
Im Zuge der Klima- und Umweltdebatte rückt auch das Windelthema wieder stärker in den Fokus. Schließlich machen Windeln – zusammen mit Erwachsenen-Inkontinenzprodukten – schätzungsweise zehn Prozent des Hausmülls aus.
Wegwerfwindel versus Stoffwindel
Laut einer britischen Studie sind beide Alternativen hinsichtlich der Ökobilanz überraschenderweise nahezu gleichauf, wenn es um den Ausstoß von CO2 geht – freilich mit unterschiedlicher Gewichtung.
- Erweisen sich bei der Wegwerfwindel Produktion, Transport und Verbrennen als problematisch,
- schlägt bei den Stoffwindeln hauptsächlich der Waschvorgang negativ zu Buche.
Entgegen anderslautenden Behauptungen brennen Windeln im Hausmüll recht gut: Bei 1.400 Grad in einer professionellen Müllverbrennungsanlage macht auch der nasseste Superabsorber nur ein kurzes „Zisch“ und die Flüssigkeit ist verdunstet. Volle Windeln verfügen also über einen – wenn auch eher geringen – Heizwert.
Umgekehrt haben Stoffwindel-User durch geschicktes Windelmanagement hinsichtlich des Waschvorgangs durchaus positive Einflussmöglichkeiten auf die Ökobilanz.
Verträglichkeit von Windeln
- Wegwerfwindeln glänzen meist nicht durch Atmungsaktivität, außerdem können Bleichmittel aus der Produktion die zarte Babyhaut reizen.
- Die dicken Stoffwindeln schränken ihre kleinen Träger dafür stärker in ihrer Bewegungsfreiheit ein, haben allerdings den Vorteil, dass die Babys automatisch breit gewickelt sind, was Hüftfehlstellungen vorbeugt.
Windeln kosten Geld
Eines darf man bei allen Debatten nicht aus den Augen verlieren: Wickeln ist nicht nur zeitaufwendig, Windeln kosten auch eine Menge Geld … das bei jungen Eltern meistens Mangelware ist.
Riesige Windelauswahl
Standen junge Eltern früher vor der rein theoretischen Frage „Pampers oder Pampers?“, ist der Markt heute deutlich vielseitiger geworden, nicht zuletzt durch den Onlinehandel.
So gibt es unzählige Stoffwindel-Hersteller, und sie alle erleben momentan einen Höhenflug. Aber auch auf das Interesse an nachhaltigen Wegwerfwindeln hat der Markt mit neuen Produkten reagiert.
Pampers
Pampers, der Erfinder der Wegwerfwindel, betreibt in Schwalbach am Taunus ein eigenes Windelforschungszentrum.
Im Lauf der Jahre wurde die Pampers
- immer dünner
- der Zellstoffanteil zunehmend geringer
- und durch einen Superabsorber aus Polymeren nahezu ersetzt. Dieser leitet die Feuchtigkeit von der Hautoberfläche sofort in das Innere der Windel, die Haut bleibt dadurch weitgehend trocken.
Die Günstigen
Die Eigenmarken der großen Handelsketten bieten im Wesentlichen alle die klassische Materialkombi aus Zellstoff, Polymer-Superabsorber (Erdölprodukt) und einer Folie aus Polyethylen als Auslaufschutz. Während die Qualität in vielen Verbraucherstudien bestätigt wurde, stehen Umweltfreundlichkeit der Produktionsbedingungen bzw. Nachhaltigkeit der Materialien weniger im Fokus. Bei Eigenmarken herrscht ein erbitterter Preiskampf – gut für alle mit kleinem Budget.
Die Nachhaltigen
Der Hinweis „biologisch abbaubar“ auf den Ökowindeln hilft der Umwelt meist wenig, darf man die vollen Windeln wegen der enthaltenen Fäkalien ohnehin nicht in die Biotonne werfen. Da Hausmüll in Österreich nicht mehr deponiert, sondern verbrannt wird, ist die Abbaubarkeit einer Windel aktuell kein relevantes Kriterium.
