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Kinderkrippen - Zum Wohl der Kinder?

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Kind spielt
Foto: PantherMedia/olesiabilkei

Mama arbeitet, Papa arbeitet, und Sohnemann oder Töchterlein hat auch einen Nine-to-five-Job. In der Kinderkrippe. Der Ausbau von Kinderkrippenplätzen läuft derzeit auf Hochtouren, um Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Ein hehres Ziel. Stellt sich die Frage: Ist diese Entwicklung auch für die Kleinsten positiv?

Die Gesellschaft fordert - und die Politik setzt um. 13.000 neue Kinderkrippenplätze will Familienministerin Sophie Karmasin bis 2018 schaffen. Wohin aber führt uns dieser Trend? Wird aus dem Angebot "Kinderkrippe für alle" Pflicht? Haben wir in Zukunft ein obligatorisches Krippenjahr zu diskutieren? Tatsache ist: Sind die Plätze erst geschaffen, dann müssen sie auch gefüllt werden.

KLEINE KINDER - GROSSER STRESS?

Tatsache ist auch: Die Krippe eignet sich nicht für jedes Kind. Besonders für feinfühlige Kinder stellt der tägliche Aufenthalt in einer Gruppe eine große Herausforderung dar und kann Stress verursachen. Das bestätigt der dänische Familientherapeut und Buchautor Jesper Juul in seiner provokanten Streitschrift "Wem gehören unsere Kinder?": "Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 22 % der Ein- bis Dreijährigen in Kinderkrippen einen zu hohen Cortisolspiegel aufweisen. Cortisol ist ein Stresshormon und wirkt neurotoxisch", erklärt Juul. Entsprechende Messungen führte auch die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert im Rahmen der groß angelegten Studie NICHD (USA 2007) durch. Ahnert relativiert allerdings und zieht aus dem erhöhten Cortisolwert einen anderen Schluss: nämlich dass besondere Behutsamkeit und Vorsicht in der Eingewöhnung und Betreuung eine grundlegende Rolle spielen.

KINDERKRIPPENKIND - EIN INTENSIVER JOB!

Blicken wir einmal in eine Krippe: Krippenkinder sind den ganzen Tag in sozialer Interaktion. Sie müssen lernen, sich von ihren Eltern zu trennen, neue Beziehungen aufzubauen, Bedürfnisse zu artikulieren, Konflikte auszutragen, zu teilen, sich durchzusetzen, mit Frustration und Schmerz (ohne Trost von Mama) zurechtzukommen. Sie beobachten, saugen Geschehnisse in der Gruppe auf und lernen neue Aufgaben zu meistern. Das ist viel Arbeit für so einen Zwerg und kann ganz schön ermüden. "Je kleiner das Kind, umso kürzer sollte sein Krippentag sein, denn die vielen Kontakte sind anstrengend für die Kleinen", erklärt Lieselotte Ahnert. Sechs Stunden seien genug. Auch Pausentage möglich sein. Und: Nach dem Abholen brauchen die Kleinen viel Liebe und Zuwendung!

BESTE BEDINGUNGEN FÜR UNSERE KLEINSTEN

Bei der Frage der Qualität dreht sich die Diskussion meist um den Betreuungsschlüssel: Eine Betreuungsperson für fünf Kinder - das schlägt der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther vor. Jesper Juul spricht von 1:4, und Entwicklungspsychologin Ahnert empfiehlt drei Kinder pro Betreuungsperson. Aktuell liegt das Verhältnis in Österreich im Durchschnitt bei 1:8. Um das Kind als Individuum sehen, um seine individuellen Bedürfnisse erkennen und stillen zu können, braucht es genügend liebevolle und qualifizierte Betreuungspersonen. Diese sollen in gutem Austausch mit den Eltern stehen und bei der Eingewöhnung und in Pflegesituationen besonders sensibel vorgehen. Klare, gemütliche Räume mit Ruhebereichen, dosierte Anregungen, eine entspannte Atmosphäre, kleine Gruppen und flexible Bringzeiten bilden den Rahmen.

KEIN ZWANG ZUR KRIPPE

Die Kinderkrippe ist durchaus ein geeignetes "Teilzeitmodell" für unsere Kleinsten!

Stimmen Qualität und Aufenthaltsdauer, so profitiert das Kind. Von flächendeckender Ganztagsbetreuung nach französischem Vorbild rät Evelyn Sailer, erfahrene Elementarpädagogin und Mutter von vier Kindern, entschieden ab: "Kinder brauchen Zeit und Raum für die Beziehung zu den Eltern - und nicht ausschließlich "Quality Time" - im Sinne von Spiel, Spaß und Ausflügen. Sie brauchen auch langweilige Zeit mit ihnen und Phasen, in denen sie sich mit ihren Eltern "reiben"  können."

Ziel der Familienpolitik muss es daher sein, unterschiedliche Familienkonzepte - Stichworte: Elternteilzeit, Kindergeld, Tagesmütter etc. - zu fördern und weiterhin auszubauen!

Zum Nachlesen:

  • WEM GEHÖREN UNSERE KINDER?
    Dem Staat, den Eltern oder sich selbst?
    Von Jesper Juul
    Beltz Verlag
    ISBN 978-3-407-85970-9
    Euro 5,10

  • WIEVIEL MUTTER BRAUCHT EIN KIND?
    Von Lieselotte Ahnert
    Spektrum Akademischer Verlag
    ISBN 978-3-8274-2014-5
    Euro 15,40

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