Entscheidend sind aber ein ressourcensparender Produktionsprozess und Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen.
- Die Fairwindel besteht zu 80 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Als einzige (!) Windel am Markt enthält sie keinen erdölbasierenden Superabsorber, sondern einen auf Stärkebasis. Die Außenfolie ist ein Maisprodukt, der Zellstoff komplett chlorfrei gebleicht. Eigentlich könnte man sie im Garten vergraben. Natürlich haben so viel Umweltfreundlichkeit und soziales Engagement auch ihren Preis.
- Keine Parfums, Lotionen, Verzicht auf Chlorbleiche und Naturlatex. Die HiPP Babysanft Windel punktet mit Hautverträglichkeit und rund 40 Prozent Recyclingfolie. Und: Sie wird in einem CO2-neutralen Werk in Deutschland produziert.
- Die Pampers Pure Protection wird aus teilweise nachwachsenden Rohstoffen ohne Chlorbleiche produziert. So kommen etwa Materialien auf Basis von Zuckerrohr zum Einsatz.
Die Stoffwindeln
Moderne Stoffwindeln haben sehr wenig mit den Prototypen aus Uromas Zeiten zu tun.
Zur Wahl stehen verschiedene Systeme (siehe Infos weiter unten im Artikel!)
Nicht jedes System passt zu jedem Babypopo, hier gilt es zu testen – weshalb die meisten Händler auch Probiersets anbieten. Meist wird ein herausnehmbares Vlies fürs große Geschäft verwendet und anschließend im Müll entsorgt, der Rest kommt in die Wäsche. Eine Stoffwindelausrüstung für ein Baby kostet rund 300 Euro. Dazu kommen noch sinnvolle Dinge wie Windelkübel oder Wetbags.
Achtung: Richtig waschen ist die halbe Ökobilanz!
- Die Stoffwindeln, falls notwendig, mit klarem Wasser abspülen.
- Wenn mehrere zusammengekommen sind, durch das Vorspülprogramm der Waschmaschine laufen lassen.
- Für den Hauptwaschgang kann man normale Wäsche hinzufügen und mit 40 Grad waschen. So vermeidet man Extra-Waschgänge.
- Ein spezielles Bio-Waschmittel desinfiziert die Windeln mittels Sauerstoffbleiche, ohne die Umwelt zu belasten, und sorgt dafür, dass die Naturfasern weder Schaden nehmen noch ihre Saugkraft einbüßen.
Zusätzliche Informationen zum Thema „Windeln“
Wegwerfen oder waschen? Das ist die entscheidende Frage, wenn es um die Wahl eines Windelsystems geht. Neben gut beworbenen Einmalprodukten gibt es eine Alternative, die auf den ersten Blick aus der Zeit gefallen scheint: Stoffwindeln. Auf den zweiten Blick liegt sie aber vielleicht genau am Puls der Zeit?
Um sich für ein nachhaltiges Windelsystem zu entscheiden, vereinbart man am besten einen Termin bei einer Windelberatung. Ich habe für meine Recherchen mit Sonja Kabinger vom „Windelparadies“ gesprochen. Sie hat unzählige Beratungen durchgeführt, den besten überblick über die Windelberge des Stoffwindelsektors, betreibt einen Onlineshop und bietet interessierten Eltern Probesets an, um diese Art des Wickelns zu testen.
Windelberatung macht Sinn
Als mir die Windelberaterin von den verschiedenen Systemen erzählt, schwirrt mir erst mal der Kopf. Denn längst wird unter „Stoffwindel“ nicht mehr die klassische Mullwindel verstanden. Diese werfen sich heutzutage viele lediglich als Spuckwindel über die Schulter.
Gemeint sind ausgeklügelte Systeme, wenn man von Stoffwindeln spricht. Alle setzen sich wie folgt zusammen:
- aus einem Saugkern,
- einer wasserdichten, atmungsaktiven überhose
- und einem Windelverschluss aus Druckknöpfen oder Klettverschlüssen zusammen.
Die wasserdichte Schicht ist meist aus einem Hightech-Material gefertigt, das sich Polyurethanlaminat (kurz PUL) nennt und das man von Regenbekleidung und Matschhosen kennt. Im Stoffwindelbereich setzen die meisten Hersteller auf einen dünnen Polyester-Interlock (hierbei werden zwei Stofflagen miteinander verstrickt), der auf der Unterseite mit Polyurethan beschichtet ist, oder auf PUL-laminiertes Baumwollgewebe.
„Wenn man mit Stoffwindeln wickelt, kommen sonst weitgehend hochwertige Naturmaterialien wie Bambusfasern, Hanf oder Baumwolle an die sensible Haut des Babys. Das ist neben ökologischen und ökonomischen Überlegungen auch der häufigste Grund, warum sich Familien für das Wickeln mit Stoffwindeln entscheiden“, erzählt die Beraterin und dreifache Mutter, die ihre Kinder alle auf diese Weise gewickelt hat.
Durch den Schnitt von Stoffwindelhosen wird das Baby automatisch breit gewickelt.
Eine Maßnahme, die eine gesunde Hüftentwicklung fördert und von Orthopäden bei unreifen Hüften oft empfohlen wird.
Übersicht Stoffwindel Alternativen
Höschenwindel mit Überhose
Vorteile:
+ sehr saugstark und auslaufsicher
+ das beste System für lange Wickelintervalle (z. B. in der Nacht)
Nachteil:
– großer Windelpopo – je nach Hersteller mehr oder weniger
Überhose mit Saugeinlagen
Dies gilt als beliebtestes Windelsystem.
In eine Überhose werden Saugeinlagen eingelegt oder mit Druckknöpfen in ihr befestigt.
Vorteile:
+ wenig Wäsche
+ Saugkraft kann gut angepasst werden
+ kleiner Windelpopo
+ kostengünstig
AIO (All-in-one)- Windeln
Hier ist der Nässeschutz schon integriert.
Dieses System kommt von der Handhabung her einer Wegwerfwindel am nächsten.
Vorteil:
+ einfaches Handling
Nachteile:
– sehr viel Wäsche, da bei jedem Wickeln alles gewaschen
werden muss
– teuerstes System
All-in-3-Systeme
Diese Systeme bestehen aus drei Teilen: einer Außenwindel, einer Wanne und einer Saugeinlage.
Vorteile:
+ PUL nur im Hauptnässebereich
+ kleiner Windelpopo
+ hübsche Designs
Nachteil:
– Windel wächst nicht mit und man benötigt daher für Neugeborene
eine kleinere Größe
Wäschehaufen statt Windelberge
Wenn ein Baby mit Wegwerfwindeln gewickelt wird, verbraucht es im Laufe seiner Wickelzeit mehr als 6.000 davon und produziert damit sage und schreibe über eine Tonne Müll. Klingt besch…, ist es auch. Denn der tägliche Windelverbrauch eines Neugeborenen liegt bei sieben bis acht Windeln. Sobald es mit fester Nahrung gefüttert wird, reduziert sich die Menge, und ein Kleinkind braucht nur noch vier bis fünf Windeln in 24 Stunden.
Wer also mit Stoffwindeln wickelt und nicht ständig waschen möchte, braucht:
- mindestens drei Tagessets mit jeweils sechs bis acht Tageswindeln, drei Nachtwindeln und drei passende Überhosen.
- Verwendet man eine All-in-one-Lösung, schafft man sich am besten 15 bis 18 Tageswindeln und drei Nachtwindeln mit einer passenden Überhose an.
Vor- und Nachteile
Der höhere Zeitaufwand für das Wickeln mit Stoffwindeln, der Platzbedarf zum Trocknen der Wäsche und reichlich Zusatzequipment wie Wetbags (waschbare, wasserdichte Säcke für unterwegs), Wäschenetze und große Windeleimer sollen nicht unerwähnt bleiben.
Es gibt schließlich gute Gründe dafür, dass Wegwerfwindeln sich durchgesetzt haben: Das Handling ist schlichtweg einfacher und verschmutzte Windeln können unterwegs problemlos entsorgt werden. Auch das Trockenheitsgefühl auf der Haut ist beim Einmalprodukt unerreicht. Während jedoch die einen feiern, dass mit Wegwerfwindeln gewickelte Kinder weniger Hautausschläge im Windelbereich haben, weil sich Harnsäure nicht am Po zu schaffen machen kann, betrachten die anderen die Naturmaterialien der Stoffwindelsysteme als Vorteil für die Babyhaut.
Als weiteres Argument für ihren Favoriten führen sie ins Treffen, dass mit Stoffwindeln gewickelte Kinder möglicherweise schneller sauber werden. Ob die Entscheidung für Stoffwindeln der CO2-Bilanz dient, hängt von der individuellen Handhabung und der Lebensdauer der Windel ab. Da man die Stoffwindeln für weitere Kinder verwenden kann, potenziert sich das Ergebnis, wenn es mehrmals Familienzuwachs gibt.
Im Hinblick auf die Ökobilanz sollte man überlegen, wie lang die Transportwege sind, und Modelle wählen, die vergleichsweise wenig Wäsche verursachen. Das können beispielsweise Wollüberhosen sein, die nur sehr selten gewaschen werden müssen, oder ein All-in-3-System, bei welchem nur die Einlagen verschmutzen.
Einen großen Einfluss hat ressourcensparendes Waschen und Trocknen. Gewaschen werden verschmutzte Stoffwindeln am besten in einem Vorwaschgang und anschließend bei 40 bis maximal 60 Grad mit einem wasserreichen Waschprogramm und im Idealfall (im Sinne der besseren Ökobilanz) mit Ökostrom.
Entgegen der verbreiteten Annahme, dass das Auskochen von Windeln notwendig wäre, rät die Windelberaterin sogar davon ab. Denn nur ein schonender Waschgang ist tatsächlich umweltfreundlicher. Zu große Hitze schadet obendrein dem Material und zerstört die Nässeschutzschicht.
„Windeln sollten nicht länger als drei Tage ungewaschen liegen bleiben und kommen idealerweise gemeinsam mit Babywäsche, Handtüchern oder anderen pflegeleichten Textilien in die Waschmaschine. Damit bei niedrigen Temperaturen Keime und Bakterien zuverlässig abgetötet werden, muss ein geeignetes hautfreundliches Windelwaschmittel ohne Duftstoffe oder ein Vollwaschmittel mit Sauerstoffbleiche verwendet werden. Nach dem Waschen werden die Utensilien am besten an der Luft getrocknet, da der Wäschetrockner nicht nur die Umwelt, sondern auch das Material belastet“, so Kabinger.
Österreichischer Windelgutschein
Um den Ankauf einer Stoffwindel-Ausstattung zu erleichtern, gibt es den österreichischen Windelgutschein, der in manchen Gemeinden über das Wohnsitzgemeindeamt und in Wien in den Eltern-Kind-Zentren ausgegeben wird. Der Windelgutschein kann einmalig eingelöst und die windelgutscheinfähigen Marken können aus dem Sortiment gelisteter Händler frei gewählt werden.
INFOS zum österr. Windelgutschein: verein-wiwa.at
Und wenn die Uroma oder die Großeltern erfahren, dass ihre „altmodische“ Art zu wickeln ein Trend ist und ihr kleiner Liebling tatsächlich so gewickelt werden soll, geben sie vielleicht ein bisschen was für die Anschaffung ins Sparschwein dazu.
Quellen und LINK
- Windelberatung in der Nähe finden: https://windelberater.at/
- O’Brien, K. et al. (2009). Life Cycle Assessment: Reusable and Disposable Nappies in Australia (Brisbane).
- Aumônier, S., Collins, M., Garret, M., Garrett, P. (2008). Science Report: An updated lifecycle assessment study for disposable and reusable nappies (Oxford).
Autor:in:
Eva Sorantin ist Chefredakteurin von NEW MOM & all4family, Mutter von vier Kindern und beruflich schon seit über 20 Jahren in der Verlagsbranche im Bereich Familienmedien tätig. Wenn sie nicht…